Bitte kein Besuch

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Astorias Sicht

"Um Himmels Willen, geht es ihm gut?" Was für eine dumme Frage, wenn man aus einer Höhe von fünf Metern vom Besen fällt, weil man von einem heranrasenden Klatscher getroffen wird, geht es einem natürlich alles andere als gut. Was geht denn in meinem Kopf vor, dass ich so eine hirnrissige Frage stelle. Ich bin verwirrt, aber hallo?! Ich darf das, immerhin liegt mein Verlobter schwer verletzt im Krankenflügel! Genau diesen habe ich vor einer Minute, die Flügeltüren links und rechts an die Wand knallend, betreten und eine empörte Mme Pomfrey mit meiner Frage gelöchert. 

"Mädchen, jetzt reißen Sie sich zusammen, ich verstehe ja, dass Sie aufgebracht sind, weil ihr Freund verletzt ist, aber das ist ein Krankenflügel und ich kann Sie beruhigen, mir ist kaum einmal etwas unter die Nase gekommen, was ich mit ein paar Zaubern, Tränken und Salben nicht wieder in den Griff bekommen habe." "Er ist nicht mein Freund, sondern mein Verlobter!", stelle ich mit forscher Stimme klar, ohne auf den Rest ihrer Worte einzugehen. Die Heilerin schaut mich perplex an, geht dann aber, etwas von 'Heirat' und 'viel zu früh' murmelnd, in ein kleines Zimmer am Ende des Raumes.

Nach wenigen Augenblicken kommt sie mit einem weichen Waschlappen, einer Schale Wasser und einem kleinen, unscheinbaren Fläschchen, gefüllt mit einer hellen Flüssigkeit, wieder. Die silberlockige Dame stellt die Schüssel zusammen mit dem Lappen auf Dracos Nachttisch ab. Gerade nestelt sie am Verschluss des Gefäßes herum, als ich es ihr aus der Hand nehme und in kühlem Ton sage: "Das übernehme ich!". 

Ich weiß was das für ein Zeug ist und wofür man es braucht. Schon als ich klein war, hat mir meine Mutter immer Diptam auf meine Wunden geträufelt, woraufhin sie sich binnen Sekunden wieder geschlossen haben. Kaum zu glauben, aber als Kind war ich ein richtiger Raufbold, wofür ich oft genug getadelt wurde. Jetzt befeuchte ich den Waschlappen mit Wasser und befreie vorsichtig die Wunden meines Verlobten von den Überresten des Quidditchfeldes. Der Boden war heute aber auch ziemlich hart, kein Wunder, dass er so übel zugerichtet ist. Dann lasse ich etwas Essenz auf Dracos Wange, Schulter und Knie tropfen. Von den besagten Stellen steigt grünlicher Dampf auf und einen Wimpernschlag später, spannt sich schon neue Haut darüber. Die Verletzungen sehen nun eher so aus, als wären sie ein- zwei Tage alt. Daraufhin schiebt mich Mme Pomfrey sacht zur Seite, nimmt mir den Diptam weg und hebt den Zauberstab. "Episkey" Dracos Arm, der bis gerade eben noch in einem merkwürdigen Winkel abstand, gibt ein übelkeitserregendes Knacken von sich, nimmt aber sofort wieder normale Formen an.

Ich setze mich auf den kalten Plastikstuhl, neben seinem Krankenlager, und schließe seine Hand in meine Kleine ein. Nach einer Viertelstunde beginnt sich der Blondschopf zu regen und öffnet langsam seine Augen. Ich lächele. Er sieht so süß aus, wie er blinzelnd versucht, sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Seine Haare schauen an vereinzelten Stellen strähnenweise unter seinem weißen Kopfverband hervor und ich kann nicht anders, als sie ihm liebevoll zur Seite zu streichen. 

"Hey", krächzt er mit belegter Stimme. "Hi, wie geht's dir Schatz?" "Mir tut alles weh!" Da ist er wieder. Mein Draco. Ein typischer Mann, wenn sie ein Gebrechen haben, sind sie kurz davor zu sterben und sei es ein kleiner Schnupfen. Doch das nehme ich ihm nicht übel. Ich weiß ja schließlich, wie er ist. "Das sah echt übel aus, dein Sturz meine ich. Wie konnte dieser Dummkopf dich nur, wohl gemerkt nach Spielende, angreifen?! So ein schlechter Verlierer. Aber hey Liebling, du hast gewonnen. Wir haben gewonnen!" Ich beuge mich zu meinem Geliebten hinunter und gebe ihm einen leidenschaftlichen Kuss, den er jedoch nur halbherzig erwidert. Naja, liegt wahrscheinlich an seinem miserablen Zustand, oder? Also richte ich mich wieder auf und tue so, als wäre nichts geschehen. 

"Tori, nimm es mir bitte nicht übel, aber mir geht es echt nicht so prächtig. Wäre es ok für dich, wenn ich mich etwas ausruhe?" Ich kann einen kleinen Schmollmund nicht unterdrücken, versuche jedoch sofort, meine Contenance zurück zu erlangen und setze ein Pokerface auf. Mit einer etwas weicheren Miene, wende ich mich wieder an Draco: "Aber natürlich Schatz, werde schnell wieder gesund. Ich komme dich morgen noch einmal besuchen, okay?" "Ja, danke dir.", erwidert er mit, immer noch, leicht angeschlagener Stimme. Nach einem flüchtigen Kuss auf seine Wange mache ich mich, etwas geknickt, auf den Weg, zurück in meinen Gemeinschaftsraum.

Dracos Sicht

Es tut mir schon etwas leid, Tori einfach so abgewimmelt zu haben, aber mir ist gerade nicht nach Gesellschaft zumute. Mit pochendem Kopf drücke ich mich tiefer in das aufgebauschte Federkissen und betaste mit meinen dünnen Fingern den straffen Verband. Als Mme Pomfrey sieht, dass mein Besuch gegangen ist, kommt sie mit einem Trank zu mir herüber gewuselt. "Wie geht es Ihnen Mr Malfoy?", und ohne eine Antwort abzuwarten, fährt sie fort: "Schädelbruch. Ich sag es ja immer wieder, dieser Quidditchsport ist einfach nicht gut für die Gesundheit, aber auf mich hört ja eh keiner." Schwungvoll gießt sie etwas von dem dampfenden Trank in einen Becher und drückt ihn mir mit den Worten, "Ich habe Ihnen zwar vorhin schon einen Trank gegen innere Verletzungen gegeben, aber- hier, gegen die Kopfschmerzen.", in die Hand. Die Flüssigkeit brennt in meinem Rachen, ähnlich wie Feuerwhiskey, aber ich nehme es gelassen hin. Dann kuschele ich mich fester in meine weiße Daunendecke und spüre wie der Schmerz langsam nachlässt. Kurze Zeit später falle ich in einen ruhigen Tiefschlaf.

Die Matratze neben mir senkt sich eine Handbreit und weiche warme Finger, die sich mit Meinen verschränken, wecken mich. Meine Augen lasse ich jedoch geschlossen. Ich spüre, wie sich ein wohliges Kribbeln in meinem Bauch ausbreitet und sofort weiß ich, dass das Mädchen, so viel kann ich mit geschlossenen Lidern erkennen, nicht Tori ist. Dennoch habe ich da so eine gewisse Vorahnung, wer da ganz nah bei mir sitzt und leise vor sich hin schluchzt. Zu meinem größten Erstaunen merke ich, dass ich plötzlich nichts mehr gegen Besuch einzuwenden habe.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt