Weihnachten in Familie

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Hermines Sicht

"Komm, und rühr meinen Kessel. Bist du einer, der's richtig macht, koch ich dir heiße, starke Liebe, die dich warm hält heute Nacht!" 

Stöhnend stütze ich meinen Kopf in die Hände. Schon das dritte Mal an diesem Abend läuft 'Ein Kessel voller heißer, starker Liebe' im kleinen Zauberer- Radio, da Molly einfach nicht genug davon bekommen kann. Dieses Worst-Case-Szenario erinnert mich stark an das Weihnachtsfest im sechsten Schuljahr und wenn es nach mir ginge hätte ich sowohl damals, als auch heute locker auf dieses Geschnulze verzichten können. Der 'Hit' ist eben einfach nicht tot zu kriegen. 

Gerade als Celestina Warbeck eine ruhigere Ballade, mit dem Titel 'Dein Zauber riss mir das Herz aus der Brust' anstimmt, räuspert sich Charlie vernehmlich und schlägt laut vor, noch eine letzte Tasse Kakao zu trinken und dann ins Bett zu gehen. Damit sind alle einverstanden, und froh darüber, Celestina zu entkommen, begeben wir uns in die Küche. 

Eine dampfende Schokolade später, begeben wir uns auf unsere Zimmer. Natürlich können wir nicht direkt einschlafen. Mit Ginny kann ich eben über alles reden und da kann es schon einmal vorkommen, dass wir bis spät in die Nacht über Merlin und die Welt tratschen. Selbst wir sind manchmal richtige kleine Lästerschwestern, aber ganz ehrlich, ich würde mir Gedanken machen, wenn das nicht so wäre. Ich meine, nobody is perfect und ein bisschen Spaß muss sein, oder? 

Von Draco habe ich ihr allerdings noch nichts erzählt, aber jetzt gibt es ja auch nichts mehr dazu zu sagen, außer, dass es das kürzeste Intermezzo war, das ich je gesehen habe. Nur gibt es da nicht nur diesen einen Jungen, der mir tagtäglich Kopfzerbrechen bereitet und mein Weihnachtsfest so ziemlich an die Knallrümpfigen Kröter verfüttert. Nein, da ist auch noch Ron.

"Sag mal Ginny, glaubst du, Ron und ich werden irgendwann wieder Freunde? Ich meine er war seit dem Kampf gegen den Bergtroll, in unserem ersten Schuljahr, wie ein Bruder für mich. Nur leider wurde daraus mehr, was, wie du ja weißt, nicht sehr lange anhielt. Es ist alles meine Schuld. Ich hätte besser in mich hinein horchen sollen, aber nein ich musste natürlich direkt unsere ganze Freundschaft aufs Spielsetzen. Das habe ich ja schließlich auch geschafft, ich meine, sieh uns doch an! Wir reden nicht mal mehr miteinander!" 

Frustriert zerknittere ich meine Bettdecke zwischen meinen geballten Fäusten. Ginny wirft mir einen mitleidigen Blick zu und antwortet: "Ach Mine, mach dich doch nicht selbst so fertig. Das wird schon wieder. Schau, mein Bruder braucht eben einfach Zeit, um das alles zu verarbeiten. Eure Trennung hat ihn schwer getroffen und das darfst du ihm nicht verübeln. Trotzdem, dass er sich anschließend wie das größte Arschloch überhaupt benimmt, hätte ich ihm nicht zugetraut. Das macht mich echt traurig, wenn ich ihn so sehe. Es ist, als würde ich ein Stück meines Lebens verlieren. Er entgleitet mir immer mehr, wenn du verstehst, was ich meine, und ich habe das Gefühl, dass es fast zu spät ist um nach ihm zu greifen. Doch je mehr ich ihm die Hand reichen will, desto weiter rückt er von mir weg. Das tut so weh! Er gehört doch zur Familie! Und mittlerweile benimmt er sich fast schlimmer als Malfoy. Selbst der hat sogar wundersamerweise aufgehört, dich 'Schlammblut' zu nennen. Hättest du ihm das jemals zugetraut?" 

Im Dunkeln schlüpfe ich unter meiner Decke hervor und tapse zu Ginnys Bett hinüber, das sachte vom Mond beschienen wird, um mich zu ihr zu legen. Kaum habe ich es mir gemütlich gemacht, höre ich meine beste Freundin schniefen und sehe, dass ihre Wange vor Feuchtigkeit glänzt. Sanft umschlinge ich sie mit meinen Armen und versuche ihr soviel Liebe zu schenken, wie nur möglich. 

Ich weiß, dass ich niemals einen ihrer Brüder ersetzen kann und das will ich ja auch gar nicht, aber als einziges Mädchen in der Familie, ist es nur all zu verständlich, dass sie auch mal eine weibliche Schulter braucht, an der sie sich ausweinen kann und dabei rede ich nicht von ihrer Mutter. Und doch sehe ich kurz darauf meine Vermutung bestätigt. Genau das ist es, was sie eben am dringendsten braucht. Eine liebevolle Umarmung von ihrer besten Freundin. 

"Hör zu Ginny, ich bin mir sicher, dass du Ron niemals verlieren wirst. Unser Streit hat nichts mit dir zu tun und auch wenn er es dir nicht sagt, er liebt dich von ganzem Herzen. Weißt du noch, wie er Dean Thomas verhexen wollte, nur, weil er dich geküsst hat? Oder, wieviel Zeit er brauchte, um sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass du und Harry, sein bester Freund wohl gemerkt, ein Paar seid. Das hat er alles aus Liebe getan! Er hat so viele Brüder, aber nur eine Schwester. Bitte glaub mir, du wirst ihn nicht verlieren!" "Danke Mine." 

Einige Minuten des Schweigens vergehen, bevor ich den Mut aufbringe, ihre zweite Frage zu beantworten. 

"Und naja, also was Dra- ähm, ich meine, was Malfoy angeht, hast du wohl recht. Er hat sich echt verändert und ich glaube man könnte ihn wirklich mögen, wenn er nicht-" Doch ich breche ab, denn Ginny hat sich neben mir, wie eine Katze, zusammengerollt und schläft friedlich. Schmunzelnd decke ich sie richtig zu und gehe dann wieder zu meinem Feldbett hinüber. Es dauert noch eine Weile bis ich einschlafe, die ich hauptsächlich damit verbringe, mich umher zu wälzen oder an die Decke hoch zu stieren und über Draco und Ron nachzudenken. Gegen Mitternacht fallen mir dann schließlich auch die Augen zu.

"Geschenke! Frohe Weihnachten Mine!" Ich gähne, bin aber im nächsten Moment total munter, als ich den Stapel Geschenke an meinem Fußende finde. Ginny ist schon längst dabei, die Ihren von dem überflüssigen Papier zu befreien und auf dem Boden liegen sogar schon zwei leere Schokofrosch-Verpackungen. "Los, worauf wartest du denn? Mach deine Geschenke auf!"

Voller Vorfreude nehme ich das oberste Päckchen vom Stapel. Es fühlt sich schwer an und ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein Buch ist. Meine Vermutung bewahrheitet sich, als ich auf den Hochglanzdeckel schaue, auf dem in geschlungenen Buchstaben steht: 'Seltene Zauber in der Theorie- Tauchen Sie ein, in eine Welt der unbekannten Magie!' Anbei liegt eine kleine Karte mit Weihnachtsgrüßen von Harry. 

In dem nächsten, ziemlich kleinen Geschenk, ist ein goldenes Armbändchen, mit einem kleinen Anhänger, in Form eines Engelflügels. "Ich hoffe es gefällt dir. Schau mal, ich habe das Gleiche, bloß in Silber. Zuerst hatte ich keine Ahnung, was ich dir schenken sollte, aber dann ist mir das eingefallen und-" Doch weiter kommt sie nicht, denn ich bin schon von meiner quietschenden Matratze aufgesprungen und zu Ginny gerannt, um sie in eine stürmische Umarmung zu ziehen. 

"Danke, ich liebe es! Würdest du mir helfen, es ranzumachen?" Kurze Zeit später bestaune ich das filigrane Band. 

Danach widme ich mich meinem, immer noch beträchtlichen, Haufen und reiße das Geschenkband von einem weiteren Päckchen. Heraus kommt ein einzelner Schokofrosch von Ron. Ein leichtes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Klar, es ist nichts Besonderes, aber er hat mich nicht komplett vergessen und das ist das, was zählt. 

Von Molly und Arthur habe ich, wie jedes Jahr, einen Weasley- Pullover, mit einem 'H' drauf, bekommen und eine Tüte selbstgemachter Pasteten. 

Hagrid hat mir ein kleines Gefäß mit Farbwechseltinte und eine Hippogreiffeder geschenkt und ich könnte schwören, dass sie einmal Seidenschnabel gehörte. 

Das Papier häuft sich auf meinem Bett und ich beschaue glücklich meine Gaben. Nur ein Geschenk fehlt, das meiner Eltern, aber ich habe die Hoffnung bereits aufgegeben, je auch nur noch ein Lächeln von ihnen geschenkt zu bekommen. Der Zauber ist einfach zu stark, um ihn rückgängig zu machen. Eine einzelne Träne bahnt sich den Weg über meine Wange, bis runter zu meinem Kinn. 

'Nein Hermine, sei tapfer! Es ist Weihnachten und du wirst einmal nicht um deine Eltern trauern. Sicher geht es ihnen in Australien gut und sie sitzen auch gerade gemütlich in der Stube und packen Geschenke aus.' Ja, so wird es sein, ganz bestimmt.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt