Dracos Sicht
"Hey Engelchen, wie sieht's aus, hast du heute noch vor, dem Unterricht zu folgen?" "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich nicht so nennen sollst Blaise?" 'Engelchen', was für ein blöder Spitzname. Von einem Engel bin ich schließlich weit entfernt. Doch den zweiten Teil seiner Frage hat er zurecht gestellt. Keine Ahnung, was mit mir los ist. Heute früh bin ich ganz normal aufgewacht, obwohl ich mich ziemlich gerädert gefühlt habe, als hätte ich einen Filmriss. Dieses Gefühl war sehr merkwürdig und ich konnte es auch irgendwie nicht einordnen, aber es würde schon wieder verschwinden. Trotzdem, da sind diese Augen, die schon den ganzen Tag in meinem Hinterkopf herumspuken. Ich kenne sie und weiß genau, wem sie gehören. Doch wahrhaben, will ich das deswegen noch lange nicht. Ich habe meine Tori und ich liebe sie ja auch von ganzem Herzen. Oder? Was für eine dumme Frage! Langsam zweifele ich echt an meinem gesunden Menschenverstand. Natürlich liebe ich sie und dennoch ist da noch ein anderes Gefühl. Während des Frühstücks, hat Astoria mich geküsst und einerseits wollte ich es auch, andererseits war das Kribbeln in meiner Magengegend dabei nicht ansatzhalber so stark, wie sonst. Mein Kopf spielt mir heute eindeutig zu viele Streiche. Warum zog ausgerechnet sie, beim Frühstück, meinen Blick so an? Das darf doch wohl nicht wahr sein. Ich versuche, einen kühlen Kopf zu bewahren und verdränge die Gedanken an dieses eine Gryffindor- Mädchen.
Beim Mittagessen spielen meine Sinne immer noch verrückt. Der Gryffindortisch zieht meinen Blick ununterbrochen, wie ein Magnet, an. Plötzlich treffen meine grauen Augen auf Haselnussbraune. Mein Atem stockt in meiner Brust. 'Sag mal Draco, merkst du eigentlich noch was?! Du starrst die Granger an, verdammt nochmal!' Doch auch meine innere Stimme kann nichts an dieser Situation ändern. Mit aller Kraft konzentriere ich mich wieder auf meinen Teller. Ich fühle mich fremdgesteuert, als wäre ich in einer Hülle gefangen, die auf Knopfdruck reagiert. Das liegt bestimmt nur an der unruhigen Nacht, versuche ich mir vergebens einzureden.
Zum Glück haben wir heute keinen Unterricht mit den Gryffindors. Ich muss dieses Mädchen irgendwie vergessen, denn es ist mehr als falsch, auch nur einen Gedanken an sie zu verschwenden. Tief versunken, in meine Grübeleien, gehe ich aus dem Verwandlungsunterricht. Es hat gerade geklingelt und ich will in die Bibliothek, um noch den Aufsatz für Binns fertig zu schreiben. In diesem Moment rennt jemand mit voller Wucht in mich hinein und wir stürzen beide rücklings zu Boden. Ich reibe mir mein Steißbein, der Aufprall war ziemlich schmerzhaft, und sehe mein Gegenüber an. Mein Herz macht einen Sprung. Welch Ironie des Schicksals. Warum nur wusste ich es? Direkt vor mir sitzt niemand Geringeres als die Granger höchstpersönlich. Sofort rappele ich mich hoch und will auch ihr aufhelfen, doch da steht sie schon wieder auf beiden Beinen.
" 'Tschuldigung, ich, äh-" nuschelt sie und will schon an mir vorbei flitzen, da packe ich sie am Handgelenk. Erst jetzt fällt mir auf, wie schmal und gebrechlich es aussieht. Ich sehe ihr wieder direkt in die Augen. Diese Augen. Doch nun ist das Weiße in Ihnen gerötet. Sie hat geweint, aber wieso? Die Brünette starrt mich schockiert an. Wenn jetzt jemand vorbeikommt, wir müssen echt ein schräges Bild abgeben, wie wir so dastehen. Ein Slytherin und eine Gryffindor. Eine Schlange und ein Löwe.
"Was ist- du hast geweint. Warum-" Ich bringe keinen zusammenhängenden Satz hervor. Was zum Teufel ist nur los mit mir?! Das einzige, worauf ich achte, sind ihre Augen. Schon zum zweiten Mal muss ich feststellen, wie wunderschön sie sind. Doch lange hält unser Blickkontakt nicht, denn sie macht sich los und hastet davon. Mit einem dumpfen Gefühl im Bauch, gehe auch ich meinen Weg. Wohin der führt, weiß ich jetzt noch nicht.
Hermines Sicht
Was war das denn gerade? Musste ich denn ausgerechnet gegen ihn rennen?! Ich bin so schon mit den Nerven völlig am Ende, weil einer meiner besten Freunde beschlossen hat, alte Wunden wieder aufzureißen, da stoße ich auch noch mit Malfoy zusammen. Ganz toll. Es ist, als würde das Schicksal nur so vor mir herumtanzen, mit einem großen Zaunpfahl in der Hand, auf dem steht: "Hahaha!" Was soll man dazu sagen? Rechts, links angepflaumt.
Aber was ist eigentlich mit Ron los? Ich dachte, er hätte losgelassen, doch so wirkte das vorhin nicht gerade. Stockend bleibe ich stehen. Unbewusst haben mich meine Füße geradewegs in die Bibliothek getragen. Zielgerichtet gehe ich in die Muggelabteilung. Hier gibt es nicht nur Bücher über Nichtzauberer, sondern auch Einige von ihnen, ganz ohne Magie. Ich ziehe auf gut Glück irgendeinen dicken Wälzer heraus. Nicholas Sparks- 'Wo wir uns finden'. Ein Liebesroman, den ich schon etliche Male gelesen habe. Meine Mutter besitzt alle Bücher dieses Autors und somit kenne ich nicht nur dieses eine Werk. Wie oft ich schon in meinem Zimmer, im Haus meiner Eltern, saß und geheult habe, weil diese Bücher einfach nur traurig sind? Keine Ahnung. Doch jetzt spiegelt der Inhalt mein Gemüt eins zu eins wider und somit verziehe ich mich in meine Lieblingsecke und beginne, zu lesen. Als ich gerade auf Seite 41 angekommen bin, legt sich eine warme Hand auf meine Schulter. Ich zucke zusammen. Während des Lesens bin ich immer mehr in das Buch versunken und blendete alles um mich herum aus. Doch diese leichte Berührung holt mich in die Wirklichkeit zurück. Blitzschnell wirbele ich herum, um zu sehen, wer da hinter mir steht und verrenke mir dabei beinahe den Nacken. Meine Augen weiten sich, als ich den jungen Mann erkenne und ich wünsche mir, ganz weit weg in meinem Schlafsaal zu sein, wo ich mich verkriechen und vor meinen Sorgen wegrennen kann.
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Wie Licht und Schatten
FanfictionZwischen Leben und Tod zu schweben kann einem ganz schön an die Substanz gehen. Wie ist es wohl, ein Teilzeitgeist zu sein? Ob die Magie da noch etwas bewirken kann? Der kleine Sam reist mithilfe eines Zeitumkehrers in die Vergangenheit, um sein Le...