Ein Stückchen Zuhause

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Hermines Sicht

Bibbernd wärme ich mir meine bläulichen Finger am Feuer. Draußen ist es in den letzten Tagen um einiges kälter geworden und der beißende Wind zehrt spürbar am ganzen Körper. Der Herbst ist dieses Jahr schon ganz schön früh in vollem Gange.

Gerade habe ich Hagrid besucht, der seit Anfang der Woche zutiefst betrübt ist. Klar, der Jobberknoll war schon ein relativ alter Vogel und normalerweise wird seine Art auch nur höchstens 20 Jahre alt, aber wir wissen ja schließlich alle, wie unser Riesenfreund ist. Er schließt jedes Monster in sein beneidenswert großes Herz. Gut, ich gebe zu, dieser kleine, blaue Vogel war kein Monster, im Gegenteil, er war echt süß. Dennoch, er gehörte zu Hagrids Schützlingen, und so ist es nur selbstverständlich, dass dieser um das tote Tier trauert. Auch ich bin immer noch etwas betrübt, wenn ich mich an seinen ersten und letzten Schrei zurück erinnere. Solch einen durchdringenden und einprägsamen Laut habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört. Obwohl doch, Fawkes' Klage, nach Dumbledores Tod, ist ähnlich schrecklich gewesen. Ein Kloß staut sich in meiner Kehle an, als all diese Gedanken meinen Kopf vernebeln und wie ein Dementor jegliches Glück aus mir heraussaugen.  

Zum Glück kommt gerade Ginny, gefolgt von Harry und Ron, durch das Portraitloch. Alle drei sehen, mit ihren geschulterten Besen, ziemlich erschöpft, aber zufrieden aus. Ginny rennt schnell in den Schlafsaal um ihren Besen weg zu schaffen und ihre zwei Teamkameraden tun es ihr gleich. Zwei Minuten später sinkt die Rothaarige mit geschlossenen Augen in einen weichen Sessel und auf ihrem leicht geröteten Gesicht, macht sich ein Lächeln breit. Hier im Gemeinschaftsraum kann sie sich immer am besten entspannen. Das weiß ich nur allzu gut, schließlich kenne ich meine beste Freundin in- und auswendig und ich muss zugeben, dass es mir genauso geht. Der runde Raum ist mit seinen, wild zusammengewürfelten Möbelstücken, die eigentlich so gar nicht zueinander passen wollen, einfach nur gemütlich. Auch die rot- goldenen Wandbehänge und der steinerne Kamin, in dem zu jeder Jahreszeit ein Feuer brennt, tragen ihren Teil zum Gesamtbild bei. Und die umherliegenden Besitztümer der anderen Schüler verleihen dem Ganzen einen heimelichen Touch.

Nun kommen auch die Jungs gemeinsam die Wendeltreppe herunter. Harry, der immer noch seinen Feuerblitz und das Besenpflegeset in der Hand hält, dass ich ihm zu seinem 13. Geburtstag geschenkt habe, lässt sich auf dem löchrigen Kaminvorleger nieder und lehnt sich entspannt gegen die Beine seiner Freundin. Ron, dem eindeutig anzusehen ist, dass er so viel Abstand wie möglich zwischen sich und mich bringen will, setzt sich zu Ginnys anderer Seite auf ein kleines Sofa. So sitzen wir einen Moment schweigend da und starren in die züngelnden Flammen, bis wir schließlich alle verschiedenen Tätigkeiten nachgehen. 

Nach einigen Minuten sieht der Boden um uns herum aus, wie ein einziger Saustall. Meine Wollknäule, mit denen ich mal wieder Elfenhüte stricke, liegen verteilt zu meinen Füßen. Ebenso, wie das aufgeschlagene Buch, in das ich ganz vertieft bin, während die blitzenden und klackernden Nadeln, in der Luft, von selbst ihr Werk verrichten. Auch Harry, der eifrig seinen Feuerblitz auf Hochglanz poliert, hat sich ziemlich breit gemacht. Zu allem Übel rennt auch noch irgendeine Katze, wem auch immer die gehört, zwischen all dem Chaos herum und versucht den Butterbierkorken zu schnappen, den Ginny, mittels ihres Zauberstabes, knapp über dem Boden umhersausen lässt. Ein Stechen macht sich in meiner Brust breit. Das hat Krummbein auch immer geliebt. Wie es ihm jetzt wohl geht?

Ein fürchterlicher Knall zerreißt die Luft, der einige Gryffindors dazu bewegt, sich zu uns umzudrehen. Ron, der allein eine Partie 'Voldi explodiert', nachdem wir Snapes wahre Beweggründe herausgefunden haben, haben wir das Spiel gütigerweise umbenannt, begonnen hat, japst prustend nach Luft. Sein Satz höchst explosiver Zaubererkarten ist in die Luft gegangen und das ganze Kartenhaus ist in sich zusammengestürzt. Dabei hat es der Rotschopf doch tatsächlich geschafft, seine Augenbrauen anzukokeln, die ziemlich mitgenommen aussehen und von denen nun silbrig- grauer Rauch aufsteigt. Harry und ich können uns ein Grinsen nicht verkneifen und Ginny, die ihre rückenlangen Haare über die Schulter schwingt und ihren Kopf in den Nacken wirft, beginnt schallend los zu prusten. 

"Jaja, lacht ihr nur!", grummelt der schlaksige Junge und steht rasch von seinem Sessel auf. "Ron- hihihi - setz dich, wir meinen es doch nicht- hihi - böse!", bringt seine Schwester stoßweise hervor. Der Angesprochene wirft ihr einen finsteren Blick zu, lässt sich jedoch wieder auf seinen Platz fallen. Er betrachtet sein Spiegelbild in der Rückseite eines Teelöffels, der warum auch immer, neben ihm auf einem Tischchen lag und behebt den Schaden in seinem Gesicht mit einem einfachen Schlenker seines Zauberstabes.

"Wie lief das Training?", unterbreche ich die unangenehme Stille. "Ganz gut, die Slytherins werden morgen keine Chance gegen uns haben!" "Ach ja-", ich schlage mir mit der Handfläche gegen meine Stirn "Morgen ist ja Samstag und das erste Quidditchspiel der Saison steht an. Hab ich ganz vergessen." "Hach, unsere Hermine. In ihren Kopf passt alles mögliche rein, aber für den besten Sport der Welt ist kein Platz." Ginny amüsiert sich prächtig neben mir. "Du kommst doch trotzdem, nicht wahr?", fragt sie und besieht mich mit einem strengen, aber gleichzeitig erwartungsvollen Blick. Ich muss mir eingestehen, dass ich wirklich mit dem Gedanken gespielt habe, dieses eine Spiel einfach mal ausfallen zu lassen. Dieses Gefühlschaos in meinem Inneren bringt mich noch um den Verstand und Malfoy und seine Mannschaft, gegen die Gryffindors antreten zu sehen, wäre sicher nicht sehr förderlich. 

"Denk gar nicht erst dran. Natürlich kommst du, die Frage hätte ich mir auch sparen können. Das ist beschlossene Sache!" Ginny scheint zu ahnen, worüber ich mir den Kopf zerbreche. Ich seufze. "Ok, ok, ist ja gut, ich sehe es mir an.", gebe ich matt nach und lehne mich in meinem Sessel zurück. Das kann ja heiter werden.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt