Flucht in die Vergangenheit

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Sams Sicht

Schweißgebadet wache ich mitten in der Nacht auf. Wie schon, gefühlt hunderte Male, zuvor, starre ich panisch auf meine Finger. Das kühle Licht des Mondes fällt auf mein Bett und meine Hände, die flackern und kurzfristig unsichtbar werden. Dieses Flackern breitet sich über meine Arme aus und ich japse entsetzt nach Luft. 

Nur schwer kann ich einen Schrei unterdrücken. Man könnte meinen, ich hätte mich nach mehrmaligem Auftreten dieser Symptome etwas daran gewöhnt, aber selbst in der Zaubererwelt ist teilweises Verschwinden von Körperteilen keine normale Sache, sondern eher bedenklich. Das Licht wandert weiter meinen Körper entlang und mit ihm verschwindet dieser Stück für Stück. 

Die Angst macht mir nun mehr als zu schaffen und in meinen Ohren hallt mein dumpfer, schwerer Atem wieder. So weit wie heute hat sich die Unsichtbarkeit noch nie ausgebreitet. Plötzlich flackern die betroffenen Stellen auf und so schnell, wie der Spuk begonnen hat, ist er auch wieder vorbei und mein Körper besteht wieder aus fester Materie. 

Der Schock sitzt mir immer noch fest in den Gliedern und selbst der warme Körper meines Kniesels Aquila kann mir nicht, wie sonst, Trost spenden. Irgendetwas stimmt da nicht, das steht fest. Es kann doch nicht sein, dass ich zwischenzeitlich den Zustand eines Geistes annehme. Das Ganze erinnert mich an 'Coco', diesen, wie Vater immer sagt, geschmacklosen Muggel-Film, der letztes Jahr veröffentlicht wurde. Er hält ihn für absoluten Humbug und etwas, an dass die Nichtzauberer sowieso nicht glauben. Kurz gesagt, absolute Hirngespinste und Auswucherungen grenzenloser Fantasie. 

Wenn Vater wüsste. Wie kann es sein, dass in einem, von den Muggeln produzierten, Film soviel Wahrheit steckt und sie noch nicht einmal davon wissen?! Bis jetzt haben Mum und Dad keine Ahnung, wie es mir ergeht, weil ich bis jetzt nicht den Mut aufgebracht habe, es ihnen zu sagen? 

Was wenn die mich ins St Mungo's schicken, wo die Heiler irgendwelche Praktiken an mir ausprobieren und mich als Experimentierobjekt benutzen. Ich meine, wann sieht man schonmal einen Jungen, der einfach so unsichtbar wird. Richtig, nie! Und da ich anscheinend heute das nächste Stadium, dieser unbekannten Krankheit, erreicht habe, muss ich dringend etwas unternehmen, wenn ich in nächster Zeit nicht komplett durchsichtig durch die Gegend laufen will. 

Erneut überkommt mich eine übelkeitserregende Welle der Furcht. Bis jetzt habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht, aber wäre ich dann nicht tot? Nein, so weit will ich gar nicht denken! Das werde ich schon irgendwie zu verhindern wissen, oder? Der unumstößliche Fakt ist eben nur, dass ich jetzt schon, wenn man mich fragt, viel zu oft eine geistähnliche Form annehme. 

Es ist ja auch nicht so, dass ich noch nie darüber nachgedacht habe, wo die Ursachen dafür liegen könnten, oder was überhaupt mit mir passiert. Doch bis jetzt bin ich immer zu dem gleichen Entschluss gekommen. Es muss an der Vergangenheit liegen. 

Warum ich das denke? Ganz einfach. Meine Mutter ist ein absoluter Bücherwurm und unter anderem befinden sich auch einige Werke, über die Zeit, in ihrer persönlichen, und teilweise viel zu großen, Bibliothek. Seit ich lesen kann, und das konnte ich schon ziemlich früh, im Alter von fünf Jahren, habe ich mich von Band zu Band gelesen, auch wenn früher hauptsächlich Kinderbücher meine Zielgruppe ausmachten. 

Mittlerweile weiß ich jedoch, aus einigen komplizierteren Lektüren, dass die Zeit viel komplexer ist, als wir annehmen und dass es mehrere Parallelwelten gibt, die beschreiben, was passiert, wenn sich auch nur ein kleines Detail der Geschichte verändert. Das ist alles, was ich wissen muss, doch bis vor Kurzem hat mir das rein gar nichts gebracht. 

Ich kann nicht in die Vergangenheit reisen, das würde selbst die magischen Künste der klügsten und mächtigsten Hexen, dieses Jahrhunderts, übersteigen. Doch vor einigen Tagen hat sich das Blatt gewendet. 

Als mich meine Mutter in ihr Schlafzimmer schickte, um etwas, aus ihrer Kommode, zu holen, stieß ich auf ein Mahagonikästchen, welches mich, trotz seiner Unscheinbarkeit, in seinen Bann zog. Natürlich war mir bewusst, dass ich eigentlich nicht in fremden Besitztümern stöbern sollte, aber die Neugier siegte über den Verstand und so öffnete ich die kleine Truhe. Was ich da sah, verschlug mir den Atem. 

Schon als kleines Kind habe ich, aus den Geschichten meiner Mutter, erfahren, dass bei einem Kampf im Ministerium alle Zeitumkehrer zerstört wurden. Doch in diesem Moment hielt ich den Beweis, für das Gegenteil, in der Hand. 

Anscheinend hatte mindestens ein Zeitumkehrer diesen Kampf überstanden und der befindet sich ausgerechnet im Besitz meiner Familie. Das ist der Schlüssel für meine Rettung und wenn ich diesen nicht nutze, bin ich verloren. Unbemerkt habe ich ihn mit in mein Zimmer geschmuggelt und auf den richtigen Moment gewartet. Wann also, wenn nicht jetzt? 

Mit zitternden Fingern ziehe ich die Kiste unter meinem Bett hervor und mein Kniesel gibt einen merkwürdig verzerrten Laut von sich. Merkwürdig, aber auf ihn kann ich im Moment keine Rücksicht nehmen. Aquila ist schließlich nicht derjenige, der langsam zu nebligen Formen hinübergleitet.

Von meiner Mutter, die selbst, in früheren Jahren, in der Zeit gereist ist, weiß ich, dass man die Vergangenheit auf keinen Fall verändern darf. Doch in meinem Fall muss ich mich, wohl oder übel, über diese Regel hinwegsetzen, wenn mir mein Leben lieb ist, und das ist es allemal. Gestern habe ich den Zeitpunkt, einige Monate vor meiner Geburt, ausgerechnet, da ich beschlossen habe, beim Urschleim zu beginnen. 

Immer noch mit bebender, aber nun immerhin sichtbarer, Hand entnehme ich der kleinen Schachtel das goldene Gerät und bewundere es von allen Seiten. 

Für einen Moment schließe ich meine Lider und ziehe, betont langsam, die Luft ein, weil ich merke, wie meine Atmung schon wieder schneller und flacher wird. Mein Vorhaben ist alles andere als ungefährlich, aber habe ich denn eine Wahl? Nein, jetzt heißt es Augen zu und durch. 

Und so drehe ich, stets darauf bedacht, ja die richtige Anzahl zu erlangen, an dem innersten Rad des Stundenglases, das für die Jahre verantwortlich ist. Kurz bevor ich in einen Strudel aus verschwommenen Farben gezogen werde, sehe ich etwas Buschiges auf mich zu hechten und spüre, einen Wimpernschlag später, scharfe Krallen, die sich durch mein kariertes Oberteil bohren. Daraufhin verliere ich den Boden unter den Füßen und tauche ab in eine völlig unerforschte Sphäre von Raum und Zeit.

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Falls ihr euch die Inhaltsangabe und das Vorwort dieses Buches durchgelesen habt, habt ihr euch sicher gewundert, von welchem Sam die Rede ist, da ich ihn bis jetzt nicht einmal mit der Wimper erwähnt habe. Nun ja, das hat sich soeben geändert. Das ist der Kleine und über seine persönliche Geschichte werdet ihr im Laufe der Story noch viel mehr erfahren. Ich hoffe ihr seid mir nicht böse, dass das Buch nicht ausschließlich aus Dramione besteht und ich mir, mit den beiden, viel Zeit lasse! Aber ich dachte mir einfach, dass ich noch etwas brauche, um der Geschichte mehr Persönlichkeit zu verleihen, da es soooo viele FFs von Draco und Hermine gibt und es sehr schwer ist, sich von all denen zu unterscheiden.

Viel Spaß weiterhin beim Lesen! LG, eure Chiara :) <3

Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt