Feinde und doch so viel mehr

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Dracos Sicht

"Granger, die 'Gonagall redet mit dir!" sage ich, an die Brünette neben mir gerichtet, und wedele mit meiner Hand vor ihrem Gesicht herum. "Prof. McGonagall, wenn ich bitten darf Mister Malfoy!", wendet sich die alte Hexe nun mit strengem Blick an mich, wobei sie jeweils die ersten und letzten beiden Worte betont. Zur Antwort nicke ich nur knapp. Meine Geste in Richtung Granger hat jedoch nicht ihre gewünschte Wirkung verfehlt, da sie inzwischen auch wieder aus ihrer Schockstarre erwacht ist und nun, mit hochrotem Kopf, neben mir sitzt. Sie wagt es nicht einmal, mir auch nur einen Blick zuzuwerfen und ich muss unwillkürlich über diese Tatsache schmunzeln. Der kleinen, prüden Streberin ist es doch tatsächlich peinlich, dass sie ihrer Hauslehrerin nicht zugehört hat. Diese hat uns soeben verkündet, dass wir von nun an jeden Tag für die abendliche Patrouille verantwortlich sind. Kaum zu fassen! Statt mit meinen Freunden die Zeit im gemütlichen Gemeinschaftsraum zu verbringen, muss ich mit der 'Oberschlau- Granger' durchs Schloss wandern und umherstreifende Nervensägen zurück in ihre Betten schicken. Ich kann mir auf jeden Fall Besseres vorstellen und vermutlich war diese Ankündigung auch der Grund für den Schock meiner 'Partnerin'. Uäähhh! Bei dem Gedanken an diese Gryffindor, als meine, ja genau, meine Partnerin wird mir ganz flau im Magen. Doch wenn ich diesen Posten behalten will, muss ich da wohl oder übel durch. 

Auf die Frage, ob Granger sie verstanden habe, nickt diese ihrer Lehrerin nur pflichtbewusst zu. "Gut, dann dürfen Sie zwei jetzt mit ihrer Arbeit beginnen!". Mit diesen Worten hebt die Professorin die kleine Runde auf und entlässt uns. Wenn ich vorhin dachte, dieses Treffen würde der unangenehmste Teil dieses Abends werden, habe ich mich ganz offensichtlich getäuscht. Das Schlimmste liegt noch vor mir, die Nachtwache mit der Streberin.

Ich schaue hoch, direkt in ihre großen, von langen, gebogenen Wimpern umrandeten, Augen. Sie haben einen besonderen Glanz und um ihre Pupille verteilt, sammeln sich kleine, goldene Sprenkel an. Es sieht aus wie ein gold- brauner Sternenhimmel. Noch nie sind mir ihre Augen aufgefallen, doch nun, da ich der Granger so nah bin, verliere ich mich in ihnen. Sie sind ganz anders als Astorias grüne Augen, so warm und gutmütig. Moment mal, was tue ich da eigentlich?! Meine größte Feindin steht vor mir und ich philosophiere im Geheimen über ihre Augen. Ihre schönen Augen. 'Nein, stopp Draco, es ist die Granger, die du hier anstarrst und ja, ihre Augen sind schön, aber das war's dann auch schon wieder!' Um meinen Gedanken Nachdruck zu verleihen, schüttele ich kurz meinen Kopf und trete einen Schritt zurück. Somit bringe ich Abstand zwischen uns, aber mir ist immer noch mulmig zumute. Hastig lockere ich meine Krawatte und fummele an meinem obersten Hemdsknopf herum, bis dieser offen ist, um mir etwas mehr Luft zu verschaffen. 

Zu meiner Überraschung ergreift nun mein Gegenüber das Wort: "Malfoy, was soll das hier? Warst du nicht der Meinung, wir sollten uns wie zwei Erwachsene verhalten?" Mist, denke ich bei mir, ihr ist meine Nervosität aufgefallen. Na gut, offensichtlich auch keine Kunst. Jetzt muss ich aber auch etwas sagen, sonst würde es noch peinlicher werden. 

"Hör mal, ich bin eigentlich ganz und gar nicht daran interessiert, jeden verdammten Abend mit dir zu verbringen, okay?! Ich habe noch wichtigere Dinge, mit denen ich mich befassen muss, auch wenn das hier meine Pflichten als Schulsprecher sind. Aber ich habe zum Beispiel auch eine Freundin und die will ich nicht vernachlässigen, schon gar nicht wegen sowas. Schon gar nicht wegen dir!", füge ich schnell hinzu. "Verstanden Granger?" Verdammt, ist das mein Ernst? Ich wollte mich aufgeschlossen verhalten und nicht bei jedem kleinen Angriff, meine jahrelang genutzte Schutzmauer neu errichten. Stattdessen tue ich genau das, was nicht sein darf. Jede Chance in den Wind schlagen und somit zulassen, dass selbst der kleinste Lichtschimmer wieder von der Dunkelheit der Vergangenheit verschluckt wird. Erbärmlich. 

Diese Meinung wird anscheinend auch von der Schulsprecherin geteilt, die mich nun ihrerseits wütend anfunkelt. "Verstanden Malfoy", sagt sie und versucht so viel Abscheu wie möglich in meinen Namen zu legen. "Und übrigens, ich weiß, dass du eine Freundin hast, es war ja nicht zu übersehen.", keift sich mich an. Mo- Moment, bilde ich mir das gerade nur ein, oder schwang da eben tatsächlich ein Funke Eifersucht in ihren Worten mit? 'Ja klar Malfoy, Einbildung ist auch eine Bildung!' Trotzdem trete ich nun ganz nah an das Mädchen heran und beuge mich, schelmisch lächelnd, zu ihr herunter.

Hermines Sicht

"Rittermahl" rufe ich der fetten Dame schon auf der Hälfte des Ganges entgegen. Das Portrait schwingt zur Seite und ich stolpere aufgeregt durch den Eingang, wobei ich mich gerade noch retten kann, bevor ich doch noch Bekanntschaft mit dem Boden mache. Ich kann es nicht fassen, das darf einfach nicht wahr sein! Malfoy ist so- er ist so ein... Doch ich kann meinen Gedankengang nicht beenden. Als ich mich im Gemeinschaftsraum umsehe, entdecke ich meine drei besten Freunde auf unseren Stammplätzen vor dem Kamin. Harry starrt gebannt ins Feuer und Ginny, die auf der Armlehne von Harrys Sessel sitzt, fährt ihm liebevoll durch die Haare. Ron ist ganz rot im Gesicht. Als ich näher komme, erkenne ich ein Quidditch- Magazin auf seinem Schoß. "Das ist doch nicht möglich! Eintracht Pfützensee hat die Chudley Cannons am Samstag einfach plattgemacht. Sie sind jetzt Tabellenerste.", sagt Ron mit empörtem Unterton. "Wood wird sich sicher riesig freuen", entgegnet Harry. 

Natürlich, denke ich mir, worüber sollten sie auch sonst reden, es ist ja nicht so, dass die Beiden gefühlt über nichts Anderes sprechen. Nein, immer nur Quidditch. Jungs. Andernfalls habe ich mir auch schon oft überlegt, ob das für die beiden nicht doch eine Art Therapie ist, die Kriegsnachwehen zu verarbeiten. Immerhin ging die Schlacht auch an ihnen nicht spurlos vorbei. Da können sie sich noch so betont gelassen geben. Ich kenne meine zwei besten Freunde gut genug um zu wissen, dass sie diese Schutzwalle nur errichten um nach außen stark zu wirken und nach innen ihre zerbrechliche Seele, die durchzogen ist von schwarzen Fasern, Überbleibsel der Vergangenheit, zu behüten und rein zu waschen. 

Ich seufze, bevor ich mich ihnen Schritt für Schritt nähere. "Hey", sage ich, bemüht, mir nichts anmerken zu lassen. Ich habe beschlossen, Harry, Ron und Ginny erstmal nichts von der Sache mit Malfoy zu erzählen. Die würden sich nur wieder aufregen. Die Anderen sehen mich interessiert an. "Was wollte McGonagall von dir und dem Frettchen?", fragt mich nun Ron. War klar, so einfach würde ich ihnen nicht davon kommen. "Ach, nichts Besonderes. Sie hat uns nur über die Nachtwache und noch ein paar andere Pflichten aufgeklärt.", antworte ich wahrheitsgemäß und beschließe, es bei dieser Aussage zu belassen. Die Anderen nicken und haken zum Glück nicht weiter nach. Der Rest des Abends verläuft ruhig und wir reden viel. Darunter vergesse ich fast diesen einen Slytherin. Aber auch nur fast. Als ich dann später in meinem Bett liege, grübele ich immer noch über unsere erste Wache nach. Meine Gedanken lassen mir einfach keine Ruhe. Eins steht fest, das würde eine sehr kurze Nacht werden.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt