Hermines Sicht
Ich weiß nicht, was mich dazu treibt, aber als ich sehe, wie Malfoy diese Greengras knutscht kommt es einfach über mich. Gerade eben habe ich Zabini sagen hören, "Nehmt euch ein Zimmer!", wobei ich ihm ausnahmsweise mal Recht geben muss, da haben mich meine Füße schon davon getragen. Im Vorbeigehen rempele ich Malfoy an. Keine Ahnung, warum, aber irgendetwas stört mich an diesem Bild- er und diese Grasdame. Was ist nur los mit mir? Und warum zerbreche ich mir eigentlich den Kopf über die beiden? Das sind sie auf jeden Fall nicht wert.
Hunger habe ich jetzt auch keinen mehr und da ich nach dem Mittagessen eh zwei Freistunden habe und der Nachmittagsunterricht somit für mich ausfällt, beschließe ich, meine Zeit anderweitig zu nutzen. Wie lange bin ich schon nicht mehr in der Bibliothek gewesen? In der Zeit, in der wir weg waren habe ich sie sehr vermisst und deshalb kommt es mir gerade Recht, dass ich soviel Freizeit habe. Binns hat uns, als Hausaufgabe, einen, 5 Fuß langen, Aufsatz über die Folgen der Riesenkriege im 18. Jahrhundert, aufgegeben. Mit dem Ziel, darauf ein 'O' zu bekommen, mache ich mich, in der Bibliothek angekommen, sofort an die Arbeit. Dieses Jahr stehen die UTZs an und ich muss jetzt schon damit anfangen, mich darauf vor zu bereiten. Diese Prüfungen darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Nachdem ich meinen Aufsatz beendet habe, rolle ich das Pergament zusammen und stopfe es, samt Tinte und Feder, in meine Tasche.
Draußen dämmert es bereits, aber bis zum Abendessen ist noch eine halbe Stunde Zeit. Deshalb entscheide ich mich für ein spannendes Buch, mit dem ich es mir im hinteren Teil der Bibliothek gemütlich mache. 'Die Märchen von Beedle dem Barden', ich habe die Originalausgabe oben, im Mädchenschlafsaal. Sie ist zu wertvoll, als dass ich sie neben all meinen Schulbüchern hätte herumtragen können. Dumbledore hat mir den Band nach seinem Tod, aus zwei Gründen, vererbt, da bin ich mir sicher. Zum einen wusste er, dass ich meine Zeit, wenn ich nicht gerade im Unterricht bin, esse oder schlafe, hier verbringe. Ich lebe sozusagen fast in der Bibliothek und dementsprechend sind Bücher so etwas wie mein Lebenselixier. Da ich bei Muggeln aufgewachsen bin, kannte ich diese Kindergeschichten zuvor noch nicht, also war es ein richtiger Doppeltreffer. Außerdem ist in dieser Märchenausgabe ein Symbol enthalten, dass uns bei der Bekämpfung Voldemorts behilflich sein sollte. Der ehemalige Schulleiter hat es per Hand über die Überschrift des Märchens von den drei Brüdern gezeichnet. Ein Dreieck, in dessen Mitte sich ein Kreis befindet, der durch eine senkrechte Linie, bis zur Spitze des Dreiecks, halbiert wird. Es ist das Zeichen der Heiligtümer des Todes, das ein wenig an ein Auge erinnert.
Ich denke an den Umhang, der seinen Träger wahrhaftig unsichtbar macht, den Stein der Auferstehung und den unbesiegbaren Elderstab. Derjenige, der alle drei Gegenstände besitzt und vereint, würde zum Gebieter des Todes werden, das weiß ich. Harry war es. Er besaß alle Symbole, doch er war, bewundernswerter Weise, nicht auf Macht aus und behielt ausschließlich den Umhang, den er von seinem Vater geerbt hatte. Nach der Schlacht hat er Ron und mir anvertraut, dass er den Stein, aus dem Schnatz, im Wald fallen lassen hat. Den Todesstab legte er dorthin zurück, wo er hingehörte, in Dumbledores Grab. Ja, Harry war der würdige Besitzer der Heiligtümer.
Nach einer dreiviertel Stunde merke ich, dass ich ganz schön spät dran bin. Das Abendessen hat bereits begonnen, aber ich war viel zu sehr in das Buch vertieft. Schnell laufe ich zu einem Regal und stelle es zurück an seinen alten Platz, dann sage ich Mme Pince auf Wiedersehen und flitze in die große Halle. Zum Glück sind alle mit Essen und Reden beschäftigt und bemerken somit meine verspätete Ankunft nicht. Ich mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen, zumindest nicht, wenn es nicht gerade um meine schulischen Leistungen geht.
Bei den Anderen angekommen, quetsche ich mich zwischen Ginny und Neville und lade meinen Teller randvoll. Nachdem das Mittagessen heute für mich ausgefallen ist, habe ich nun einen Bärenhunger. Sofort verwickeln mich meine Freunde in ein Gespräch. Zwischen ein paar Bissen nicke ich immer mal kurz, schüttele den Kopf oder murmele eine knappe Antwort auf deren Fragen. Plötzlich halte ich in meiner Bewegung inne. Meine Gabel verharrt kurz vor meinem Mund und die Kartoffel fällt zurück auf meinen Teller. Mein Blick ist auf den Slytherintisch gefallen, wo ich sofort Zabini und Greengrass sehen kann, aber keinen Draco Malfoy. Ich verstehe es immer noch nicht. Warum denke ich so oft an ihn und mache mir Gedanken darüber, wo er ist, oder was er tut. Das ist doch nicht normal! Trotzdem wende ich mich an Ginny und flüsterte ihr ins Ohr: "Wo steckt Malfoy?" Sie sieht ebenfalls zu der grünen Tafel am anderen Ende der Halle und runzelt die Stirn. "Keine Ahnung. Merkwürdig, zum Mittagessen heute war er noch da." Ich sage nichts, sondern esse stumm weiter. Sicherlich ist er in seinem Gemeinschaftsraum, weil er keinen Hunger hat.
Nach dem Essen begleite ich meine Freunde in den Gryffindortrum. Dort hole ich schnell meine Wolle und Stricknadeln aus dem Schlafsaal und lasse mich anschließend in einen der gemütlichen Sessel sinken. Ich verhexe die Nadeln, sodass sie vor mir in der Luft schweben und anfangen, von selbst zu stricken. Ich habe zwar B.Elfe.R stillgelegt, aber jetzt beruhigt es mich, Elfenhüte zu stricken. Genau wie Lesen gibt es mir das Gefühl von Geborgenheit. Es ist einfach eine Ablenkung von dem ganzen Stress und den schwarzen Bildern, die sich klammheimlich von hinten anschleichen, um sich anschließend im Geist einzubrennen. Das habe ich besonders nach dem Krieg gemerkt.
Doch mit einem Blick auf die Uhr muss ich feststellen, dass es inzwischen spät geworden ist und das bedeutet, es ist Zeit für die Nachtwache. Ich verabschiede mich von den Anderen und steige durch das Portraitloch. Während meines nächtlichen Spaziergangs bleibt alles ruhig. Nicht eine Menschenseele ist unterwegs. Viele Gänge sind dunkel und nur manchmal scheint ein Strahl Mondlicht durch eines der Fenster. Es ist fast schon ein wenig unheimlich. "Lumos", sage ich leise und daraufhin leuchtet die Spitze meines Zauberstabes auf. Das wird mir meine Arbeit zumindest ein wenig erleichtern.
Wo ist Malfoy eigentlich? Pah, ist sich vermutlich einfach mal wieder zu fein für diesen Job, beantworte ich mir meine Frage sofort selbst. Ist ja klar, kaum heißt es Arbeit, ist dieser Möchtegern-Schönling auch schon weg. Ich stocke. Soeben bin ich in einen Gang im dritten Stock eingebogen, da sehe ich gerade noch einen Schatten um die Ecke am Ende des Ganges huschen. Ich umklammere meinen Zauberstab fest in meiner leicht schwitzigen Hand und hebe ihn noch ein wenig höher. "Malfoy, bist du das?" flüstere ich kaum hörbar in die Stille. Keine Antwort. Habe ich mir diese Gestalt etwa nur eingebildet? Sicherlich, es ist schon spät und keiner ist mehr im Schloss unterwegs, oder? Ich beschließe, meine Patrouille abzubrechen und in den Gemeinschaftsraum zurückzukehren. Die letzten Meter, zum Bild der fetten Dame, renne ich.
Der Gemeinschaftsraum ist schon leer, als ich hereinkomme. Sehnsüchtig denke ich an mein gemütliches Bett und so steige ich die Treppe zu den Mädchenschlafsälen hoch. Nachdem ich meinen Schlafanzug angezogen habe, kuschele ich mich unter meine warme Decke. Wahrscheinlich haben die Hauselfen eine Wärmflasche darunter gelegt. Doch an Einschlafen ist wieder nicht so schnell zu denken, denn der Gedanke, jemand könnte nachts in Hogwarts umherschleichen, der zudem nicht den Eindruck macht, als sei er ein Schüler, lässt mir einfach keine Ruhe.
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Wie Licht und Schatten
FanfictionZwischen Leben und Tod zu schweben kann einem ganz schön an die Substanz gehen. Wie ist es wohl, ein Teilzeitgeist zu sein? Ob die Magie da noch etwas bewirken kann? Der kleine Sam reist mithilfe eines Zeitumkehrers in die Vergangenheit, um sein Le...