Finger weg von meinem Freund

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Dracos Sicht

Sacht führe ich ihre linke Hand an mein Schulterblatt und ihre Rechte umschließe ich mit meinen Fingern. Von den Stellen, an denen sie mich berührt, breitet sich wellenartig Wärme aus. Ich spüre ihren warmen Atem und alles in mir schreit, sie noch fester an mich heran zu ziehen. Meine Sinne spielen verrückt und wenn ich mich nicht augenblicklich zusammenreiße, wird es bald sehr ungemütlich für mich werden. Ich habe schließlich eine Freundin oder besser gesagt, eine Verlobte!

Vor ca. zwei Minuten sollten wir uns eine Tanzpartnerin bzw. einen Partner suchen. Zuvor hat die 'Gonagall uns netterweise eine kleine Vorführung geboten, mit keinem Geringeren als diesem Runald Waschlapp! Selbst ich habe meine Maske für einen Moment fallen lassen und mich fast auf dem Boden gekugelt vor Lachen. Aber nur fast. Als es dann ernst wurde habe ich mich schnell wieder gefangen, nur um kurz darauf erneut die Fassung zu verlieren. Ich stand völlig allein im Raum, um mich herum Paare, und schaute in zwei warme, braune Augen. Alle Blicke ruhten auf uns und mir wurde klar, dass wir nicht anders konnten, als miteinander zu tanzen. Es war ja niemand sonst übrig und komischerweise störte es mich so gut wie gar nicht. Wie in Zeitlupe bewegten wir uns aufeinander zu und jeder in diesem Zimmer hielt gespannt den Atem an, was gleich passieren würde. Wenig Abstand zwischen uns, sahen wir uns tief in die Augen, bis ich einfach meinem Bauchgefühl folgte und anfing mit ihr zu tanzen. 

Kurz waren wir die Einzigen und ich war knapp davor, wieder damit aufzuhören, überwand mich jedoch, in dieser Haltung zu verharren und zu meinem großen Glück dauerte es nicht lange, bis auch alle Anderen sich unsicher am Platz drehten. Bei einigen sieht es so aus, als würden sie jeden Tag nichts anderes tun und auf einmal wird mir bewusst, wie albern ich aussehen muss. Meine Tanzkünste liegen unter null und ich blamiere mich gerade von der kleinsten Zehe bis zum Haaransatz. Als hätte ich es vorausgesagt, nein, mein inneres Auge hat mir nicht soeben die blassen Nebel der Zukunft gezeigt, so ein Blödsinn, trete ich wie ein Bauerntrampel auf Grangers zierlichen Fuß. Diese zieht zischend die Luft ein, fängt sich jedoch sofort wieder und lächelt nur unsicher, als wäre nichts passiert. 

"T- tut mir leid.", murmele ich in meinen nicht vorhandenen Bart und schaue peinlich berührt auf sie hinab. Moment, das ist nicht mein Ernst?! Ich entschuldige mich bei der Gryffindor und stottere auch noch wie ein verliebter Schuljunge herum? Aber bin ich das nicht auch? Ein Schuljunge auf jeden Fall, aber verliebt? Nein, oder? Ein Wunder, dass mein Kopf nicht anfängt zu qualmen, unter diesem scharfen Geschütz an Fragen. Aber ich darf jetzt nicht denken. Ich muss mich konzentrieren, um nicht zum Gespött der Schule zu werden.

Auf einmal merke ich, wie sich meine Füße, wie von selbst, im Takt der Musik, bewegen und ich mich völlig entspanne. Endlich gebe ich dem Verlangen nach und ziehe die Brünette noch dichter an mich heran. Unsere Oberkörper berühren sich und zum jetzigen Zeitpunkt hätte nicht einmal mehr ein Blatt Papier zwischen uns gepasst. Alles um uns herum blende ich völlig aus. Ich habe nur noch Augen für das elfengleiche Mädchen in meinen Armen. Warte, was? 'Nicht nachdenken!', flüstert mir eine leise Stimme unterbewusst zu und ich gehorche ihr blind. 

"Draco-" Es ist nur ein Hauch an meinem Ohr, aber ich verstehe es. Ihre Augen sind fest verschlossen. Wahrscheinlich weiß sie nicht einmal selbst, dass sie mich gerade beim Vornamen genannt hat, doch in mir löst es etwas völlig Neues aus, das ich nicht betiteln kann, egal wie sehr ich mich anstrenge. "Hmh?" Ja, ich gebe zu, meine Antwort ist karg, aber ich weiß noch nicht einmal selbst, was gerade in mir vorgeht. "Das ist so falsch!" "Warum fühlt es sich dann so richtig an?", entgegne ich ihr, ohne nachzudenken. Was bei Merlins rosa bauschiger Unterhose, rede ich denn da? Granger stemmt sich etwas von meiner Brust weg, um mir besser ins Gesicht zu sehen. "Was meinst du damit?" "Genau das, was ich gesagt habe. Du solltest es doch wissen, du Streberin." Es ist keinesfalls abwertend gemeint, nein, diesmal nicht. 

"Ach, und bevor ich es vergesse-", flüstere ich ganz nah an ihrem Hals und drücke sie somit wieder enger an mich, "Dankeschön, ich weiß, dass ich ein guter Flieger bin." Mit einem selbstgefälligen Grinsen sehe ich ihr ins Gesicht, aus dem die Farbe weicht, bis ihre Haut aussieht, als wäre sie aus Porzellan. Doch die Gryffindor hat nicht einmal die Chance zu antworten, denn jetzt bemerken wir beide, dass die Musik verstummt ist und auch sonst niemand einen Laut von sich gibt. 

Ich schaue auf und nun ist es an mir zu erblassen. Vor mir steht meine Verlobte und sieht mich mit einem Blick an, der deutlich sagt 'Was geht hier vor sich? Ich will sofort eine Erklärung, oder Gnade dir Gott!' Binnen Sekunden schüttele ich Granger ab, an die sich nun meine Freundin wendet. "Hör mal du Bücherwurm, was ziehst du hier bitte für eine Nummer ab?! Da kommt mir einmal was dazwischen und dann muss ich sehen, wie du dich an meinen Verlobten ranschmeißt?! Geh doch in deine verdammte Bibliothek, wo du hingehörst und wage es nie wieder, meinen Freund anzufassen! Ich denke deine Erfahrungen mit Bubotublereiter dürftest du ja noch schmerzlich in Erinnerung haben, nehme ich an, nicht wahr?" Die letzten Worte spricht sie so leise, dass nur die kleine Frau, vor Tori, und ich es hören können. Die Schaulustigen haben inzwischen selbst begonnen zu tuscheln, wodurch nun nur noch die Hälfte der Aufmerksamkeit auf uns liegt.

Tränen steigen in Grangers Augen auf und sie stürmt, ohne einen Blick nach links oder rechts zu werfen, aus dem Klassenzimmer. Ich bleibe geschockt, wie angewurzelt, stehen und starre Astoria Greengrass in die Augen, ohne zu wissen, was mir jetzt bevorsteht.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt