Überall rosarote Brillen

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Dracos Sicht

Unter dem Tisch umschlingt eine kleine, warme Hand meine eigene. Ich sehe nach links, in ein Paar wunderschöner, grüner Augen. Neben mir sitzt meine Freundin Astoria Greengrass. Sie ist mir früher nie aufgefallen, bis ihre und meine Eltern vor einem halben Jahr beschlossen, uns einander zu versprechen. Unter reinblütigen Familien ist es ein Brauch, seine Kinder untereinander zu verheiraten, um das wahre Blut und somit die Ehre und Unantastbarkeit der altehrwürdigen Familien zu wahren. Anfangs war ich alles andere als begeistert. Ich hielt nichts von arrangierten Ehen und ich tue es auch jetzt nicht, aber mit Tori ist es etwas Anderes. Wir wurden in dieser kurzen Zeit gezwungen, viel Zeit miteinander zu verbringen, um uns besser kennen zu lernen. Irgendwann ist bei uns beiden dann der Gefühlsfunke übergesprungen und wir haben uns ineinander verliebt. Nun ist es weniger eine arrangierte Ehe, als eine liebevolle Beziehung. Ja, wer hätte es gedacht, der eiskalte Slytherin Draco Malfoy kann tatsächlich Gefühle für ein Mädchen aufbringen! Welch Ironie, denke ich mir im Stillen, wo doch alle immer sagen, dass ich der Eisprinz persönlich bin. Bei diesem Gedanken kann ich nicht anders, als stumm in mich hinein zu schmunzeln. Ich genieße Astorias Gegenwart jede freie Minute lang und inzwischen ist sie nicht nur meine feste Freundin und bald auch meine Frau, sondern auch meine Seelenverwandte.

"Schatz, du siehst nachdenklich aus. Ist alles ok bei dir?" Sie streicht mir mit ihrer anderen Hand behutsam über meine Wange. "Ja Tori, alles gut.", beschwichtige ich sie und gebe ihr nachdrücklich noch einen sanften Kuss. In der Tat bin ich, seit wir in der großen Halle sitzen, sehr nachdenklich. Immer wieder wandern meine Gedanken zum Treffen mit Granger und den Vertrauensschülern. Ich genieße es, einfach akzeptiert zu werden. Es war nicht leicht, nach all dem, was passiert ist, die, inzwischen dunkelgraue, Weste der Malfoys wieder etwas rein zu waschen, aber in den Vertrauensschülern habe ich meine ersten Verbündeten gefunden, oder zumindest Menschen, die meine Gründe zwar nicht verstehen, aber einigermaßen nachvollziehen können. Sie glaubten mir nach kurzem Misstrauen, dass ich nie zu Voldemorts Anhängern gehören wollte und es mir von ganzem Herzen leid tut. Und das stimmt tatsächlich. Dennoch weiß ich, dass es nicht einfach werden wird, auch noch das Vertrauen aller Anderen zu erlangen. Der Beweis dafür ist meine Ankunft in der großen Halle. Sämtliche Schüler haben sich zu mir umgewandt und begonnen mit ihren Sitznachbarn zu tuscheln. Es war ein unbehagliches Gefühl und Gott sei Dank fand kurz darauf die Häuserauswahl, die Begrüßungsrede und die Vorstellung der neuen Muggelkunde-Lehrerin und des neuen Lehrers für Verteidigung gegen die dunklen Künste statt. Währenddessen zogen die Erstklässler und besagte Lehrer zum Glück genügend Aufmerksamkeit auf sich, sodass sich die erhitzten Gemüter in Ruhe abkühlen konnten.

Inzwischen lasse ich meinen Blick ziellos durch die Halle schweifen und verschlucke mich fast an meinem Kürbissaft, den ich gerade angesetzt habe, zu trinken. Während des Essens habe ich einfach nicht gemerkt, dass mich ein Mädchen mit braunen Locken die ganze Zeit heimlich beobachtete. Ich schaue sie verdutzt an, woraufhin sie errötet und ihre volle Aufmerksamkeit wieder ihrem beladenen Teller widmet. Was will die Granger von mir?! Sie hat mich ja gerade so angestarrt, als wäre ich ein schlabbriger Summlinger oder etwas in der Art. Vertraut sie mir immer noch nicht und beobachtet mich, um sofort handeln zu können, falls ich etwas planen würde? Habe ich mich im Zug, auf der Hinfahrt, etwa nicht deutlich genug ausgedrückt? Granger wirft mir noch einen letzten, schnellen Blick zu, dreht sich dann jedoch endgültig von mir weg. Auch ich beginne wieder zu essen und denke nicht mehr über diese nervige Gryffindor nach. Soll sie doch glotzen. Mir ist es egal, wenn sie nichts Besseres zu tun hat, meinetwegen. Was kümmert mich denn auch eine Muggelgeborene? Richtig, rein gar nichts.

"Hey Kumpel, hast du mitbekommen, wie dich die Granger angestarrt hat? Die will hundertprozentig was von dir!" Nun drehe ich mich nach rechts. Dort sitzt Blaise Zabini und grinst mich schelmisch an. "Nein Blaise, sicherlich nicht und jetzt halt die Klappe. Ich will in Ruhe essen!", keife ich ihn an, kann mir ein Schmunzeln jedoch nicht verkneifen. Dem Junge entgeht aber auch gar nichts. "Na hör mal, du willst mir doch nicht weismachen, dass dir die ganzen Blicke nicht aufgefallen sind. Granger ist nicht die Einzige, die dich begafft hat. Da waren vielleicht auch ein paar zweifelnde Blicke dabei, als du vorhin reinkamst, aber vielen Mädchen lief förmlich der Sabber aus den Mundwinkeln, als sie dich erblickten. Denen ist es anscheinend doch nicht so wichtig, dass du ein Todesser warst. Wen wundert's auch. Du hast dich gemacht, Bro.", lässt er nicht locker und zwinkert mir stattdessen nur verschmitzt zu. Ich lache kurz auf, sehe mich dann aber noch einmal um. Tatsächlich, da sind nicht nur Slytherins, sondern auch einige Hufflepuffs, Ravenclaws und sogar ein paar Gryffindors, die verträumt an meinen Lippen hängen und ihr Essen völlig vernachlässigen. Mädchen sind doch ein Mysterium!

Als ich mich nach dem Abendessen, mit Blaise und Astoria in die Kerker, zu unserem Gemeinschaftsraum, verziehen will, schallt eine forsche Stimme zu mir herüber. "Mr Malfoy, wären sie wohl so freundlich und würden Ms Granger und mich auf ein Wort begleiten?" Ich wirbele herum. Da stehen die Streberin und eine Frau, mit der wohl nicht gut Kirschen essen ist. Sie schaut mich durch ihre quadratischen Brillengläser hindruch streng an und weißt mich an, ihr zu folgen. Das kann ja spaßig werden.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt