Kapitel 36

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Ich lief in die Sattellkammer und legte vorsichtshalber die Decke und den Gurt zurecht. Auf dem Weg zurück in den Stall machte ich noch einen kurzen Umweg über die Toilette. Am Waschbecken blieb ich kurz stehen und warf einen schnellen Blick in den Spiegel darüber. Okay, ich sah ganz brauchbar aus. Trotzdem fuhr ich mir noch einmal durch meine Haare. Das war dann doch etwas, was ich eindeutig von meinem Paps außer diesen rotblonden Flusen auf dem Kopf geerbt hatte. Was unsere Frisur anging, waren wir äußerst pingelig. Ich hörte eine Spülung. Na, toll. Ich brauchte garantiert keine Zuschauer, war mein erster Gedanke, als ich dann doch noch die eine oder andere Strähne versuchte perfekt in Form zu bringen. Perfekt war nämlich wichtig, weil gleich..."Na Digger, kommt gleich wieder deine Perle?" Meine Gedanken wurden nicht nur durch das Türknarren sondern sofort danach durch meinen Zwilling unterbrochen, der mich zur Seite schob, um seine Hände zu waschen. "Deine Löckchen sitzen perfekt." Klopfte er mir auf die Schulter, ehe er auch einen Blick in den Spiegel warf und sich durch seine Haare fuhr. Das musste wirklich genetisch bedingt und nicht anerzogen sein. "Ja, Leo kommt gleich.", grinste ich. Man, was ich mich schon auf mein Mädchen freute. Ich hatte heute auch etwas ganz besonderes geplant. "Unter dir ja wohl nicht. Oder habe ich was verpasst. Obwohl, nee. Das würde ich ja auf alle Fälle mitbekommen.", gackerte mein Bruder los. Man, war der mal wieder lustig. Aber was meinte er mit der Anspielung, er würde das auf alle Fälle mitbekommen. Was er mit dem anderen meinte, war mir schon klar. "Guck doch nicht so schockiert. Du weißt doch Bescheid über die besondere mentale Verbindung von Zwillingen. Oder willst du bestreiten, dass du jedesmal den Orgasmus spürst, wenn ich mein Vergnügen mit einem Mädel habe?" Was sollte das heißen? Erstens hatte ich da noch nie etwas von mitbekommen. Also entweder war meine mentale Verbindung in dem Bereich gestört, denn in anderen Bereichen gab es das schon. Als Zwilling hatte man oft die gleichen Gedanken und Gefühle wie die andere Hälfte. Oder aber mein Bruder hatte noch nie wirklich....ich schüttelte innerlich den Kopf. Der Gedanke alleine war ja schon bekloppt. Natürlich hatte er schon. Aber trotzdem nervte mich der Gedanke mit dieser Verbindung. Also nicht, dass ich nichts mitbekommen hatte. Das wäre ja voll ekelig. Innerlich schüttelte es mich. Aber noch viel schlimmer war es ja, dass ich dann immer wie unter Beobachtung war. "Mach nicht so ein entsetztes Gesicht.", gackerte er schon wieder "Das war ein Scherz. Wenn du Bock auf einen Dreier hast, musst du dir schon jemand anderen suchen oder dir einen BMW leihen.", zwinkerte er mir zu als wir zurück in den Stall liefen. Erleichtert atmete ich auf, als ich leise Schritte hinter mir hörte. Sofort drehte ich mich um und sah mein Mädchen auf mich zukommen. Man, sah sie heute wieder süß aus. Und dieses Lächeln mit diesen kleinen Grübchen in den Wangen. Ehe ich mich versah, schlang sie auch schon ihre Arme um meinen Hals und unsere Lippen trafen sich. Ja, seit wir unsere Küsse upgegradet hatten, konnten wir beide überhaupt nicht mehr genug davon bekommen. Es war echt blöd, dass wir uns immer verstecken mussten. Wie gerne würde ich in der Schule in der Pause mit Leo knutschen. Das wäre nicht nur gefühlsmäßig geil, sondern dann wüssten auch alle Kerle dort, dass sie schön ihre Finger von ihr zu lassen hatten. Irgendwann musste mir da echt was einfallen wie ich Roman überzeugen konnte, ohne dass ich ab da als Haremswächter qualifiziert war und Leo im Kloster landete. "Boah, nehmt euch ein Zimmer oder die Sattelkammer.", ertönte hinter uns die Stimme von Phil. Auch mit geschlossenen Augen wusste ich, dass er dämlich grinste und seine Augenbrauen tanzen ließ. Als sich Leos einer Arm von mir löste, öffnete ich doch meine Augen und schaute. Sie zeigte meinem Bruder den ausgestreckten Mittelfinger und unterbrach unseren Kuss aber nicht. Leider musste ich jetzt aber lachen und so war unsere Begrüßung dann doch erst einmal beendet. Ich legte meinen Arm um ihre Schulter und zog sie mit zu Nellys, die ich schon geputzt hatte und die uns in der Stallgasse schon erwartete. "Hallo meine Süße.", wurde sie auch sofort von Leo begrüßt, die ihr sanft über den Nüstern strich. "Soll ich das Putzzeug aus der Kammer holen?" wandte sie sich sofort an mich. Ich schüttelte den Kopf "Ich habe sie schon geputzt." Leo zog entäuscht eine Schnute und mein Herz fing an zu rasen, denn jetzt war es Zeit für meine Überraschung und ich hatte noch keinen Plan wie Leo darauf reagieren würde "Heute wird nicht geputzt, heute reitest du auf Nelly.", haute ich also raus. Plötzlich sah Leo nicht mehr freudig aus, sondern ängstlich. Mist, hatte ich ihre Fortschritte bei Nelly doch falsch eingeschätzt? "Nee, ich kann doch nicht alleine auf Nelly. Ich mache sie garantiert kaputt.", kam es zögerlich von ihr. Gut, dann hatte sie mehr Angst um das Pferd als um sich. Da konnte ich doch mit arbeiten. "Du musst auch nicht alleine, wenn du nicht willst." Sie riss ihre Augen auf und folgte mir in die Sattelkammer, wo ich die Decke und den Gurt holte. "Muss ich nicht?" Wieder schüttelte ich den Kopf und lief beladen zu meiner Stute zurück und fing an sie fertig zu machen. Leo beobachtete mich die ganze Zeit dabei. Als ich fertig war, setzte ich Leo einen Reithelm auf. Als ich den Kinnriemen richtig einstellte und schloss, kribbelten meine Finger jedes Mal, wenn ich sie berührte. "Ich gehe aber nichr  alleine auf ein Pferd. Auch nicht auf Nelly.", begehrte sie auf als ich meine Pferd am Zügel in der einen Hand und sie an der anderen Hand zur Reithalle führte. "Ich habe doch gesagt, musst du auch nicht. Wir reiten beide zusammen auf Nelly." Leo blieb abrupt stehen "Das geht nicht, das ist doch viel zu schwer." Ich musste grinsen. Es war toll, dass sie sich so Gedanken um mein Pferd machte. "Ist es nicht, glaube mir. So und jetzt rauf da auf den Podest." Glücklicherweise waren wir gerade bei der Aufstiegshilfe, die es im Stall gab angekommen. Ich schob Leo die Stufen hoch, während Nelly artig davor wartete. "Aber..." , fing sie schon wieder an zu diskutieren. "Bein rüber. Ich setze mich dann hinter dich und halte die Zügel, du musst also überhaupt keine Angst haben.", unterbrach ich sie schnell. Nicht ganz überzeugt, folgte sie meinen Anweisungen und saß keine Minute später, genau wie ich auf meiner Stute. Nelly lief sofort im Schritt los. Ich spürte wie sich Leos Rücken an meine Brust kuschelte, genau wie letztens beim Putzen. Das fühlte sich sowas von geil an. Am liebsten wollte ich die Augen schließen und nur genießen. Aber auch wenn Nelly absolut zuverlässig war, gingen geschlossene Augen in der Reithalle gar nicht. "Wow, das ist voll schön hier oben." Leo drehte ihren Kopf zu mir und strahlte mich an. "Ob du mir wohl das Reiten beibringen kannst? Ich möchte das auch lernen." Sofort durchströmte mich ein warmes kribbeliges Glücksgefühl. Leo wollte reiten lernen. "Na klar, kann ich das." Ich nahm ihre Hände und legte ihr die Zügel richtig in die Hand, ehe ich meine Hände vorsichtig darüber legte und anfing ihr ein paar Sachen zu erklären. Leo hörte mir total aufmerksam zu. Vor meinem inneren Auge sah ich uns schon gemeinsam in den Sonnenuntergang galoppieren. Das würde garantiert der absolute Wahnsinn.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt