Unstillbare Sehnsucht

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Dracos Sicht

Nach Astorias Abgang, der sich alles andere als damenhaft gestaltete, brauche ich erstmal kurz Zeit zum Verschnaufen. Was ist bloß in sie gefahren, dass sie Hermine und mich attackiert wie ein, wild gewordener, Geier?! Nun ja, irgendwie ist es ja auch nachvollziehbar. Ich meine, ich habe sie die ganze Zeit schon gekränkt, indem ich, sowohl hinter ihrem Rücken, als auch vor ihrer Nase, mit Granger geflirtet habe. In dieser Hinsicht wundert es mich, dass sie nicht schon auf dem Gang auf mich losgegangen ist, als ich öffentlich für die Gryffindor, statt für Tori, Partei ergriffen habe. 

Aber zu diesem Zeitpunkt hat dann vermutlich doch noch der Stolz überwogen. Im Gegenteil zu der Szene im Krankenflügel. Typisch. Ähnlich einer Veela, kann auch meine Verlobte ziemlich ungemütlich werden, wenn ihr gerade mal wieder eine Laus über die Leber läuft. Nur, dass ihr nicht urplötzlich Flügel und ein Schnabel wachsen und sie anfängt, mit Feuerbällen um sich zu werfen. Obwohl sie dem heute schon ordentlich Konkurrenz gemacht hat. 

In diesem Thema kann der Slytherin wohl nicht so schnell einer das Wasser reichen, mal ganz abgesehen von der Weaslette, mit ihrem berüchtigten Flederwicht. Gott sei Dank beherrscht meine Verlobte diesen Zauber nicht. Noch so eine ungemütliche 'Waffe' wäre das nächste Mal wahrscheinlich tödlich für mich. Auch wenn ich ihr nichts unterstellen möchte, weiß ich ganz genau um Astorias Unberechenbarkeit in eskalierenden Situationen.

Dennoch, ich hatte nicht das Recht dazu, sie so schändlich zu hintergehen und anzulügen. Ich meine, mir tut es ja auch irgendwie leid, sie so zu verletzen, aber ich kann meine Gefühle genauso wenig steuern oder unterdrücken, wie jeder Andere. Ich weiß ja nicht einmal selbst, wie dieses Mauerblümchen, aus der Höhle der Löwen persönlich, es geschafft hat, sich unbemerkt in mein Herz zu schleichen. 

'Ich liebe dich!', hat sie zu mir gesagt. Geradewegs, mitten ins Gesicht. Dieser Satz aus ihrem Mund ist mindestens genauso suspekt, wie meine Gefühle für sie. Aber irgendwie haben wir uns gefunden. Auf Umwegen zwar, aber wir haben es geschafft. Die Frage ist, wie geht es weiter? Ich muss unbedingt noch einmal mit Tori über diese ganze Sache reden. Sie meinte ja selbst, dass ihr letztes Wort noch nicht gesprochen sei. 

Falls ich es irgendwie schaffe, sie davon zu überzeugen, dass ich sie nicht heiraten kann, wird sie es vielleicht verstehen und mir helfen, an unsere Väter zu plädieren, die Zwangsverlobung fallen zu lassen. Im Moment ist das zwar eher ein Wunschdenken, vor allem wenn ich an Toris Reaktion auf den Kuss denke, dessen unfreiwillige Zeugin sie wurde, aber noch ist nichts verloren und ich muss sagen, mein letztes Wort ist bei weitem auch noch nicht gesprochen.

Vorerst muss ich mich aber erst einmal um Hermine kümmern. Ihr war deutlich anzusehen, dass die Erinnerungen an den Krieg sie erneut eingeholt haben. Nach all dem, was sie durchstehen musste, ist das auch kein Wunder und trotzdem hat mich ihr verletzlicher Anblick zutiefst getroffen. So schleiche ich mich vorsichtig an die schlafende Löwin heran. 

Gott sei Dank scheint sie sich wieder beruhigt zu haben. Ihre Brust hebt und senkt sich nicht mehr so stark, dass man glauben könnte, sie würde jede Minute hyperventilieren, ihre, zuvor verkrampften Hände, hängen nun schlaff vom Sofa herab und auch das Zucken unter ihren Lidern hat deutlich nachgelassen. 

Man könnte denken, sie sei tot, würde nicht eine verirrte Haarsträhne, die ihr widerspenstig ins Gesicht hängt, in regelmäßigen Abständen erzittern, weil sie bei jeder Ausatmung in Schwingung versetzt wird. 

Für einen Moment verliere ich mich in dem Anblick der jungen Hexe. Natürlich, Hermine ist nicht das klassische Schönheitsideal einer Frau, schon gar nicht, wenn man jemanden wie Astoria daneben stellt. Und doch hat sie etwas an sich, dass ihr eine ganz besondere Art an Ästhetik verleiht. Wenn man das erst einmal, hinter der Fassade der prüden Streberin, gefunden hat, sieht man nicht mehr nur noch einen Bücherwurm, der jede freie Minute in der Bibliothek verbringt, sondern eine stattliche Frau, die einen Krieg überlebt hat und mit jeder Narbe mehr gewachsen und attraktiver geworden ist. 

Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt