Kapitel 100

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Ich lief neben Leo den Schulgang entlang. "Man, das ist voll blöd, dass die Ferien jetzt schon wieder vorbei sind.", maulte mein Mädchen und zog eine Flappe. Irgendwie musste ich ihr da recht geben. Die letzten zwei Tage hatte es mir total gefehlt mit ihr im Arm einzuschlafen und auch wieder aufzuwachen. Die Ferien waren echt so genial gewesen. Besonders nachdem Roman mich noch gebeten hatte die ganze Zeit Leo zu flankieren. Besser hätte es echt nicht laufen können. Vor Leos Klasse angekommen, zog ich sie noch einmal in meine Arme und küsste sie. "Wir treffen uns nachher in der Pause an unserer Bank.", verabschiedete ich mich. Leo nickte. "Max.", hörte ich meine Lieblingsstimme, kaum dass ich ein paar Schritte entfernt war. Als ich mich umdrehte, schlangen sich auch schon ein paar Arme um meinen Hals und mein Mädchen küsste mich. Als wir uns wieder lösten, grinste sie mich an "So, jetzt halte ich die zwei Stunden bis zur Pause durch." Ich lief lachend weiter. Manchmal war Leo echt verrückt. Aber ehrlich gesagt war mir das total egal, so lange sie verrückt nach mir war. Als ich so den Gang zu meinem Kursraum langlief, wurde mir klar, dass ich diesen im nächsten Jahr nicht mehr nach den großen Ferien lang laufen würde. Also vorausgesetzt, dass ich das Abitur bestand. Und davon ging ich eigentlich aus. Bis jetzt sah ja alles gut aus. Das musste es auch, denn ich wollte Medizin studieren und da gab es ja einen Numerus Clausus. Die Frage war nur, wo ich studieren würde. Auf keinen Fall zu weit weg. Ich musste unbedingt in Leos Nähe bleiben. Wenn nicht würde ich eher etwas anderes studieren als soweit wegzugehen. Aber diese Überlegungen hatten ja auch noch Zeit. "Na Reus, du altes Blasshuhn. Bereit von mir siegen zu lernen?" Also der Idiot hatte mir in den Sommerferien auch nicht wirklich gefehlte. Und ehrlich gesagt hatten mir die paar Male mehr als gereicht an denen wir uns auf Ibiza über den Weg gelaufen waren. "Genau, Weidenfeller." Phil war neben uns aufgetaucht und lachte "Von dir kann man höchstens losen lernen." Glücklicherweise war der Idiot scheinbar abgelenkt und verschonte uns weiter mit seiner Anwesenheit. "Hallo, Süße. Kann ich dir helfen? Du scheinst hier neu zu sein.", textete er ein Mädel zu, dass ihn leicht eingeschüchtert anschaute. Die Kleine war höchstens in der siebenten oder achten Klasse und ehrlich gesagt hatte ich sie wirklich noch nie an unserer Schule gesehen. "Ähm...ähm....ich.....ich.", fing sie an zu stottern und ihr Gesicht war knallrot unter ihrem dunklen Lockenkopf angelaufen. Phil stieß mir seinen Ellenbogen in die Seite "Komm' lasse uns mal der Kleinen helfen. Der Arsch versaut ja den Ruf der Schule. Die denkt glatt wir sind hier alle solche geistigen Tiefflieger." Ich folgte ihm. Da hatte er nicht ganz unrecht. Obwohl bei meinem Zwilling war ich mir auch nicht ganz sicher, ob das nicht auch eine seiner Aufreißermaschen war. "Nee, keine Angst, die ist mir zu jung." Scheinbar konnte er wohl meine Gedanken wirklich lesen. "Ay, Weidenfeller, rück ab.", setzte er gerade an als jemand um die Ecke gehetzt kam "Mensch Lucy, du solltest doch auf mich warten." Ich musste grinsen. Das konnte doch nicht wahr sein. "Was macht ihr denn hier.", schaute uns der Freund meiner Schwester total verdutzt an, während besagte Lucy ihm um den Hals fiel "Ich hatte Angst zu spät zu kommen und dann habe ich mich verlaufen, Luca." Phil musterte Luca mit zusammengekniffenen Augen. "Ist klar, dass wir dir hier gerade nicht passen. Pass mal auf mein Freund, meine Schwester bescheißt du nicht." Phil ging bedrohlich auf Luca zu. So kannte ich meinen Zwilling eigentlich überhaupt nicht. Was war denn mit dem los? "Was willst du von meinem Bruder." Die Kleine ließ von ihrem Bruder ab und baute sich auch vor Phil auf. Das sah echt witzig aus, wie sie ihn mit in den Nacken gelegten Kopf anfunkelte. "Dein Bruder?" Phil schaute zwischen den beiden hin und her. Also sie hatten wirklich die gleichen dunklen lockigen Haare. "Hast du ein Problem damit?" So schüchtern sie eben noch gewirkt hatte, so fuhr sie jetzt ihre Krallen aus. Phil hob seine Arme "Alles gut, wenn er dein Bruder ist. Ich hätte nur etwas dagegen, wenn er meine Schwester verarscht." Das Mädel fing an zu grinsen und hielt Phil ihre Hand hin "Ich bin Lucy. Und wenn deine Schwester Maja heißt,  brauchst du keine Angst haben. Von der schwärmt er ständig." Ich schaute zu Luca, der knallrot angelaufen war "Vielen Dank, Schwesterchen.", brummte er dann aber doch. "Ich denke, ihr wohnt in Bochum. Warum geht ihr dann hier zur Schule?", versuchte ich die peinliche Situation etwas aufzulockern. "Weil wir der Schule zugeteilt wurden. Lag wohl daran, dass wir so spät erst umgemeldet wurden." Er zuckte mit den Schultern. "Ja, Paps ist fast explodiert, dass wir nach Dortmund müssen.", grinste Lucy "Aber Mom war es egal. Also macht sie immer den Fahrdienst." Die Kleine war echt schnell aufgetaut. "In welche Klasse geht ihr? Ihr seid doch bestimmt auch in der 9. wie Luca." Sie schaute uns neugierig an "Also ich bin gerade in die 8. gekommen." Naja theoretisch lag sie da gar nicht  so falsch, denn normalerweise wären wir ja wirklich gerade erst in der 10. Ich schüttelte den Kopf "Nee, wir sind in der 12. und machen dieses Jahr Abi. Aber meine Leo, Sascha und unsere Schwestern sind in der 9.", klärte ich sie auf. "So alt seht ihr noch gar nicht aus." Ich musste lachen. War das eigentlich in unserem Alter auch schon ein Kompliment? "Wir haben ja auch 3 Klassen übersprungen." Sofort schaute sie uns ehrfürchtig an "Wow, dann könnt ihr ja mehr als nur Brot essen. Aber für Luca sehe ich schwarz. Der bleibt garantiert wieder hängen, wenn er mit Maja in eine Klasse geht. Da ist der dann doch nur am Wegträumen. Schöner Mist, dann kommt der nächstes Jahr in meine Klasse. Das geht ja mal gar nicht." Luca hatte immer noch oder schon wieder eine ziemlich gesunde Gesichtsfarbe "Lucy, wir sollten jetzt in unsere Klassen. Oder willst du schon am ersten Schultag wieder zu spät kommen?" Als Antwort folgte sofort ein energisches Kopfschütteln "Zeigst du mir den Weg, Schlaumischlau?" Sie hakte sich bei mir unter und strahlte mich an. Luca schüttelte nur seinen Kopf. Ja, mit seiner Schwester hatte er es wohl nicht ganz so leicht. "Genau, bringe mal die Kleine weg und ich kümmere mich um Luca. Wir haben sowieso noch ein bisschen Gesprächsbedarf.", schaltete sich Phil ein. "Ay, ich bin nicht klein.", kam sofort der empörte Aufschrei neben mir. Ich musste schmunzeln. Ja, die Kleine hatte es wirklich in sich. Ich fragte mich aber, was Phil mit Luca besprechen wollte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Maja das Gespräch nicht gefallen würde. Aber mit Sicherheit würde sie sich über ihren neuen Mitschüler freuen. Und das freute mich für meine Schwester. So langsam freute ich mich doch auf mein letztes Schuljahr.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt