Kapitel 34

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Ich ließ mich aus dem Sattel gleiten und klopfte Nelly ihren Hals "Das hast du wieder toll gemacht. Tut mir leid, dass ich heute nicht so viel Zeit für dich habe, aber gleich kommt Leo.", entschuldigte ich mich bei meiner Stute, während mein Herz schon wieder los galoppierte.. "Weißt du Leo ist echt was ganz besonderes. Findest du auch?" Nelly schnaubte sofort zustimmend "Man, dich hat es ja echt erwischt.", gackerte mein Bruder hinter mir los. "Du textest ja schon arme wehrlose Pferde zu." Auch Phil klopfte Nelly den Hals "Nimm's nicht so tragisch, altes Mädchen. Wenn er erst richtig Dampf abgelassen hat und seine neue Stute richtig eingeritten ist, dann legt sich das wieder." Was sollte das denn heißen? Ich schaute meinen Zwilling schockiert an. "Boah, jetzt gucke doch mal wie ein hypnotisierter Hase. Willst du Leo vielleicht nicht flach legen?" Ich schaute mich erschrocken um. Das hatte doch hoffentlich niemand gehört. "Man, mache dich mal locker. Ich passe schon auf, dass das keiner mitkriegt. Schließlich hänge ich doch an meinem  Back up. Und außerdem könnte Roman uns verwechseln und mich kastrieren und das wäre doch ein echt herber Verlust für mich und für die Weiber.", grinste der blöde Hund mich frech an. Danke, dass er mich noch einmal ausführlich daran erinnerte, was passieren würde, wenn Leo und ich auffliegen würden. Heute deckte uns erst einmal wieder ihr Opa. Gestern hatte ich mich auch noch ganz unauffällig bei meinen Schwestern erkundigt, was denn jetzt so bei ihnen in der Schule anstand, damit ich heute mit meiner Süßen wieder etwas lernen konnte. Es war immer total niedlich, wie sie sich anstrengte, nur damit sie von mir zur Belohnung einen Kuss bekam. "Boah, von was versautem träumst du denn jetzt schon wieder? Du grinst so debil. Soll ich euch für später die Sattelkammer reservieren oder liebe das Strohlager." Mein Bruder schaute mich brauenwackelnd an. Manchmal war er echt ein Idiot. Ständig diese Anspielungen. Klar würde ich irgendwann auch mit Leo schlafen wollen. Wäre ja anormal  wenn nicht, aber jetzt doch noch nicht. Das wäre doch viel zu früh. Dafür hatten wir doch noch unser ganzes Leben, schließlich würde es für mich nie ein anderes Mädel geben. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich vor der ganzen Sache auch ein wenig Angst. Ich wollte ja schließlich nichts falsch machen. Phil schaute mich prüfend an "Du hast die Hose voll.", grinste er auf einmal "Hast du sie denn wenigstens schon so richtig geküsst?" Wie jetzt richtig geküsst? Konnte man auch jemand falsch küssen? Lippen auf Lippen. Was sollte daran falsch sein? Mein Kopf fing an zu rattern, als er mich kopfschüttelnd anschaute und wie eine Schlange mit seiner Zunge züngelte. "Mensch mit Zunge. Bei dir sind aber kaum Papas Reusschen Lovergene gelandet." Wieder gackerte er los. Na, wie lustig, aber was das anging, hatte ich auch das Gefühl, dass er die volle Ration abbekommen hatte und ich leer ausgegangen war. Trotzdem hatte er irgendwie Recht. Vielleicht sollte ich unsere Küsse auf die nächste Stufe upgraden. Obwohl, so gefielen sie mir ja auch. Und was, wenn ich irgendetwas falsch machte? Vielleicht sollte ich erst einmal etwas darüber googlen. Genau, das wäre doch die Idee. Und dann, wenn ich Leo das nächste Mal sah..... Ich griff mein Handy aus der Hosentasche. Wieso nicht gleich? "Was machst du denn da?" Phil schaute mich irritiert an als er über meine Schulter linste "Nicht dein Ernst." Er nahm mir das Handy aus der Hand und stopfte es wieder in meine Tasche. "Wozu google, wenn du mich hast?" Und ehe ich mich versah, bekam ich Tips von meinem Zwilling. Gerade als er den letzten Satz beendet hatte, hörte ich ein Räusperrn hinter uns. Ich drehte mich schnell um und schaute in die schönsten braunen Augen auf der Welt. Scheiße Leo. Das war voll peinlich, wenn sie Phils und meine Unterhaltung mitbekommen hatte. Ich rekapitulierte noch einmal schnell. Vielleicht hatte sie ja nicht alles mitbekommen. Zum Schluß wäre nicht so klar gewesen, worum es überhaupt ging. Ein bisschen Glück, bitte für mich, sonst hielt sie mich doch für den absoluten Noob. Okay, das war ich ja auch. Aber das war halt nicht sonderlich beeindruckend. Und ich wollte mein Mädchen doch beeindrucken. "Hey, Leo.", begrüßte mein Bruder meine Freundin. "Ich lasse euch dann mal alleine." Im Weggehen klopfte er mir noch auf die Schulter und züngelte kurz mit seiner Zunge. So ein Idiot. Ich schaute schnell zu Leo, die aber gerade Nelly musterte. Gut, dann hatte sie das wenigstens nicht mitbekommen. Leo zog einen Apfel aus der Tasche "Darf ich ihr den wieder geben?" Ich musste an das letzte Mal denken, als sie beim Reitturnier meiner Stute zur Belohnung einen Apfel geben sollte und sich nicht getraut hatte. Wir hatten ihn dann zusammen gehalten und Nelly hatte vorsichtig abgebissen. Leo schien sich wirklich immer mehr an die Pferde zu trauen. Vielleicht würde sie mir ja helfen meine Stute noch schnell zu putzen, dann wären wir auch schneller fertig. "Ja, aber erst nach dem Putzen.", antwortete ich ihr also, während ich schon loslief, um das Puzzeug zu holen. Als ich zurückkam, stand Leo mit einem kleinen Sicherheitsabsstand zu Nelly und musterte sie neugierig. "Hier." Ich drückte ihr Bürste und Striegel in die Hand. "Was....was soll ich damit?" Sie schaute mich groß an. "Wir putzen jetzt Nelly zusammen.", grinste ich und stellte mich hinter Leo.....
Ja, das Putzen war definitiv eine Superidee gewesen, auch wenn mein Mädchen erst noch ziemlich angespannt war, wurde sie mit jedem Striegelstrich lockerer. Und ich, ich hatte es genossen wie ihr Rücken an mich gepresst war, während wir zusammen mit unseren Händen über den Pferdekörper glitten. Jetzt stand aber Nelly im Stall und ich wollte das, was ich mit meinem Bruder besprochen hatte, in die Tat umsetzen, bevor wir in der Sattelkammer ein wenig für die Schule lernen würden. Vielleicht wäre die aufgepimpte Belohnung ja noch effizienter. Ich hatte schon überlegt, wo der beste Ort für unseren ersten richtigen Kuss wäre. Es musste unbedingt romantisch und unvergesslich sein. Und nicht unvergesslich, weil ich zu dämlich dazu war, sondern weil das Ambiente stimmte. Irgendwie ging mir echt die Flatter. Aber wenn wir hinter dem Stall in den Wald gingen und dort ein Stückchen liefen, kamen wir zu einem kleinen Teich. Dort gab es auch eine Bank. Also total idylisch. Außerdem liebte ich diesen Ort. Also war er perfekt für mein Vorhaben. Sofort beschleunigte sich mein Puls wieder. "Komm, wir gehen noch eine Runde spazieren." Ich griff mir Leos Hand, aus der Nelly gerade noch ihren Apfel geknabbert hatte, dessen Reste meine Stute gerade noch zwischen ihren Zähnen zermalmte. Ich wollte keine weitere Zeit verschenken. Meine Freundin schaute mich verwundert an, folgte mir aber sofort bereitwillig. Als wir auf dem Waldweg ankamen, zog sie kurz an meiner Hand. "Wo gehen wir denn hin?"
"Zum perfekten Ort.", schoss es mir aus dem Mund. Hoffentlich war er das auch. Obwohl der Ort war es mit Sicherheit. Hoffentlich verkackte ich es nicht. Aber was sollte schon passieren. Phil hatte es mir doch genau erklärt. Küssen, Lippe anstupsen, Zunge in den Mund und bewegen. Was sollte da schon schief gehen? Bei meinem Glück, alles. Ich spürte, wie meine Handflächen ganz feucht wurden. Wahrscheinlich würden Leo bald Schwimmhäute an den Händen wachsen, wenn ich weiter ihre Hand hielt. Je weiter wir zum See kamen, je mehr fing mein Herz an zu rasen. Ich würde das hinbekommen, versuchte ich mir zuzureden.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt