Kapitel 18

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Ich hatte gesehen wie Leo ihr Gesicht schmerzhaft verzogen hatte und seitdem ihre Hand im Ärmel versteckte. "Das ist doch wohl nicht dein Ernst, dass du Dani verantwortlich machen willst, du Idiot." Jasi funkelte ihren Mann an "Er hätte sich sonst was tun können. Es wäre dein Job gewesen auf ihn aufzupassen." "Das ist ein Junge und du verhätschelst das Bürschli viel zu sehr." Alle um ihn herum schüttelten den Kopf "Wir reden von einem Dreijährigen. Du bist echt das letzte." Jasi drehte sich wutschnaubend um und lief mit Dani auf dem Arm davon. Während Roman nur voller Unverständnis seinen Kopf schüttelte "Vorsicht, Prinzessin. Nicht so dicht ans Feuer, sonst tust du dir weh." Er rannte zu Delphie, die ungefähr anderthalb Meter von den Flammen entfernt stand. Ich schaute zu Leo, die traurig hinter ihren Eltern herschaute.  "Du hast dir doch am Arm weh getan." Erschrocken drehte sich Leo zu mir. "Nee, alles bestens.", antwortete sie schnell. Ich griff vorsichtig nach ihrer Hand, trotzdem zuckte sie zusammen. Als ich den Ärmel beiseite schob, sah ich eine riesige stark gerötete Hautfläche. Das musste wie Hölle brennen. "Scheiße, wir müssen das sofort kühlen." Ich zog sie hinter mir her in die Küche und begann sofort den Tiefkühler nach Kühlakkus zu durchwühlen. Glücklicherweise gab es so etwas immer im Haushalt eines Sportlers. Nachdem ich fündig geworden war, wickelte ich noch schnell ein Papiertuch darum und legte den Akku auf die Brandverletzung. "Danke", kam es ganz leise von Leo. Irgendwie sah sie gerade aus als würde sie gleich weinen. Mist, was sollte ich denn dann machen? Ich konnte sie doch nicht einfach so in den Arm nehmen und trösten. Oder war das vielleicht meine Chance. Nein, ich wollte auf keinen  Fall, dass mein Mädchen traurig war. "Was macht ihr denn hier?" Mom kam in die Küche marschiert. Ein Blick auf den Kühlakku schien ihr wohl als Erklärung zu reichen. "Du hast dich doch verbrannt. Zeig mal her." Sie nahm den Akku beiseite "Menschenskinder, warum hast du denn nichts gesagt. Mit so etwas ist nicht zu spaßen." Leo schluchzte auf "Ich wollte nicht, dass Papili noch mehr mit Dani schimpft und sich mit Mama zofft. Ist ja auch meine Schuld. Ich hätte auf Dani aufpassen müssen." Sofort zog meine Mom Leo in ihre Arme. "Das kann ich verstehen, auch wenn das Verhalten von deinem Vater unmöglich ist. Das ist aber alles weder deine noch Danis Schuld. So, aber die Brandwunde muss richtig versorgt werden. Oder willst du da eine Narbe bekommen?" Leo schüttelte den Kopf. "Max.", wandte sich meine Mom an mich "Ich rufe jetzt ein Taxi und du fährst mit Leo ins Krankenhaus, damit da mal ein Arzt draufschaut." Ich nickte sofort. Klar, würde ich dort mit meinem Mädchen hinfahren. "Aber wenn Papa und Mama das mitbekommen, dann gibt es noch mehr Streit." Ich konnte Leo gut verstehen. Ich hätte es auch nicht gerne, wenn meine Eltern sich wegen mir zofften. "Da kümmere ich mich schon drum. Ich kläre das, dass du heute erst einmal bei uns schläfst. Dann merken sie es gar nicht. Obwohl ich es eigentlich nicht gut finde, es ihnen zu verschweigen. Aber ich kann dich verstehen." Mom ging kurz aus der Küche, um zu telefonieren. Leo stand nur da und starrte vor sich hin. Wie konnte ich ihr nur helfen? Ich schob sie zur Garderobe, wo sie dann doch nach ihrer Jacke fischte und sie anzog. Schnell griff ich mir auch meine. "So, das Taxi müsste gleich kommen." Meine Mom kam wieder zu uns "Hier hast du Geld und ihr meldet euch mal zwischen durch. Ist das klar?" Ich nickte. Natürlich würde ich meiner Mom sofort Bescheid geben, was der Arzt gesagt hatte. "Und mit dem Rest geht ihr nachher noch etwas Essen und wenn ihr Lust habt noch ins Kino. Ein bisschen Ablenkung kann nicht schaden." Ich schaute auf das Geld, das meine Mom mir in die Hand gedrückt hatte. Das war echt ziemlich großzügig. Sie zwinkerte mir im Vorbeigehen noch zu "Und passe gut auf Leo auf, mein Großer." Wie meinte sie denn das? Und warum zwinkerte sie? Außerdem würde ich auf Leo immer aufpassen. Als wir aus dem Haus kamen, wartete auch wirklich schon das Taxi auf uns. Ich öffnete Leo die Tür und ließ sie einsteigen, ehe ich auch auf der anderen Seite einstieg.  Die Fahrt mit dem Taxi schien ewig zu dauern. "Wir sind gleich da.", versuchte ich Leo zu beruhigen. Oder versuchte ich mich selbst zu beruhigen? Egal. Als das Taxi vor dem Krankenhaus hielt, zahlte ich schnell und sprang raus, damit ich Leo beim Aussteigen helfen konnte. Der Kühlakku war immernoch um ihre Hand gewickelt. "Leokardia Bürki, Verbrennungen zweiten Grades an der Hand. Wir haben schon gekühlt, aber da muss ganz schnell ein Arzt rauf gucken." Die Schwester an der Anmeldung musterte mich komisch, ehe sie zu Leo schaute. "Guckt dein Freund oft Krankenhausserien?" Was sollte denn die blöde Frage? Ich hatte nur alle wichtigen Infos mitgeteilt. Aber sie hielt mich für ihren Freund. Das gefiel mir gut. Ehe Leo oder ich etwas sagen konnte, grinste sie uns an "Na, dann setzt euch mal in den Warteraum. Ihr werdet aufgerufen. Heute ist aber Samstag, da ist viel zu tun. Ein echt schlechter Tag, um sich zu verletzen. Das kann echt dauern." Na, die war ja eine absolute Frohnatur. Als ob man sich aussuchte, wann man in die Notaufnahme musste. So nach dem Motto, ach nö, heute ist Samstag, da fasse ich mal nicht in die Flamme. Das hebe ich mir lieber für morgen auf. Heute ist mir zu viel los in der Notaufnahme. Was war das für ein Schwachsinn. Vielleicht sollte man sich telefonisch erst erkundigen, wie viel zu tun war, ehe man einen Unfall hatte. Ich lief kopfschüttelnd neben Leo in den Warteraum. Da saßen nur zwei Leute. Jetzt verstand ich die Alte noch weniger. Als ich zwei Stunden später immer noch hier saß, waren immerhin schon die anderen zwei verschwunden. Jede Stunde einer. Wenn es also in dem Rhythmus weiterging, waren wir in einer Stunde auch schon dran. "Leokardia Bürki Behandlungszimmer 4", knarzte es auf einmal aus dem Lautsprecher. Wow, dann hatten wir ja Glück. "Das ist wirklich gut, dass ihr gekommen seid. Dein Freund hat eine wirklich gute Erstversorgung gemacht." Der Arzt klopfte mir auf die Schulter. Klar freute ich mich über das Lob. Aber noch viel mehr freute es mich, dass er mich wieder für Leos Freund hielt. Ich schaute zu ihr, um zu sehen, wie sie darauf reagierte. Entweder sie hatte es gar nicht mitbekommen, oder es störte sie nicht. "So, du bekommst jetzt noch eine Salbe und einen Verband. Der muss dann täglich gewechselt werden und in einer Woche dürfte dann alles okay sein." Leo nickte nur. Sie war schon die ganze Zeit total still. "Schwester Marie zeigt dir, worauf du bei dem Verbandswechsel achten musst.", wandte er sich an mich, bevor er sich von uns verabschiedete.
"Und tut es noch doll weh?" Ich schaute Leo an als wir gerade aus dem Krankenhausausgang rausliefen. "Nö, ist schon okay." Irgendwie konnte ich ihr das nicht wirklich glauben.  "Sicher?" Leo schüttelte mit dem Kopf "Wenn Papili und Mama das mitbekommen, dann streiten sich gleich wieder. Ich will das nicht." Ich schaute sie an und sah, wie ihr eine Träne über die Wangen kullerte. Mist, was sollte ich denn jetzt machen? Meine Schwestern würde ich einfach in den Arm nehmen. Aber ich konnte doch Leo nicht einfach in den Arm nehmen. Während ich noch grübelte, verselbstständigte sich mein Körper und ich zog sie in den Arm und strich sanft über ihren Rücken. Manno, das fühlte sich aber ganz verflucht anders als bei Tessa und Maja an.  Alles kribbelte irgendwie.  Ich musste jetzt irgendetwas sagen, was sie ganz schnell tröstete. Aber was? "Meine Mom kriegt das schon geregelt, dass deine Eltern nichts mitbekommen. Ich habe doch eben mit ihr telefoniert. Sie versucht, dass du die ganze Woche bei uns wohnst."  Leo nahm den Kopf von meiner Schulter und schaute mich überrascht an "Echt?" Ich nickte. Ich hatte zwar keinen Plan, wie meine Mom das hinbekommen wollte, aber normalerweise klappte es immer, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Trotzdem schaute Leo immer noch traurig, auch wenn glücklicherweise keine Tränen mehr rollten. Ich musste mir noch irgendetwas anderes einfallen lassen, damit sie den ganzen Mist vergaß. Aber was? Ich überlegte. Was würde bei Tessa und Maja helfen, um ihre Laune zu heben. "Wollen wir zu Burger King was essen?" Schoss es mir aus dem Mund. Leo schaute mich verwundert an. "Klar, ein Burger wäre jetzt cool. Aber lasse uns zu Mecces gehen. Von in Flammen gegrilltem Fleisch habe ich heute genug." Und da war es wieder ihr wunderschönes Grinsen.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt