Auf dem Weg zur Besserung

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Dracos Sicht

Wie gerädert laufe ich den blendend weißen Hospitalflur entlang. Jetzt bin ich schon über einen Monat hier im Mungo's und darf stolz behaupten, dass ich große Fortschritte gemacht habe. Täglich begleitet mich eine junge Heilerin, die wohl gemerkt ziemlich gut aussieht, in die Räume der Geistheiler. 

Was geht bloß schon wieder in meinem Hirn vor?! Eine junge, gut aussehende Heilerin? Gut, die weiße, an manchen Stellen etwas durchscheinende Heilerkleidung ist schon ziemlich anziehend. Verdammte Triebe, aber was soll ich sagen, ich bin eben auch nur ein Mann. 

Ok, zurück zum Thema. Etwas verwirrt schüttele ich meine blonden Haare, die inzwischen um einiges gewachsen sind. Ob diese Verwirrtheit an meiner Therapie liegt? Gut möglich, schließlich ist die ganze Prozedur mehr als unangenehm. Jeden verdammten Tag muss ich mich auf einen ziemlich unbequemen Stuhl setzen und kann nichts anderes tun, als darauf zu warten, psychisch angegriffen zu werden. Und damit meine ich keineswegs Beschimpfungen. Die würden ja sowieso nicht helfen, ich meine als ehemaliger Todesser bin ich viel Schlimmeres als blöde Sprüche oder Hassparolen gewöhnt. Nein, die würden einfach nur an mir abprallen, wie eine brechende Welle am Felsen. Zumindest nun, da ich meinen Körper wieder einigermaßen reingewaschen habe.

Nein, stattdessen dringt der, dafür zuständige, Zauberer in meine Gedanken ein und zwar mittels Legilimentik. Dadurch wiederholen sich alle möglichen Schreckensszenarien in meinem Kopf, die dann dementsprechend nicht nur der Heiler sieht, sondern auch ich wieder Revue passieren lasse. Das Ganze hat einen Zweck, ich erlebe alles wieder und wieder, bis ich es in eine Schublade, mit dem Titel 'Verarbeitet' schieben kann. Nach dieser Tortur gibt es häufig etwas Gesprächsstoff, bei dem der Seelenheiler prüft, wie gut ich mit meiner Vergangenheit abschließe.

An sich ist die reichliche Stunde nichts allzu unangenehmes, zumindest bei weitem nicht so extrem, wie die Praktiken des früher Unnennbaren hautnah mitzuerleben. Klar, diese schrecklichen Erinnerungen an die Kriegszeit und die Zeit davor machen mich seelisch ganz schön fertig, aber bei weitem nicht mehr so sehr, wie am Anfang. Mittlerweile machen sie mir sogar fast gar nichts mehr aus und ich hoffe, dass ich mit dieser Therapie meinen elenden Panikattacken und Alpträumen endlich ein Ende setze. 

Das einzige Problem an der Sache ist, das ich es, dank Voldemort, gewöhnt bin, meinen Geist zu verschließen. Dementsprechend kostet es mich extrem viel Anstrengung, keine Okklumentik anzuwenden und das führt dann zu dieser Erschöpfung. Dazu kommen die Medikamente, wie zum Beispiel ein Beruhigungstrank für die Nerven. Als ob ich nicht schon kaputt genug bin. 

Das Ergebnis jener Behandlung ist nämlich ein sehr müder Draco, der am liebsten den ganzen Tag durchschlafen würde, doch verschiedene Personen, und damit meine ich nicht nur die Angestellten hier, ziehen mir da regelmäßig einen Strich durch die Rechnung.

Erst vor Kurzem war, zum meinem größten Erschrecken, Pugna bei mir, ums sich zu entschuldigen. Das hätte ich dem Kerl niemals zugetraut, aber es schien ihm aufrichtig leid zu tun, dass er mich mit diesen Dingen aus meiner Vergangenheit konfrontiert hat. Der Lehrer für Verteidigung scheint gar nicht so übel zu sein und ich glaube, das Fach könnte in Zukunft sogar ziemlich interessant werden. 

Abgesehen von diesem Besuch bekomme ich, seit einer Woche nach meiner Stationierung, tagtäglich mindestens einen Brief von der 'Gonagall. Sie schickt mir regelmäßig den versäumten Unterrichtsstoff. Es wäre ja schließlich ziemlich sinnlos, wenn ich das Jahr ein drittes Mal wiederholen müsste. Also ich meine, irgendwo habe auch ich eine Grenze. Außerdem fordert sie jedes Mal eine ausführliche Berichterstattung über meinen Gesundheitszustand. Langsam geht mir diese alte Hexe gehörig auf die Nerven. Sie benimmt sich ja schon wie meine grantige Oma. 

Leider habe ich in letzter Zeit nur sehr wenig von meiner Mutter gehört. Ich weiß zwar, dass sie sich ebenfalls einen privaten Geistheiler gesucht hat, der auf Hausbesuche spezialisiert ist und, dass sie ihre Vergangenheit anscheinend fast so gut wie ich aufarbeitet, aber dennoch wäre ich froh darüber, wieder einmal etwas von ihr zu hören.

Eine Person hat es jedoch in der ganzen, ermüdenden Zeit, immer wieder geschafft, mich aufzumuntern. Tori. Sie ist so ein liebevoller Mensch und da konnte die Schulleiterin ihr einfach nicht den Wunsch verwehren, mich zu besuchen. Jeden Samstag, so auch gestern, schleicht sie sich in mein Zimmer und kuschelt sich mit zu mir ins Bett, wenn ich mal wieder schlafe, was genau genommen immer der Fall ist, wenn ich nicht gerade esse oder Therapiestunden habe. 

Doch jedes Mal, wenn mir ihr Duft in die Nase steigt, ich habe ihr das Parfüm zum Geburtstag geschenkt und bin ganz verrückt nach diesem Geruch, wache ich auf und dann verbringen wir einige wunderschöne Stunden zusammen, ehe sie wieder zurück ins Schloss muss. Kaum zu glauben, aber diese Frau schafft es doch tatsächlich, mich jedes Mal in meinem Entschluss zu bestärken, die Therapie fortzuführen. Ohne sie wären sicherlich nicht so schnell Erfolge zu verzeichnen. Und selbst, wenn die Brünette nicht bei mir sein kann, klopft immer mal wieder eine andere Schuleule an mein Fenster und überbringt mir ein paar zärtliche und aufmunternde Worte. Wie ich diese Frau liebe!

Heute war meine vorletzte Therapiestunde, das heißt, ich muss nur noch morgen dieses ganze Prozedere über mich ergehen lassen. Am Dienstag habe ich dann noch einmal ein ausführliches Gespräch mit meinem Geistheiler und dann muss ich nur noch zwei Tage in dieser erdrückenden Anstalt verbringen. Ich glaube, wenn ich hier raus bin, brauche ich erst einmal Urlaub! Naja, es wird auch Zeit, dass ich endlich hier rauskomme, schließlich ist in einer Woche Weihnachten und das hatte ich nicht vor, auf geschlossener Station zu verbringen.

"Hey Mum!" Moment, das ist doch die Stimme von- nein, oder? "Neville mein Schatz, lass dich drücken!", sagt eine Frau mit rundlichem Gesicht, die dem jungen Mann vor ihr gar nicht so unähnlich sieht. 

Oh mein Gott, was macht der denn hier?! Das darf doch nicht wahr sein, das habe ich völlig vergessen! Die Eltern von Longbottom wurden, von meiner gottvermalledeiten Tante, bis zum Wahnsinn gefoltert, aber sie scheinen gute Fortschritte zu machen, so wirkt es jedenfalls. Aber naja, ich kann das wahrscheinlich eher weniger einschätzen. 

In der Zwischenzeit bin ich stehengeblieben und halte mich ziemlich verdeckt. Das hat auch seinen driftigen Grund, denn nicht weit von dem Lahmarsch entfernt steht eine Frau mit roter Handtasche und einem zerflederten Hut, auf dem ein ausgestopfter Geier hockt. Seine Großmutter. Von der habe ich genug gehört, um zu wissen, dass man lieber auf Abstand gehen sollte. Ich meine verrückte, alte Frauen sollte man keineswegs unterschätzen. Da soll sich bloß mal einer die 'Gonagall anschauen, das würde schon ausreichen!

Nevilles Mutter, ich glaube, ich habe irgendwann einmal, auf einer Todesserversammlung, den Namen Alice aufgeschnappt, reicht ihrem Sohn eine leere, knisternde Verpackung von Druhbels bestem Blaskaugummi, die er stolz entgegennimmt. Seine Oma quittiert das Ganze nur mit einem verkniffenen Lächeln, verabschiedet sich dann jedoch herzlich von ihrer Schwiegertochter, die wieder in Richtung zweier, von einem Vorhang verdeckten, Betten geht. Dann zieht die verhärmte Frau den Jungen sanft am Ärmel mit sich und murmelt ihm im Gehen noch zu, er solle das Papier in den Müll schmeißen, da er ja schon so viele dieser Sorte habe, dass er damit seine Wand tapezieren könne. Doch ich könnte schwören, zu sehen, wie er die Verpackung unauffällig in seine Hosentasche gleiten lässt.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt