Eine Rede als Kampfauslöser

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Dracos Sicht

Mein Magen knurrt laut und Blaise wirft mir einen belustigten Blick zu. "Was ist?! Ich sterbe fast vor Hunger! Die Krankeflügelkost kann man ja keinem anbieten." Zu meiner Rettung füllen sich soeben die goldenen Teller und Platten auf unserem Tisch. Vor einer halben Stunde wurde ich aus dem Hospital entlassen und Tori und Blaise waren so gütig mich abzuholen. In dieser Zeit hat mein Bauch ununterbrochen Geräusche von sich gegeben, die ich selbst einem Bären teilweise kaum zugetraut hätte. Gott sei Dank haben sich meine zwei Freunde recht schnell dazu breitschlagen lassen, mal etwas früher zum Abendessen zu gehen. Nun, mit diesen ganzen Leckereien vor mir, läuft mir das Wasser im Mund zusammen und ich kann mich nur schwer zurückhalten, nicht einfach Berge voll Essen auf meinen Teller zu laden und ausnahmsweise einmal meine Manieren bei Seite zu legen. Aber nein, dafür ist mein Stolz zu groß. Gehen würde es, das sieht man ja an diesem Weasley, dessen Mund so voll ist, dass die Hälfte wieder vor ihm, auf dem Tisch, landet. Einfach nur abstoßend. 

Mit kalter Zurückhaltung, genau so, wie es sich für einen reinblütigen Slytherin ziemt, lege ich wie gewohnt die weiße Serviette auf meinen Schoß und beginne, mir meinen Teller halb voll zu laden. Ja, zu irgendwas müssen die Knigge Kurse aus meiner Kindheit ja gut sein, oder nicht?

Nach mehreren Nachschlagportionen und schließlich auch noch dem besten Nachtisch der Welt, Pudding, erhebt sich die Schulleiterin von ihrem Stuhl und schlägt mit einem Teelöffel ein- zweimal gegen ihren goldenen Trinkkelch. Sofort erstirbt das muntere Getuschel in der ganzen Halle und alle Köpfe wenden sich der 'Gonagall zu, die nun, mit feierlicher Miene, ihren Blick durch die Reihen schweifen lässt. Als sie sicher ist, dass die ungeteilte Aufmerksamkeit aller bei ihr liegt, beginnt sie zu sprechen. 

"Liebe Schülerinnen und Schüler, da nächsten Samstag das Halloween- Fest ansteht, habe ich mir mit meinen werten Kollegen etwas ganz Besonderes überlegt." Die alte Dame lächelt, gespannt auf unsere Reaktionen, in die Runde. "Nun ja, wie sicherlich Einigen von Ihnen bekannt ist, haben die Muggel an diesem Tag die Tradition sich zu verkleiden. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an unsere Muggelkundelehrerin. Ich habe jedenfalls beschlossen, dieses Ritual zu übernehmen, jedoch auf eine stilvollere Ebene zu heben." Sie setzt zu einer kleinen Kunstpause an, um die Spannung zu steigern, was ihr auch ganz gut gelingt. Spätestens jetzt hängt jeder Hogwartsschüler der Professorin gebannt an den Lippen. Majestätisch hebt die Frau ihre Arme und verkündet: "Hiermit lade ich alle Schüler ab der vierten Klasse zu unserem Maskenball am Abend des 31. Oktobers ein. Für die Siebtklässler, die die Ehre haben, den Ball zu eröffnen, beginnen morgen Nachmittag die Tanzstunden. Alle weiteren Informationen finden sie am schwarzen Brett in ihren jeweiligen Gemeinschaftsräumen. Für alle jüngeren Schüler-", sie spricht nun zu vielen, enttäuscht und wütend dreinschauenden Erst,- Zweit- und Drittklässlern, "findet eine separate, etwas kleinere Party unten in den Kerkern statt. Sir Nicholas war so freundlich, Sie alle zu seiner 506. Todestagsfeier einzuladen und ich bin mir sicher, Sie werden sich prächtig amüsieren. Unter anderem wird auch die 'Jagd der Kopflosen' anwesend sein. Ich möchte Sie dennoch darauf hinweisen, dass es ratsam wäre, Sie würden Ihre Wintermäntel anziehen. Selbstverständlich sorgen wir auch dafür, dass Sie etwas Essbares finden." 

Der fast kopflose Nick, am Gryffindortisch, nickt heftig, woraufhin sein Kopf auf seine Schulter kippt und nur, an ein paar Sehnen und Hautfetzen hängend, schief durch die Halle stiert. Mit einem Zwinkern und einigen letzten Worten beendet die Verwandlungslehrerin ihre Rede. "So, jetzt haben Sie eine Nacht Zeit, das Alles zu verdauen. Ich hoffe, der Gedanke findet bei allen Anklang und es ist jeder mit der Idee zufrieden. Nun entlasse ich Sie, denn Ihre warmen Betten warten schon auf Sie!"

Plötzlich erwachen überall in der Halle zischelnde Geflüsterfeuer, die sich in ein ohrenbetäubendes Brausen verwandeln. Nirgendswo sehe ich auch nur einen Schüler, der nicht angeregt in ein Gespräch mit seinen Freunden vertieft ist. Allmählich leert sich die Halle, doch der Lautstärkepegel will einfach nicht abnehmen. Astoria, Blaise und ich steigen über die Bank und schließen uns der Traube an, die zu den Flügeltüren der großen Halle hinausquillt.

Mein bester Freund stößt mir seinen Ellbogen in die Rippen. "Hey, was hältst du von dem Ball?" Gute Frage, was halte ich von dem Ball? Für eine Millisekunde schießt mir ein Bild von einer jungen Frau mit braunen, gelockten Haaren, einem langen, ausladenden Kleid und einer filigranen Maske in den Kopf. Schnell verdränge ich es wieder, schüttele vorsichtshalber noch einmal mein Haupt und antworte dann auf die Frage meines Freundes: "Ähm, also ich weiß nicht... Vor den Tanzstunden, zu denen mich meine Eltern schicken wollten, habe ich mich immer gedrückt. Und auch die paar Stunden in der Vierten, haben nicht wirklich etwas gebracht. Meine Partnerin tut mir jetzt schon leid." 

"Ach Liebling, ich helfe dir und dieses Jahr sind ja auch wieder Tanzstunden angesetzt." Natürlich, Astoria. Für sie ist es anscheinend schon beschlossene Sache, dass wir zusammen zum Ball gehen. An sich ist das ja auch irgendwie selbstverständlich. Sie ist schließlich meine Freundin, aber trotzdem versetzt mir der Gedanke an eine andere Brünette, mit irgendeinem muskelbepackten Typen, einen Stich. Dennoch nuschele ich ein 'Danke' in Toris Richtung und sie gibt sich lächelnd mit meiner Antwort zufrieden. Zu dritt gehen wir in Richtung der Kerker, aber ich achte nicht auf den Weg. Es kommt mir alles so unreal vor. Vor einer unscheinbaren Wand bleiben wir stehen und auf das Passwort 'Parselzunge' hin, teilt sie sich und gewährt uns Eintritt in die grünlich schimmernden Gemächer. 

Hastig verabschiede ich mich von meinen Freunden und gehe in Richtung Schlafsaal davon. Ich spüre den verwunderten, und gleichzeitig vorwurfsvollen, Blick meiner Verlobten im Nacken, weil ich sie zum Abschied nicht wie sonst geküsst habe. Doch das Einzige, was ich jetzt brauche, ist eine kalte Dusche um meine Gefühle wieder zu ordnen. Mein Kopf wummert schon wieder schmerzhaft und auf einmal wird mir alles zu viel. Mein Körper zittert und ich breche auf den kalten Badfließen zusammen. Diesen Kampf muss ich mit mir selbst ausfechten. Einen Gefühlskampf voller quälender Entscheidungen.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt