Kein Schuss, trotzdem ein Treffer ✔Teil 5

Kapitel 142

Zufrieden schloss ich die Tür auf und lief in den Flur. Während ich aus meinen Schuhen schlüpfte und meine Jacke aufhing, musste ich an meine Fahrstunde denken. Mein Fahrlehrer Thomas war heute echt zufrieden mit mir gewesen. Seit wir vor ein paar Wochen mit Mom auf dem Verkehrsübungsplatz waren, klappte das mit dem Schalten bei mir echt super. Seitdem hatte ich das Auto beim Anfahren wirklich nie wieder abgewürgt. Aus dem Wohnzimmer hörte ich Paps und Moms Stimmen, die kraftig beim Diskutieren waren. Was gabe es denn da schon wieder? Neugierig ging ich näher ran. "Müssen wir eigentlich Leo und Dani nicht langsam bei uns anmelden, so oft wie sie hier sind." Ja, da hatte Paps recht. Seit dem Weihnachtsurlaub wohnten die beiden schon fast bei uns. Also nicht, dass ich mich darüber beschweren wollte. Ich fand es natürlich toll, dass ich mein Mädchen so oft sehen konnte. Und noch viel toller fand ich natürlich, dass sie sich fast jede Nacht in meinem Bett an mich kuschelte. Ich hatte mich schon so daran gewöhnt, dass ich es mir gar nicht mehr anders vorstellen konnte. "Mensch, Marco, ich mache mir da echt langsam einen Kopf. Gestern habe ich mal versucht mit Jasi zu sprechen. Das kann wirklich nicht so weitergehen." "Und, was hat sie gesagt?" Paps hörte sich leicht genervt an "Lasse mich raten. Sie hatte mal wieder keine Zeit und musste dringend zu einer Besprechung."  Ja, Jasi nahm ihre Agentur wirklich ziemlich ernst. Manchmal tat mir Leo mega Leid, weil ihre Mom überhaupte keine Zeit für sie hatte. Ich konnte mir das überhaupt nicht vorstellen. Meine Mom würde für jeden von uns immer alles stehen lassen. Und Paps war da auch nicht anders. Die beiden stellten die Familie und uns Kinder immer über alles. "Ja, was sonst." Auch Mom hörte sich ziemlich sauer an "Ich verstehe das echt nicht. Wenn die beiden nicht mehr miteinander klar kommen, ist das eine Sache. Aber sich in der Arbeit zu vergraben, um sich dem nicht zu stellen, eine ganz andere. Noch dazu, wenn ich darüber meine Kinder total vergesse. Hast du denn versucht mit Roman zu reden?" Paps lachte kurz auf "Der hatte leider gerade überhaupt keine Zeit, weil er dringenst zu der kleinen Hexe ins Balletttraining musste. Wahrscheinlich musste er auch schnell noch ein paar Marshmallows besorgen." Er gab ein schnaubendes Grunzgeräusch von sich "Ich verstehe echt nicht, was mit dem passiert ist. Weißt du eigentlich, wie der Leo beim Training immer drillt? Nichts macht sie gut genug und am liebsten würde er mit ihr gleich ein Doppeltraining machen. Es ist echt ein Wunder, dass sie ihm nicht einfach schon die Torwarthandschuhe vor die Füße geworfen hat. Mensch, die Kleine ist wirklich richtig gut. Da ist das ganze Drillen überhaupt nicht nötig. Außerdem bringt man mit Spaß mehr Leistung. Ich bin nur zufrieden, dass ich noch Mili als Trainer mit dabei habe. Roman hätte uns wahrscheinlich schon alle Mädels mit seinem falschen Ehrgeiz vergrault. Die beiden haben sich echt so was von verändert." Ich konnte mir vorstellen, wie Paps gerade seinen Kopf schüttelte und sich durch die Haare fuhr. Das machte er nämlich immer. Das,was ich aber gerade gehört hatte, beunruhigte mich ziemlich. Quälte Roman mein Mädchen wirklich so? Wieso hatte mir Leo das noch nie erzählt oder sich über ihn bei mir beschwert? Klar wusste ich, dass sie immer ziemlich k.o. nach dem Training war, aber ich hatte ja nicht geahnt, dass Roman so übertrieb. Da musste man doch etwas gegen machen können. "Er hat mir letztens sogar ganz stolz erzählt, dass er schon Kontakt zur Nationalmannschaft aufgenommen hat. Die bauen wohl gerade so ein Leistungszentrum in irgend so einem Kaff auf. Mich würde es nicht wundern, wenn er Leo nächstes Jahr in die Schweiz verfrachtet ohne Rücksicht auf Verluste. Hauptsache Schweizer Nati." Meine Alarmglocken liefen gerade Amok. Was hatte Paps da gerade gesagt? Nein, nein, nein. Das durfte auf gar keinen Fall passieren. Leo und ich hatten doch schon alles gut geplant. Wieso sonst würde ich in Münster studieren und jeden Tag pendeln. Scheiße, was sollte ich denn jetzt machen? Ich musste recherchieren, ob ein Studienwechsel in die Schweiz zur Not auch möglich war. "Das kann er doch nicht einfach machen. Leo gehört nach Dortmund. Ich glaube kaum, dass sie hier weg will.", regte Mom sich auf. Ja, genau so sah ich das auch. Leo gehörte nach Dortmund und zu mir. Paps lachte wieder auf "Das interessiert den doch schon lange nicht mehr. Er hat ein Plan und der wird durchgezogen. Wie gesagt. Ich habe echt keinen Idee, was bei dem schief gelaufen ist." Irgendwie kam gerade ein ziemlich schlechtes Gewissen in mir hoch, weil ich die beiden belauscht hatte. Ich hatte schon mehr gehört als mir eigentlich lieb war. Obwohl, so konnte ich mich wenigstens auf einen eventuellen Umzug in die Schweiz vorbereiten. Die Frage war nur, ob ich Leo von dem Plan ihres Vaters erzählte und sie damit beunruhigte oder lieber abwartete und sie nicht schon wuschig machte. Vielleicht klappte das ja auch gar nicht. Was ich wirklich hoffte. Und dann war die ganze Aufregung völlig umsonst. Irgendwie war das eine echt blöde Situation. Vielleicht sollte ich mal mit Mom darüber sprechen. Okay, dann müsste ich zugeben, dass ich gelauscht hatte. Aber Mom hätte da garantiert Verständnis für und würde mir bestimmt einen Tipp geben können. Laut räuspernd lief ich los ins Wohnzimmer. "Ja hallo, mein Großer. Wie war denn heute die Fahrstunde?" Mom lächelte mich an als ich mich neben sie auf das Sofa setzte und mir Mariska aus ihrem Wipper nahm, der dort stand. Die Kleine gab einen kleinen Quietscher von sich und hielt sofort wieder meinen Finger umklammert. "Also irgendwie ist Mari bei dir immer total happy und relaxed." Papa schaute auf die Kleine in meinem Arm "Ist ja auch kein Wunder. Schließlich hat er sie auf die Welt geholt." Mom strich mir über den Rücken. "Jetzt erzähle aber, wie es gelaufen ist." Ich musste grinsen "Supi. Ich habe nicht einmal das Auto abgewürgt. Thomas war total zufrieden mit mir. Er meint, dass ich die Prüfung morgen schaffe, wenn ich das genau so mache." Ja, morgen hatte ich meine praktische Prüfung. Die theoretische hatte ich schon vor zwei Wochen bestanden.  "Na, aber klaro. Du bist doch ein Reus. ", lachte Paps "Dann gehe heute früh schlafen, damit du morgen fit bist und dann machst du deine Pappe." Früh ins Bett würde ich bestimmt gehen, aber wenn Leo da war, würde ich bestimmt nicht all zu früh schlafen. Wir mussten ja schließlich warten bis Paps seinen Kontrollgang abgeschlossen hatte, ehe sie sich zu mir schleichen konnte. Also das war auch eine Sache, die wir ihm wirklich mal ganz dringend abgewöhnen mussten. Die Frage war nur wie. "Wann musst du denn morgen los zur Prüfung?" "Um 10 Uhr habe ich Prüfung. Also muss ich um 8 Uhr in der Fahrschule sein." So ein bisschen ging mir ja schon die Flatter, schließlich hing ja auch ein wenig meine Zukunft an dem Führerschein. Obwohl nach dem, was ich vorhin gehört hatte, war das ja vielleicht hinfällig. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Nee, das durfte einfach nicht sein. "Mist, dann können wir ja früh gar nicht schon ein bisschen feiern." Paps zog eine Schnute. "Ist ja echt blöd, da habt ihr schon auf einem Samstag Geburtstag und dann können wir morgens noch nicht einmal die Torte anschneiden." Ja, das war Paps immer ziemlich wichtig. Der Geburtstagstisch und die Torte waren immer der erste Teil des Geburtstags. Und da gab er sich immer ganz viel Mühe mit. "Ach, Schnutzelchen." Mom warf ihm einen Luftkuss zu "Dann haben wir halt morgen erst später etwas zu feiern, dafür aber noch eine Sache mehr." Ein Grinsen erhellte sofort wieder Paps Gesicht "Da hast du Recht, Prinzessin. Dann lassen wir es halt mittags richtig knallen." Na, hoffentlich hatten sie damit recht und ich enttäuschte sie nicht, weil ich durchfiel. Ich spürte die Nervosität in mir hochkriechen "Sagt mal, wie war das noch mal...." Mir fielen gerade unendlich viele Fragen ein. Wieso hatte mir Thomas das nicht alles beigebracht? Mist, ich wusste viel zu wenig. Warum war ich überhaupt nicht richtig auf die Prüfung vorbereitet. Ich würde morgen sowas von durchfallen.