Der Neue

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Hermines Sicht

Dieses Gefühl in meinem Bauch nimmt, statt langsam abzuebben, von Minute zu Minute, zu. Tausend Schmetterlinge scheinen sich in meinem Magen breit zu machen und ich kann mich kaum auf das Buch konzentrieren, dass Draco mir, nach kurzem Zögern, ausgeliehen hat. 

Seit drei Stunden hocken wir nun zusammen in diesem Abteil, aber bis auf ein paar Küsse und Zärtlichkeiten ist nichts weiter geschehen. Er hat sich neben mich gesetzt und ich lehne nun schräg an seinem muskulösen Oberkörper. Meine Beine fühlen sich an, wie Wackelpudding und ich bin froh, dass ich sitze, denn wenn nicht, hätte ich schon längst Bekanntschaft mit dem Boden gemacht. 

Auch meine Gedanken sind ein einziges Wirrwarr und wenn ich nicht bald frische Luft bekomme, falle ich noch in Ohnmacht. Diese, immer stärker werdenden, Emotionen treiben mich gefährlich an den unbekannten Rand der Klippe und ich bin mir nicht einmal sicher, ob der Slytherin, neben mir, weiß, was er in mir auslöst. 

Etwas schüchtern drehe ich meinen Kopf in seine Richtung, um ihn anzuschauen, aber der Versuch, das ganze so unauffällig, wie möglich zu gestalten, misslingt und so wende ich mich hastig ab, bevor er einen Blick auf meine, stark geröteten, Wangen werfen kann. Ich zucke leicht zusammen, als ich seine kühlen Finger unter meinem Kinn spüre, dass er mit sanfter Gewalt in seine Richtung drückt, um erneut Blickkontakt herzustellen. Seine Augen haften sich durchdringend an meine, und selbst, wenn Draco mich nicht festhalten würde, könnte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden. 

"Worüber denkst du nach?", raunt er mit tiefer Stimme ganz dicht an meinem Ohr. "Ü- über nichts, gar nichts." "Und warum bist du dann so nervös?" Verdammter Körper, auf den ist auch nie Verlass! Natürlich muss es Draco auffallen. Mein Stottern ist einfach nur erbärmlich und allein deswegen treibt es mir schon wieder die Röte ins Gesicht. Es ist zum Verrücktwerden. Kann man das nicht abstellen?! 

"Ich bin doch gar nicht nervös!", füge ich trotzig, aber etwas gefasster hinzu, woraufhin eines von Malfoys seltenen, ehrlichen Lächeln seine Lippen erobert. "Ich glaube zu wissen, was dich bedrückt. Es ist die Ungewissheit, nicht wahr? Du weißt nicht, was die Zukunft bereit hält und, wie ich dich einschätze, bist du jemand, der die Fäden lieber selbst in die Hand nimmt. Habe ich Recht?" 

Verdutzt muss ich feststellen, dass meine Kinnlade nach unten klappt, was ziemlich dumm aussehen muss, da der Blondschopf in leises Lachen ausbricht, sich, auf einen Schulterhieb meinerseits, jedoch sofort wieder beruhigt. Seit wann ist Draco so einfühlsam und- poetisch, ist das das richtige Wort dafür?? 

"Ähm...", ist das Einzige, was ich zustande bekomme. 'Na prima Hermine, mach dich nur noch lächerlicher!', denke ich mir, während meine innere Stimme nur so vor Sarkasmus trieft. Mit etwas Mühe und Anstrengung, schaffe ich es letztendlich, zum Glück, doch noch, einen, einigermaßen sinnvollen, Satz zu bilden. 

"Ich denke, du könntest Recht haben, aber wenn du ehrlich zu dir selbst bist, weißt du auch nicht mehr als ich, stimmt's?" "Nein, leider nicht, aber ich werde mich, wie sagt man so schön, einfach überraschen lassen?" 

Seine Aussage klingt eher wie eine Frage, aber vermutlich erwartet er keine Antwort von mir, da er gedankenversunken aus dem Fenster schaut und dabei, wahrscheinlich eher unterbewusst, als bewusst, kleine Kreise auf meinen Oberschenkel malt.

Die Sonne ist längst untergegangen, was vermutlich vorwiegend der Jahreszeit geschuldet ist, und schon bald erreichen wir den Bahnhof in Hogsmeade. Draco ist vor einer halben Stunde eingeschlafen und seine Hand liegt seitdem schlapp auf meinem Bein, von wo aus immer wieder, kleine elektrische Ströme durch meinen ganzen Körper geschickt werden. Wenn er wüsste, was er mit mir macht, aber ich werde nicht so dumm sein, und ihm das auch noch auf die Nase binden. Wenn man mich fragt, ist sein Ego bereits jetzt schon ausreichend bestückt und ich verspüre nicht den geringsten Drang, dem Eisberg auch noch die Spitze aufzusetzen. 

Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt