Hermines Sicht
Völlig verdattert sitze ich auf dem gemütlichen Sofa in der Bibliothek und starre auf die enge Stelle zwischen Wand und Bücherregal, an der vor wenigen Sekunden der kleine Sam verschwunden ist.
Hab ich etwas Falsches gesagt, oder warum ist er plötzlich weggerannt, als hätte er einen Geist gesehen? Im Kopf gehe ich noch einmal das Gespräch mit dem Ravenclaw durch, aber ich will partout auf kein Ergebnis kommen. Das Letzte, was ich zu ihm gesagt habe, war, dass Draco mit dieser Greengrass verlobt ist. Gut, bei jeder anderen Person wäre Sams Verhalten ziemlich nachvollziehbar gewesen. Ich meine, schon allein, wenn ich an diese Schnepfe, in einem weißen Traum aus Tüll und neben Draco im Anzug denke, ist mir zum Weinen und Wegrennen zumute und da bin ich nicht die Einzige.
Aber Sam kennt diese Slytherin doch eigentlich gar nicht, zumindest nicht, dass ich wüsste. So lange ist er ja noch gar nicht hier in Hogwarts. Nun ja, ich werde ihn wohl bei der nächsten Gelegenheit darauf ansprechen müssen, denn es scheint nicht so, als würde der Blonde noch einmal zurück kommen.
Auch ich beschließe, auf einen Blick auf die Uhr hin, in den Gemeinschaftsraum zu gehen, denn es ist später, als gedacht. Hier habe ich einfach das Gefühl, dass die Zeit viel schneller verrinnt, als in der Muggelwelt. Doch das ist Blödsinn, das weiß ich selbst. Selbst Zauberer können nicht am Lauf der Zeit rumpfuschen. Also schüttele ich nur einmal kurz meine Lockenpracht, um mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren und dann verstaue ich gewissenhaft meinen Aufsatz für Hagrid, über den Klabbert, in meiner Schultasche.
Ich habe vorhin gerade den letzten Punkt auf das Pergament gesetzt, als Draco zu mir kam und dann war jeglicher Gedanke an Hausaufgaben, wie weggewischt. Ich weiß, ich sollte eigentlich ein schlechtes Gewissen haben und ich muss zugeben, einen kleinen Stich im Bauch versetzt mir der Gedanke schon, dass ich die Schule durch den Slytherin so vernachlässige, aber er macht mich einfach überglücklich.
Kurz schließe ich meine Augen und lehne mich in die Polster zurück. Dieser Geruch, der bei jedem Kuss intensiver wurde. Ich muss mir wohl oder übel eingestehen, dass ich mich Hals über Kopf in den Blondschopf verliebt habe und mein Herz ihm völlig ausgeliefert ist. 'Hermine, herzlichen Glückwunsch, du bist verloren!'
Am nächsten Morgen wache ich schon früh auf. Auf meine innere Uhr ist normalerweise immer Verlass, aber anscheinend ist sie heute der Meinung, dass ich ruhig etwas eher aufstehen kann. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, die Decke über den Kopf zu ziehen und somit die ganze Welt auszuschließen, aber einschlafen könnte ich so oder so nicht mehr. Also sammele ich meine Schuluniform und meine Waschtasche zusammen und schleiche mich leise, darauf bedacht niemanden aufzuwecken, aus dem Schlafsaal. Auch der Gemeinschaftsraum ist leer und nur die verstreuten Habseligkeiten und die, von der Sonne angeschienene, Asche im Kamin, zeugt von der Schülermasse, die sonst den Raum in Beschlag nimmt.
Mein Weg führt mich durch das Portraitloch und direkt in das Bad der Vertrauensschüler, Schulsprecher und Quidditch- Kapitäne. Dort angekommen lasse ich mir Wasser ein und zum Glück füllt sich das große Becken recht schnell. Anschließend drehe ich an einem der vielen Wasserhähne herum, aus dem sich sofort mein liebstes Schaumbad ergießt.
Kurze Zeit später hat sich an der Wasseroberfläche fester Schaum gebildet, der einen über das Wasser trägt, wenn man sich darauf legt. So lasse ich mich, mit geschlossenen Augen, treiben und nur hin und wieder prüfe ich, dass mir auch ja aus keinem Wasserhahn, der Kopf der maulenden Myrte entgegenlugt. Auf ein Gespräch mit dem, Trübsal blasenden, Geistermädchen kann ich gerade ruhig verzichten.
Nach einer halben Stunde, die Haut an meinen Händen und Füßen ist schon ganz runzelig, schwimme ich noch zwei weite Bahnen und verlasse dann das Becken, um mich abzutrocknen. Nachdem ich angezogen bin, trockne ich meine Haare, lasse meine Waschtasche, mit einem Schnipser meines Zauberstabes, dahin verschwinden, wo sie herkommt und mache mich auf den Weg hinunter zum Frühstück.
Die Decke der großen Halle spiegelt das Wetter draußen wieder und erfreut stelle ich fest, dass der Himmel wolkenlos ist und die helle Wintersonne preisgibt. Schnell erhasche ich einen Blick auf Draco der mir unauffällig zuzwinkert, worauf meine Mundwinkel verdächtig in die Höhe zucken.
Dann schreite ich den Mittelgang entlang und nehme neben Ginny, die bereits ein, reichlich mit Marmelade bestrichenes, Toast verspeist, Platz. Erneut huschen meine Augen zu Draco hinüber und sofort kocht die Wut in mir auf. Astoria Greengrass schmeißt sich an ihn ran, als gäbe es kein Morgen und nur mit Mühe gelingt es ihrem Verlobten sich von ihr loszueisen, ohne, dass sie Verdacht schöpft.
"Alles okay bei dir?" Jäh schrecke ich auf, als meine Freundin mich plötzlich anspricht. "Was? Ähhh, ja klar, alles gut.", sage ich, nicht sehr überzeugend und greife, mit säuerlicher Miene, nach dem Krug Kürbissaft.
"Verdammt, das darf nicht wahr sein!" Ich war so darin vertieft, diese Grasdame mit meinen Blicken zu erdolchen, dass ich nicht auf meinen Becher geachtet habe, der natürlich, wie sollte es auch anders sein, übergelaufen ist und seinen Inhalt über die Tischdecke verteilt hat.
"Tergeo", murmelt die Rothaarige neben mir und der Fleck verschwindet sofort. "So, jetzt rede endlich mit mir und versuche nicht, mir zu erzählen, dass nichts ist. Dein 'nichts' kenne ich nur zur Genüge. Also? Ich warte." Fragend sieht mich die junge Gryffindor an und ich winde mich unter ihrem eindringlichen Blick.
Als sie mich dann endlich soweit hat, dass ich rede, ertönt ein schriller Schrei und alle Köpfe wenden sich der Hallendecke zu. Eine einzelne Eule kommt, gefolgt von sämtlichen Blicken, soeben hereingeflogen und steuert, zu meinem größten Verwundern, meinen Platz an.
Merkwürdig, die Posteulen kommen doch normalerweise später. Genau vor mir sinkt sie nieder, wobei sie, ein letztes Mal ihr Gefieder schüttelnd, die Schüssel mit dem Müsli umstößt. An ihr Bein sind zwei anonyme Briefe befestigt, auf denen jeweils nur, in fein säuberlich aneinander gereihten Druckbuchstaben, mein Name steht.
"Ich helfe dir beim Auspacken!", quietscht Ginny fröhlich und krallt sich, neugierig wie sie ist, direkt einen der Umschläge. Während ich noch dabei bin, den Anderen zu öffnen, hat Ginny den Brief bereits unsanft aus seiner Hülle, die nun, zerrupft und allgemein arg mitgenommen aussehend, auf dem Tisch liegt, befreit und starrt entsetzt auf die wenigen Worte.
"Mine, mach den Brief lieber nicht auf, sonst-" Doch weiter kommt sie nicht, denn gerade ist es mir gelungen, auch meinen Briefumschlag aufzuschlitzen und sofort ergießt sich eine gelblich-grüne Flüssigkeit über meine Hände und ich gebe einen kleinen Schmerzensschrei von mir.
Nur zu gut erinnere ich mich an diesen einen Tag im vierten Schuljahr, an dem ich Hassbriefe von Rita Kimmkorn bekommen habe. Einer davon war mit Bubotubler befüllt und damals hoffte ich, dass mir diese Schmerzen zukünftig erspart bleiben, doch anscheinend hat Merlin irgendwas gegen mich.
Panisch starre ich auf meine, grotesk entstellten Finger, die, durch den ätzenden Eiter, mit blutigen Blasen überzogen sind. Mein, von Tränen verschleierter, Blick gleitet auf das Pergamentstück, dass Ginny in der Hand hält, die nun geschockt und leicht angeekelt auf meine angeschwollenen Hände schaut. In diesem Moment wird mir alles zu viel und ich stürme, meine schmerzenden Finger unter meinem Umhang versteckend, aus der großen Halle. Das letzte, was ich höre ist lautes Gelächter und Hohn vom Slytherintisch ehe ich, das erniedrigende Gespött hinter mir lasse und einfach nur noch renne.
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Wie Licht und Schatten
FanfictionZwischen Leben und Tod zu schweben kann einem ganz schön an die Substanz gehen. Wie ist es wohl, ein Teilzeitgeist zu sein? Ob die Magie da noch etwas bewirken kann? Der kleine Sam reist mithilfe eines Zeitumkehrers in die Vergangenheit, um sein Le...