Hermines Sicht
"Ach, du hast es ja auch endlich mal geschafft, nach Sperrstunde, hier aufzutauchen, was?" Mich überströmen abwechselnd Hitze- und Kältewellen und der Brechreiz, dem ich nur sehr schwer nicht nachgeben kann, nähert sich einer gefährlichen Grenze, die besser nicht überschritten werden sollte. Wie von der Tarantel gestochen, schieße ich von meinem Sessel hoch, was sich gar nicht als einfach erweist, weil ich zuvor erst einmal gute vier Zentimeter tiefer ins Polster einsinke. Von der schnellen Bewegung und der ganzen Aufregung wird mir kurz schwarz vor Augen, weshalb ich meine Fingernägel tief in die Lehne des Sessels bohre.
Ein kehliges Lachen entfährt Rons Lippen. Doch auch er scheint nicht ganz auf dem Damm zu sein. Langsam öffne ich meine Augen. In der kurzen Zeit, in der ich sie geschlossen habe, ist Ron nah an mich herangetreten. Da ich durch das Kaminfeuer nicht zurücktreten kann, ohne Gefahr zu laufen, mich zu verbrennen, mache ich einen Schritt zur Seite, um den Sessel herum, und bringe so einigen Abstand zwischen uns. Der Rotschopf sieht mich aus gläsernen Augen an. Seine Pupillen sind geweitet und in seinem Blick liegt etwas, das mir Angst macht. Wahnsinn. Dennoch halte ich ihm Stand und nehme eine stolzere Haltung an. Mit, nach vorne geschobenem, Kinn und durchgedrücktem Rücken, wende ich mich an meinen 'Freund'.
"Ron, sag mal hast du getrunken?" "Und wenn schon Mine, ist ja nicht so, dass es dich kümmern sollte. Du interessierst dich ja eh nicht für mich!" spuckt er aus und sieht mich verächtlich an. Mein Herz zerbricht. Was soll das?! Er weiß ganz genau, dass ich nichts für meine Gefühle kann und jetzt tritt er einfach so auf mir und unserer Freundschaft herum? "Ron, hör zu. Ich wollte sowieso mit dir reden, weil-" "Weil? Ja, warum?!" Er beginnt nun zu schreien. "Bleib bitte ruhig, die Anderen schlafen sicher schon alle. Ich wollte dich fragen, was das heute sollte?!" Nun werde auch ich bestimmter, dennoch behält meine Stimme den leisen Ton, alleine aus Rücksichtnahme, bei.
"Du hast Dra- Malfoy grundlos angegriffen und schwer verletzt, ist dir das eigentlich bewusst?" Mein Herz zerreißt nun noch mehr, als ich daran denke, wie sich der Hüter das Schlagholz von Peakes gekrallt hat und wutentbrannt den Klatscher, der leider ausgerechnet da an Ron vorbeifliegen musste, gegen den nichtsahnenden Slytherin geschmettert hat. "Was kümmert es dich, hm? Es ist doch nur Malfoy und eigentlich solltest du mir dafür dankbar sein. Ach nein, stopp es geht hier schließlich um dein Dracilein!" Alle Farbe weicht aus meinem Gesicht und ich erstarre zur Salzsäule. Unfähig mich zu rühren, kann ich nichts weiter tun, als Ron anzugaffen. Hat er das gerade wirklich gesagt?! Ist es ihm tatsächlich aufgefallen? Und wenn es ihm aufgefallen ist, wem dann noch? Das darf nicht wahr sein!
"Ron ich- wie-" "Ich- wie-", äfft er mich hämisch nach. "Denkst du, mir entgeht, wie du ihn ansiehst? Du solltest dich schämen du Verräterin! Du bist eine Gryffindor und solltest dich nicht für Malfoy freuen! Ich habe mit Harry geredet. Dieser Arsch wäre nicht einmal in die Nähe des Schnatzes gekommen, wenn Harry nicht kurz davor von der Sonne, durch seine Gläser, geblendet worden wäre. Elender Mistkerl, Malfoy, pah, dass ich nicht lache!" "Halt den Mund!", spreche ich ruhig, doch mein gefährlicher Unterton ist nicht zu überhören. "Ach hör doch auf. Er hat völlig unverdient gewonnen und wenn du nur etwas Teamgeist hättest, würdest du dir das eingestehen. Aber du bist eh nicht mehr zu retten, wenn du jetzt schon dieses Frettchen anschmachtest. Dann geh doch in die Schlangengrube, da passt du eh viel besser hin." " Ich sagte, halt den Mund!", rufe ich nun ebenfalls mit lauter Stimme.
Jetzt reißt mir der Geduldsfaden. Ja, Ron ist betrunken und ich weiß, dass er morgen, im nüchternen Zustand, mindestens die Hälfte seiner Worte bereuen wird. Er ist doch schließlich von Haus aus kein schlechter Mensch, oder? Andererseits, bringt Alkohol nicht die wahren Seiten eines Menschen zum Vorschein? War Ron in Wahrheit schon immer das, was hier und jetzt deutlich sichtbar wird und ich war nur zu blöd und blind das zu merken? Nein, so ist er eigentlich nicht. Dennoch, er ist einen Schritt zu weit gegangen. Ausgerechnet er will mir was von Teamgeist erzählen, wo er es doch war, der Harry und mich zu der Zeit im Stich ließ, in der wie ihn am meisten gebraucht hätten. Und abgesehen davon, selbst damals mit Krum, hätte er nicht im Traum daran gedacht, mich so zu erniedrigen. Aber wer soll es ihm verübeln? Malfoy war unser Erzfeind, schon seit dem Schulbeginn. Er ist unser Erzfeind, oder?
Nein, ist er nicht, er will sich bessern und ein Stück weit hat er das auch schon. Klar, arrogant ist er immer noch wie eh und je, aber er hat mich das ganze Schuljahr noch nicht einmal 'Schlammblut' genannt. Und irgendwie sieht er auch echt süß aus. 'Mine, tickst du noch ganz sauber?! Es ist Malfoy, nimm dich in Acht, nicht mal deine Gedanken sind hier in Hogwarts sicher. Es reicht schon, dass du ihm vorhin im Krankenflügel fast deine Gefühle vor die Füße geworfen hast. Du kannst dich bei Winky bedanken, dass sie genau in diesem Moment aufgetaucht ist und dich somit davor gerettet hat, Malfoy eine Chance zu geben, auf ihnen herum zu trampeln.' Da ist sie wieder, diese Stimme. Ach wenn ich sie nicht hätte, denke ich mir sarkastisch, werde jedoch von meinem Gegenüber aus meinen Gedanken gerissen, der gerade wieder ansetzt, etwas zu sagen.
"Weißt du, ich gebe es zu, möglicherweise bin ich einfach nur eifersüchtig, aber überleg doch mal, es ist Malfoy, checkst du das nicht?" Wieder tritt er ganz nah zu mir und schüttelt mich an den Schultern, als ob er damit etwas in mir wachrütteln wöllte. Wütend schlage ich seine Hände weg und möchte, ohne eine Antwort, hoch in den Schlafsaal gehen. Gerade erreiche ich die steinerne Wendeltreppe, als ein Ruf die Stille zerfetzt. "Glisseo" Die Stufen vor mir verwandeln sich in eine Rutschbahn und ich wirbele geschockt auf dem Absatz herum. Ron steht da, mit erhobenem Zauberstab, und sieht abwertend auf mich hinab. "Tja, hättest du mir wohl nicht zugetraut, was Streberin? Aber auch ich habe etwas im Krieg gelernt, ob du es glaubst oder nicht!"
Plötzlich schießen mir wieder die Bilder von Todessern, einem Geheimgang, einer Treppe, Flüchen, Lichtblitzen und einem versteinerten Teppich in den Sinn. Es stimmt, es war mein Zauber, der uns damals das Leben rettete.
Nun ziehe auch ich meinen Zauberstab. Ron will mich hier festhalten? Da hat er sich mit der Falschen angelegt! Mein Kontrahent setzt soeben zu einem neuen Fluch an, doch ich blocke ihn gekonnt ab und murmele "Levicorpus" Der Ginger wird an den Fußgelenken in die Luft gerissen, sein Zauberstab klappert geräuschvoll zu Boden und sofort schießt ihm das Blut in den Kopf, der allmählich die Farbe seiner Haare annimmt. "Jetzt hörst du mir mal zu Ronald! Ich sehe zum allerletzten Mal über deine Dummheit, dich mit mir anzulegen, hinweg. Im nüchternen Zustand erwarte ich eine Entschuldigung, für das, was du mir heute törichterweise an den Kopf geworfen hast. Das mit Malfoy geht dich einen Scheißdreck an und wenn du dich entschuldigt hast, halte dich gefälligst von mir fern! Das Maß ist voll das hätte es schon sein müssen, als du Harry und mich im Wald sitzen lassen hast. Also erzähl du mir nie wieder etwas von Teamgeist! Ich habe dir immer und immer wieder verziehen. Doch jetzt bin ich es leid. Vielleicht werde ich irgendwann die Kraft haben, das alles zu vergeben und zu vergessen, aber jetzt kann ich es nicht."
So wende ich mich um, flüstere 'Finite' in Richtung der Steinrutsche und steige dann die Treppe hinauf. Am obersten Absatz angekommen, denke ich fest an die Beschwörung 'Liberacorpus' und schwinge meinen Stab. Mit einem zufriedenstellend lauten Poltern, höre ich diesen Trottel zu Boden krachen und einen Moment später bin ich, immer noch vor Zorn rauchend, und ohne mich noch einmal umzudrehen, im Mädchenschlafsaal verschwunden.
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Ich muss jetzt erstmal was klarstellen. Ich hasse Ron nicht. In den Büchern mochte ich ihn eigentlich immer ziemlich. Klar, er hat seine Macken, aber haben wir die nicht alle? ;)
Irgendwann bin ich dann ein Fan von Dramione geworden und da ist Ron eben immer irgendwie im Weg. I'm sorry :/
Ich weiß, Alkohol ist keine Entschuldigung, aber um seinen Wutausbruch wenigstens minimal zu rechtfertigen oder zumindest zu erklären, habe ich entschieden, dass er wegen der Niederlage beim Quidditchspiel betrunken ist.
Das ist eigentlich auch schon alles :) Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen!
Übrigens, ein ganz großes Dankeschön an alle Leser für über 500 Reads und an Emmamarie412 für das fleißige Voten und Kommentieren <3
LG, eure Chiara ;D <3
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Wie Licht und Schatten
FanficZwischen Leben und Tod zu schweben kann einem ganz schön an die Substanz gehen. Wie ist es wohl, ein Teilzeitgeist zu sein? Ob die Magie da noch etwas bewirken kann? Der kleine Sam reist mithilfe eines Zeitumkehrers in die Vergangenheit, um sein Le...