Kapitel 126

518 55 14
                                    


Ich schielte auf mein Handy. Seit heute morgen hatte ich keine Nachricht mehr von Leo bekommen. Seit sie vor fünf Tagen in die Schweiz musste, war unser Kontakt nur sporadisch. Das nervte mich ehrlich gesagt ganz schön. Bis jetzt hatten wir es gerade einmal geschafft zu telefonieren. Skypen war überhaupt nicht drin. Das war so blöd. Sie fehlte mir total. Was würde ich dafür geben, endlich einmal wieder ihr Gesicht zu sehen oder wenigstens ihre Stimme zu hören. Aber nein, dank Roman ging das ja nicht. Scheinbar hielt er sie sogar so auf Trab, dass sie kaum noch zum Schreiben kam. Hoffentlich dachte ihr Opa heute wenigstens daran ihr mein Weihnachtsgeschenk zu geben. "Ay, Alter, was betest du denn das Ding so an. Deine Süße wird sich schon noch melden. Jetzt komme lieber unsere Geschenke einsacken." Phil kam in mein Zimmer und zog mich mit sich. Als wir die Treppe herunter kamen, kam uns schon Tessa entgegen "Mensch, da seid ihr ja endlich." Was hatte sie denn nun schon wieder?  "Also jetzt wo wir vollzählig sind Abstimmung." Paps stand mitten im Wohnzimmer "Erst Geschenk oder erst futtern?" Er schaute uns alle der Reihe nach an "Erst futtern." Benny hüpfte vor ihm auf und ab "Ich habe schon den vollen Kohldampf." Paps grinste ihn  an "Wenn du nicht die ganze Zeit so herumzappeln würdest, würdest du auch nicht so viele Kalorien verbrennen." Benny schaute ihn empört an "Ich verbrenne überhaupt nicht so ein Zeug, du hast doch gesgat, wir dürfen nicht mit Feuer spielen. Ich bewege mich nur viel und habe deshalb Hunger." Stella fing an zu lachen "Das hat Papa doch gesagt." Benny schaute sie kurz verunsichert an, ehe er wieder grinste "Was gibt es denn?" "Bestimmt Gulasch, weil Papa den so gerne isst" Luna hakte sich bei ihrem Drilling unter. "Nee.", Tessa schüttelte den Kopf "Den macht morgen Oma Manu. Das habe ich gehört als Mom mit ihr telefoniert hat."  Maja fing an zu grinsen "Dann gibt es vielleicht Gans. Die gibt es bei Luca auch." Paps schüttelte den Kopf "Wir essen doch nicht das, was es bei dem Bauernschlumpf gibt. Bei uns gibt es Ente, nicht wahr Prinzessin." Er schaute zu meiner Mom, die erschrocken zusammenzuckte. "Wie jetzt Ente? Wir hatten doch gesagt, wir machen nichts aufwendiges." Alle schauten zu Mom, die sich am Hinterkopf kratzte. "Ich hatte doch extra auf den Einkaufszettel Kartoffelsalat und Würstchen geschrieben." Jetzt kratzte Paps sich am Hinterkopf "Ich dachte das sollte zu Silvester sein. Das wollte ich dann erst nach Weihnachten einkaufen." Tessa schnappte nach Luft "Heißt das, wir haben jetzt nichts zu essen?" Mom und Paps zuckten mit den Schultern. "Sieht wohl so aus." Ein kollektives Stöhnen ging durch die Runde. "Menschenskinder, dann fahren wir jetzt halt schnell zu Mecces und dann gibt es die Geschenke hinterher. Also auf geht's." Paps lief schon Richtung Garderobe "Lass' uns doch erst einmal googlen, ob die überhaupt auf haben." Ja, da hatte Mom recht. An Heilig Abend hatten ja die meisten Läden zu. Paps zog also sein Handy aus der Hosentasche und tippte daran herum, während ihn alle beobachteten. "Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass jede Burger Bude im Umkreis von 100 km zu hat.", empörte er sich plötzlich. "Was.", Benny schaute total erschrocken "Wir werden verhungern.", jammerte er los. "Nix, da. Hier verhungert überhaupt niemand." Mom kam zu mir und drückte mir Mariska in den Arm, die friedlich an ihrem Nuckel herumnuckelte.  "Schnutzelchen, komm wir schauen mal im Keller, was wir brauchbares da haben." Die beiden verschwanden durch die Kellertür und wir ließen uns alle auf den Sofas nieder. Was wohl Leo gerade machte? "Das kann doch echt nicht wahr sein, dass die Alten das Essen verplant haben." Phil schüttelte grinsend seinen Kopf "Na hoffentlich hat ihre Absprache bei den Geschenken besser geklappt." Meine kleinen Gesschwister schauten ihn total erschrocken an, als die Kellertür wieder aufging "Papa, stimmt es, dass wir auch keine Geschenke bekommen?" Luna rannte ihm entgegen "Wer erzählt denn solchen Kohl?" Sie zeigte auf Phil, der sofort seine Hände beschwichtigend hob "Ich habe nur gesagt, dass ich hoffe, dass ihr euch bei den Geschenken besser abgesprochen habt." Paps schaute ihn grimmig an "Pass mal auf, Klugscheißer noch so einen Spruch und deine Geschenke sind verpufft. Und jetzt gehe mal deiner Mom beim Tragen helfen." Ich schaute womit Paps beladen war. So wie es aussah, hatte er mehrer Dosen mit Würstchen in seinen Armen. Mom kam auch gearde gefolgt von Phil durch die Tür. "Joa, dann gibt es heute halt Würstchen mit Kartoffelpüree. Aber vorher gibt es erst einmal die Geschenke." Na das klang ja wahrlich nach einem Festessen. Aber ehrlich gesagt war mir das total egal, denn ich hatte sowieso keinen Hunger. Eigentlich wollte ich nichts weiter als die Stimme von meinem Mädchen hören. Aber ich konnte sie ja nicht einfach anrufen. Scheiß Roman. "Na, los komm." Phil zog mich am Arm ins Wohnzimmer. Mariska schlief mittlerweile seeelig in meinen Arm gekuschelt. "Gib mir mal die Kleine. Wir packen sie in ihren Wipper." Mom nahm sie mir ab "Du musst doch schließlich deine Geschenke auspacken können." Paps stellte sich vor den Weihnachtsbaum und fing an die Sachen vorzukramen und zu verteilen. Ich öffnete das erste Päckchen und hielt ein Freundschaftsband in der Hand "Das ist von mir. Das soll dir Glück bringen, wenn du dein Abitur machst und in der Fahrschule.", strahlte mich Luna an. "Mache das andere Paket auch auf.", Stella tippste unruhig von einem Bein zum anderen. Ich machte also auch das nächste Geschenk auf und hielt einen geflochtenen Schlüsselanhänger aus Segelleine in der Hand "Und gefällt er dir?" Meine kleine Schwester schaute mich unsicher an. Ich zog beide in meine Arme und bedankte mich "Wow, ein neues Laptop.", quietschte Maja los. "Dann kann ich viel cooler immer mit Luca skypen." Ich schaute zu Tessa, die auch strahlend den Karton ihrer neuen Spielkonsole anhimmelte "Voll geil. Und dann auch das neue Fifa." Mein Zwilling neben mir fing plötzlich an zu husten. Besorgt schaute ich zu ihm, während Paps ihm auf den Rücken klopfte "Na, überfordert, Großmaul?", zwinkerte er ihm zu. Wie meinte er denn das? "Mache mal die Kiste auf." Mom stupste mich in die Seite und hielt mir eine Geschenkkiste hin, während sie mich angrinste. Gehorsam öffnete ich sie und schaute auf ein Motorradmodell und einen Schlüssel. Was sollte das denn? Das Modell war doch wohl mehr etwas für Benny. Gerade als ich das sagen wollte, endeckte ich noch einen Zettel mit einem Foto. Darauf war ein tolles Motorrad abgebildet. Ich flog über die Worte daneben. Das konnte doch nicht sein. "Ihr seid doch irre.", hörte ich mich sagen. Mom grinste mich an "Nee, du und dein Bruder sollt nur unabhängig sein." Ich schaute zu Phil, der mich angrinste und mir seine Hand zum Einschlagen hinhielt. "Wir werden so geil auf dem Teil aussehen." War ja klar, dass das wieder das wichtigste für ihn war. Für mich bedeutete es aber wirklich, dass das Studium und Leo in greifbare Nähe gerückt waren. Man, wie gerne würde ich das gerade meinem Mädchen erzählen. "So, jetzt gibt es aber Futter." Paps klatschte in die Hände und alle stürmten in die Küche los. Gerade als ich auch los wollte, hielt Mom mich am Arm fest. "Hier ist noch etwas für dich. Packe es in Ruhe aus und dann kommst du nach." Sie reichte mir einen weiteren Geschenkkarton mit einer grosen roten Schleife darauf und zwinkerte mir noch einmal zu, ehe sie auch Richtung Küche verschwand. Ob der von Leo war? Ich spürte wie mein Herz sich beschleunigte als ich vorsichtig an dem Seidenband zog. Als ich den Deckel abnahm, lief es bereits Amok. Ich schaute in den Karton und sah einen kuscheligen kleinen Teddy. Als ich ihn herausnahm sah ich eine Kette mit einem Herzchen um seinen Hals blinken. Ich musste grinsen als ich darauf ein ineinander verschlungenes L und M entdeckte. Sofort machte ich die Kette ab und um meinen Hals. Den Teddy setzte ich wieder in den Karton. Der würde heute Abend sofort einen Platz in meinem Bett bekommen. Gerade als ich mich auf den weg in die Küche machen wollte, klingelte mein Smartphone und zeigte einen eingehenden Videoanruf von meinem Mädchen an. In meinem Bauch begann sofort ein Tabularasa und in meinem Gesicht zog sich das Grinsen einmal um meinen Kopf als ich das Gespräch schnell annahm. Endlich konnte ich mit meinem Mädchen sprechen und sie sehen. Das war das allerschönste Weihnachtsgeschenk überhaupt.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt