Kapitel 16

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Ich atmete erleichtert auf als ich meine Schwestern zusammen mit Leo abfeiern sah. Glücklicherweise war mir die Idee mit Paps und dem Trainerschein gekommen. Jetzt war es vom Tisch, dass mein Mädchen wegziehen würde. Okay, meine beiden Schwestern hätten mir auch gefehlt, aber Leo. Das wäre eine Katastrophe gewesen. Aber klar, dass Mili auch dabei war. Schließlich war Felicitas ja auch schon sechs Jahre alt und mindestens so fussballvernarrt wie ihr Vater und ihre Mutter. Ich schaute hoch und sah Leo, die mich glücklich anlächelte. So sah ich sie am liebsten. Mir wurde gleich ein wenig wärmer. "Mensch Alter. Jetzt hör auf hier so grenzdebil zu sabbern. Lass die Falle endlich zuschnappen. Heute ist dein Tag. Du bist garantiert mit deiner Idee ihr Hero. Da kann sie gar nicht nein sagen." Phil stupste mich mit dem Ellenbogen in die Seite. Hatte er gerade gesagt, dass sie heute nicht nein sagen konnte? Das bedeutete ja, dass er glaubte, dass sie sonst schon ablehnen würde. Scheiße, wenn mein Bruder schon zweifelte. "Ist dir gerade ein Geist erschienen?", grinste er mich an "Du guckst jedenfalls gerade so."
"Du meinst also auch, dass ich keine Chance bei ihr habe." Als nächstes spürte ich einen Klaps am Hinterkopf "Boah, das habe ich doch gar nicht gesagt, Digger. Aber heute kannst du alles von ihr haben." Dieses anzügliche Wackeln mit den Augenbrauen konnte er sich echt sparen. Ich wollte nichts weiter als ein Date.
"Von wem kann er alles haben?" Ich zuckte zusammen als ich Tessas Stimme hinter mir hörte und drehte mich schnell um. Neben ihr standen Maja und Leo und schauten mich auch an. Ich spürte wie mir die Hitze in die Wangen schoss. Mist, wieviel hatten sie von unserer Unterhaltung wohl mitbekommen? Verzweifelt schaute ich zu Phil, der grinste, während mein Hirn mal wieder nur heiße Luft von sich gab. "Na von euch, für seine rettende Idee." Sofort fielen mir meine Schwestern um den Hals. "Wir haben dich ganz doll lieb, Maximax." Toll, jemand anderes wäre mir da jetzt eigentlich lieber. "Essen ist fertig.", rief meine Mom in unsere Richtung. Sofort ließen meine Schwestern von mir ab und stürzten los. "Ich bin dann auch mal futtern.", machte sich auch Phil aus dem Staub, aber nicht ohne mir noch einmal zuzuzwinkern. Na prima, jetzt war ich mit Leo alleine. Das war meine Chance. Aber ich war gar nicht darauf vorbereitet. Was sollte ich denn sagen? "Danke, dass du uns gerettet hast." So, jetzt musste ich sie doch einfach nur fragen. Phil hatte recht. "Hast du...." mich traf ihr erwartungsvoller Blick Och, diese Schokokugelaugen. Ich hörte wieder dieses leise Psssccchttt. "Kein Problem." Na, super. Konnte man sich noch dämlicher als ich anstellen? "Ach, ihr zwei, kommt mal gleich mit. Es gibt jetzt Essen." Milis Mutter war zusammen mit Vickis Mutter neben uns aufgetaucht. Ich wusste gerade nicht, ob ich sie für ihre Unterbrechung verfluchen oder mich lieber bei ihr für meine Rettung bedanken sollte. "Silvi, du kannst die beiden doch nicht einfach so im Gespräch stören.", entrüstete sich Vickis Mutter. "Klar, kann ich das, Resi. Oder habt ihr ein Problem damit?" Schnell schüttelte ich den Kopf, genau wie Leo. "Siehste. Dafür, dass du so viele Enkelkinder hast, bist du noch immer ganz schön unsicher. Die können auch später weiter flirten. Das funktioniert mit vollem Magen sowieso viel besser."  Die beiden liefen in Richtung Terrasse, wo schon ein kleines Buffet aufgebaut war. Boah, war das gerade peinlich. Ich schaute zu Leo, die auch einen leichten rötlichen Schimmer auf den Wangen hatte. Aber vielleicht hatte ja Milis Mutter recht und ich sollte erst einmal etwas essen. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass das half. Aber einen Versuch war es ja wert.  "Leo, mad Würstchen ." Vor uns kam der kleine Daniel angetappert, der natürlich sofort die Aufmerksamkeit seiner Schwester hatte. Okay, dann war ich jetzt sowieso abgemeldet. Ich schaute noch kurz, wie sie sich liebevoll um den Kleinen kümmerte, ehe ich mir auch einen Teller schnappte und ihn belud. Als ich mich damit an den Männertisch zu meinem Zwilling und meinem Dad setzte, waren die schon mitten in einem Gespräch vertieft. Schnell versuchte ich dem zu folgen.
"Habt ihr denn keine Tofu Würstchen?", fragte Dogan empört und nahm seinem Sohn das Würstchen, dass er gerade gegriffen hatte aus der Hand "Das essen wir nicht. Das ist Schwein, Deniz." Der Kleine nickte enttäuscht und schielte nach dem Würstchen in der Hand seines Vaters "Wieso darf Tim das dann essen?" Ja, klar, wie sollte ein Siebenjähriger verstehen, warum er etwas nicht durfte und sein Cousin schon.
"Weil sein Vater nicht so einen Knall hat.", lachte Mili und biss genussvoll in sein Würstchen. "Ich habe keinen Knall. Ich bin nur praktizierender Moslem.", knurrte Dogan ihn an. "Genau. Deinem Sohn das Würstchen vermiesen, aber selbst Bier und Alk saufen, oder wie. Du legst den Glauben doch auch nur so aus, wie du ihn brauchst. Wenn Allah sich jedesmal umdreht, wenn du dich nicht daran hälst, dann hat der bald 'nen Drehwurm." Mili schaute ihn herausfordernd an. "Jungs, aus.", versuchte Erik seine beiden Schwager zu beruhigen. "Wieso?  Mili hat doch recht. Was soll der Scheiß denn?", schaltete sich Alex ein. "Yasmin darf das als Mädchen, aber der Junge nicht. Das ist doch bescheuert. Ehrlich gesagt finde ich alles an Glauben bescheuert, was die Leute einschränkt. Helin lässt Susan und Tim auch alles essen. Wie soll der Zwerg denn kapieren, dass er der einzige in der Familie ist, der in die Kacke gegriffen hat." Naja, Helin war ja zwar Dogans Schwester, aber mit ihrer Hochzeit mit Alex, hatte sie sich endgültig vom moslimischen Glauben und den Traditionen verabschiedet. Sie war da wohl weit mehr der westeuropäischen Lebensweise zugetan als ihr Bruder. Während die Männer immer noch über das Ganze diskutierten, schaute ich zu dem Tisch an dem die ganzen Frauen sich mehr oder weniger zusammengerottet hatten. Leo lachte gerade über irgendetwas, was meine Schwester zu ihr gesagt hatte. Manno, hatte sie süße Grübchen. "Und hast du die Kleine klar gemacht?" War ja mal wieder klar, dass meinem Bruder der Blick aufgefallen war. Ich schüttelte den Kopf. "Mensch Alter. Auf was wartest du." Er schaute mich voller Unverständnis an. Ja, auf was wartete ich? Auf den Moment, in dem mal mein Hirn und Mund in einem Team spielten. Ich zuckte mit den Schultern "Du bist echt so eine Flachpfeife." Er schüttelte den Kopf. Toll, vielen Dank für diese unterstützende Einschätzung.
"Deniz, wo hast du schon wieder das Würstchen her.", hörte ich Dogan, bevor er aufsprang und seinem Sohn versuchte das Ding zu entreißen, als hätte er sprengfähiges Material in der Hand. "Von Mama.", der Zwerg schaute seinen Vater total verstört an "Dogan jetzt lasse dem Jungen das Würstchen.", erscholl auf einmal Lisas Stimme und ihr Mann zuckte zusammen. Seine Frau nahm es ihm einfach weg und drückte es ihrem Sohn wieder in die Hand. Der seine Mutter glücklich anstrahlte. Die Männer fingen an zu lachen "Wenigstens ein normal denkender Mensch in euerer Familie.", lachte Alex.
"Jetzt wissen wir ja, wer bei euch ganz traditionell die Hosen an hat.", lachte auch Mili "Och, das ist doch kein Grund gleich zu zerbröseln, du Keks." So interessant die Unterhaltung auch war, zog ein Mädel, das gerade durch die Terrassentür ins Innere verschwand , meine Aufmerksamkeit mehr auf sich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich müsste mal dringend auf die Toilette. Vielleicht bekam ich ja doch noch eine Chance mutig zu sein.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt