Kapitel 31

472 57 23
                                    


Mein Blick scannte die Umgebung. Vielleicht entdeckte ich ja irgendwo Max. Ich wollte ihm nämlich unbedingt noch Glück für sein Turnier wünschen und mir vielleicht noch einen kurzen oder viel lieber noch einen längeren Kuss klauen. Man war das super gewesen, als ich mit ihm im Stall meine Chemieklausur berichtigt hatte. Ich musste daran denken, wie ich jedes Mal zur Belohnung für eine richtige Antwort einen Kuss bekommen hatte. Hätte man diese Methode schon immer in der Schule angewandt, wäre ich mit Sicherheit auch eine Streberleiche geworden. Andererseits, wer wäre dann für die Belohnung verantwortlich gewesen. Garantiert nicht Max. Ich musste an unseren Chemielehrer denken, der einen dicken Bauch vor sich herschob und dessen Haare immer irgendwie ölig aussahen, ganz zu schweigen von seinem Mundgeruch, der in einem Umkreis von einem Meter zu riechen war. Nein, danke. Lieber doch keine Belohnung. Ich schüttelte mich angeekelt.  "Das stinkt hier echt gruselig, ne?" Tessa schaute mich angeekelt an und Maja hielt sich ihre Nase zu. "Aber auf der Tribüne wird es gleich besser.", versuchte sie mich zu trösten und zog mich weiter. Oh, da hatten sie mein Schütteln wohl falsch interpretiert. Außerdem fand ich überhaupt nicht, dass es hier stank. Dieser Geruch löste in mir eher ein wohliges Gefühl aus. Wir liefen also Richtung Tribüne weiter und ich suchte mit meinen Augen immer noch die Umgebung ab. "Man, wo hast du denn deine Augen?", murrte Tessa auf einmal. Ups, da war ich wohl so abgelenkt, dass ich ihr voll in die Hacken gelatscht war. "Huhu, wir sind hier oben." Marco winkte uns mit einer Hand kurz zu, ehe er weiter versuchte irgendetwas an der Hinterwand zu befestigen. Benny schaute ihm dabei zu. Wo waren denn Franzi, Stella und Luna? "Mensch Marco, kann man denn nicht einmal in Ruhe auf Toilette gehen, ohne dass du schon wieder Mist baust?", ertönte Franzis Stimme hinter uns. Im nächsten Moment schob sie sich auch schon an uns vorbei und sprintete die Treppe hoch. Wir folgten ihr genauso flott. "Mach das Ding aber ganz flott wieder ab.", meckerte sie ihren Mann an. Ich schaute, was sie meinte. Marco hatte ein Anfeuerungsplakat für Max angebracht. Das war doch toll. Warum sollte er das denn um Himmelswillen wieder abmachen? Das verstand ich nicht. Und er scheinbar auch nicht, denn er schaute seine Frau verständnislos an. "Was siehst du da unten?" Franzi deutete mit ihrer Hand in Richtung Reitplatz. "Ein Rechteck mit Sand und Buchstaben." Marco zuckte mit den Schultern. "Genau." Franzi schüttelte ihren Kopf "Das ist ein Parcour. Was bedeutet wir sind beim Reiten und nicht beim Fussball." Wieder zuckte er mit den Schultern und verzog das Gesicht "Ist mir schon klar, Weib. Sonst wäre da ja Rasen und zwei Tore. Dafür brauche ich jetzt nicht das Abi wie du, um das mitzuschneiden." 
"Sehr schön, dann weißt du ja eigentlich auch, dass die hier keine Banner wie beim Fussball akzeptieren. Also weg mit dem Ding, Schnutzelchen." Marco zog ein Schmollgesicht "Man, die sind doch hier total spießig und verkleistert im Hirn. Ich will doch nur meinen Sohn anfeuern." Empört rollte er sein Plakat wieder zusammen, während uns die Aufmerksamkeit der meisten Leute auf der Tribüne sicher war. Meine beiden Freundinnen ließen sich elefant auf die Sitze plumpsen, während ich immer noch versuchte Max irgendwo auszumachen. Verflixt, wo war er bloß? "Man, ich habe voll den Kohldampf.", meckerte Maja und klatschte mit ihren Händen auf die Schenkel. "Und hier gibt es nicht einmal eine ordentliche Stadionwurst.", knurrte Tessa sofort. "Achja, so eine Stadionwurst wäre schon etwas feines.", stöhnte Franzi genussvoll. "Prinzessin, was siehst du da unten?"Marco grinste seine Frau an, die sofort die Augen aufriss "Gibt es da Stadionwurst?" Franzi verrenkte sich den Kopf, während Marco noch breiter grinsend den Kopf schüttelte "Nö, da ist Sand und kein Gras. Kein Fussballplatz bedeutet keine Stadionwurst." Franzi boxte ihren Mann gegen den Arm, während sie ihr Gesicht verzog. "Mit so was macht man keine Witze." Ich schaute auf meine Uhr. Bald würde das Turnier losgehen. Ich rutschte auf meinem Sitz hin und her. Mir musste jetzt ganz schnell irgendetwas einfallen, damit ich noch zu Max in den Stall konnte. Ich konnte ja schlecht sagen, hört mal zu, ich gehe jetzt mal meinen Freund abknutschen. Wegen Papili mussten wir es ja vor allen geheim halten. Bestimmt hätte die gesamte Familie Reus damit kein Problem. Obwohl, bei meinen beiden Freundinnen war ich mir nicht so sicher, ob sie das cool finden würden. "Man, was bist du denn so am Rumzappeln? Musst du pinkeln, oder was?" Tessa schaute mich leicht genervt an. Danke! Ja, das war genau die Idee, die ich gebraucht hatte. Ich nickte also sofort. "Klo ist gleich da hinten um die Ecke, wo der Stall für die Stinkegäule ist." Sie verzog angewidert das Gesicht. "Genau, du musst nur dem Gestank von den Viehchern folgen, dann findest du es schon.", mischte sich auch Maja ein, als ich aufstand und die Stufen runtereilte. Hoffentlich fand ich Max auch noch. "Mensch, ein Glück, dass ich dich finde. Ich dachte schon ich muss dich von unseren Alten loseisen." Phil kam mir hinter der Tribüne entgegen und zog mich sofort Richtung Stall. "Max ist total am Durchdrehen. So nervös habe ich den noch nie erlebt. Sieh zu, dass du ihn irgendwie beruhigt bekommst, sonst steigt der noch verkehrt herum auf das Pferd." Phil zerrte mich förmlich in die Stallgasse, wo ich schon von weitem Nelly angemacht sah. Aber wo war Max? Ich scannte schnell den Stall ab, als ich ihn aus irgendeinem Raum kommen sah. Im nächsten Moment verschwand er wieder darin, um dann sofort wieder aufzutauchen und wieder zu verschwinden. "So geht das schon die ganze Zeit." Phil stupste mich an "Mach was." Er hatte seine Augenbrauen fast bis zum Scheitel angehoben als er mich auffordernd anschaute und in Max Richtung schob. Was sollte ich denn machen? Ich lief einfach zu ihm und hielt ihn an seinem Arm fest. Sofort drehte er sich mit aufgerissenen Augen zu mir. Manno, er hatte ja nie wirklich eine kräftige Gesichtsfarbe, aber heute sah er ja wirklich weißer als weiß aus. Ehe ich weiter nachdenken konnte, verselbstständigte sich mein Körper und ich schlang meine Arme um Max Hals und drückte meine Lippen auf seine. Man, das fühlte sich unheimlich gut an. Besonders als er seine Arme sofort auch um mich schlang und mich ganz fest an sich zog. "So, das reicht jetzt." Phil zog Max am Arm mit und drückte ihm die Zügel von Nelly in die Hand "Abmarsch auf den Platz." Max drehte sich im Weggehen noch einmal zu mir um. Ich zeigte ihm meine gedrückten Daumen "Viel Glück." Ein breites Grinsen war in seinem Gesicht aufgetaucht, als er Phil wieder die Zügel in die Hand drückte und noch einmal zu mir gerannt kam. Sofort drückte er seine Lippen auf meine. "Jetzt bin ich bereit.", drehte er sich wieder zu seinem Bruder und marschierte zusammen mit dem Pferd aus dem Stall. Ich lief schnell wieder zu der Tribüne. Schließlich wollte ich Max auf keinen Fall verpassen. "Mensch, da bist du ja endlich wieder. Ich dachte schon du bist ins Klo geplumpst.", grinste Tessa als ich mich wieder neben sie auf meinen Platz gleiten ließ. Plötzlich rümpfte sie die Nase "Boah, du stinkst voll nach Gaul. Ich habe doch gleich gesagt, das stinkt bis zu den Klos." Ich schnupperte kurz selbst an meinen Klamotten. Also ich konnte da nichts riechen. Ehe ich aber weiter darüber nachdenken konnte, ritt auch schon Max auf den Platz. Man, sah er toll aus in der weißen Reithose und der schwarzen Reitjacke und dem Zylinder. Mein Herz fing an ganz schnell in meiner Brust zu bummern. "Dieser Eimer auf dem Kopf ist doch total dämlich.", grunzte Marco "Der macht doch total die Frisur in Arsch." Die Leute vor uns drehten sich um und verzogen ihre Gesichter. Mir war das alles aber gerade total egal, denn ich hatte nur Augen für Max, während ich meine Daumen zerquetschte. Ich schaute zu wie Nelly anfing sich zu bewegen. Das sah total elegant aus. Max ritt mit ihr lauter Kreise und kreuz und quer hin und her. Das sah fast so aus, als würde Nelly tanzen. Irgendwann hielt er in der Mitte an und verbeugte sich, ehe er den Platz verließ. Menno, wieviele Reiter kamen denn noch? Ich kaute auf meinen Nägeln herum, während ein Reiter nach dem anderen erschien und wieder verschwand. Für meinen Geschmack ritt aber keiner so gut wie Max. Erleichtert atmete ich auf, als endlich der Sprecher verkündete, dass gleich die Wertung bekannt gegeben wurde. Natürlich artete auch das wieder in einem endlosen Gesabbel aus. Wen interesierte das denn schon. Mein Gehirn fing an abzuschalten als endlich die Platzierungen bekannt gegeben wurden. Mit jeden Namen wurde ich immer kribbeliger. Schließlich wusste ich wie wichtig das Turnier heute für Max war. "Und auf Platz 1 Maximilian Reus." Ehe mein Hirn das Ganze verarbeiten konnte, hüpfte auch schon Marco von seinem Platz, klopfte sich auf die Brust und brüllte "Mein Sohn." Dann hielt er uns allen die Hand  zum Einschlagen hin. Auch Maja und Tessa waren aufgesprungen und johlten als hätten sie ein Tor geschossen. "Hinsetzen, Schnutzelchen.", zischte Franzi und zog ihren Mann wieder auf seinen Platz, ehe sie auch meine Freundinnen warnend anschaute. Natürlich wurden wieder ein paar Nasen in unserer Umgebung gerümpft. "Scheiß arrogantes Pack.", knurrte Tessa neben mir "Ist ja wie auf dem Friedhof.", maulte auch Maja, was beiden sofort wieder einen weiteren warnenden Blick von ihrer Mutter einbrachte. Mir war das alles ehrlich gesagt total egal. Ich war einfach nur glücklich, dass Max gewonnen hatte. Vielleicht hatte ich ihm ja wirklich Glück gebracht. Auf alle Fälle würde ich unbedingt nach einer Gelegenheit suchen, um ihm einen Siegerkuss als Belohnung zu verpassen.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt