Kapitel 51

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Mein Puls wurde immer unruhiger. Ich schaute zu Herrn Weidemann, der durch die Klasse lief und die korrigierten Französischarbeiten zurückgab. Natürlich hatten wir gleich am zweiten Schultag die Arbeit schreiben müssen. Aber diesmal war ich dank Max Nachhilfe gut darauf vorbereitet gewesen. Jedenfalls hoffte ich das. Obwohl die Osterferien echt noch viel länger dauern hätten können. Oma Karin und Opa Martin waren noch bis gestern bei uns zu Besuch. Und das allertollste war, dass Papili und Mama sich seit Ostern noch nicht einmal gezofft hatten. Obwohl, nein das allertollste war eigentlich, dass Maja und Tessa jetzt auch über Max und mich Bescheid wussten. So mussten wir uns wenigsten in der Schule nicht mehr verstecken und konnten uns auch in den großen Pausen treffen und Händchenhalten und viel wichtiger ab und zu knutschen. Ich war total süchtig nach Max seinen Küssen. Meine beiden Freundinnen hatten sich wohl auch an den Anblick gewöhnt, denn sie kommentierten es kaum noch durch blöde Sprüche. Also eigentlich lief im Moment alles ziemlich rund. Ich schaute wieder zu Herrn Weidemann. Hoffentlich blieb das auch so, denn eine schlechte Note wäre mehr als unpassend und würde zu Hause wieder für ziemliche Unruhe sorgen. Und das brauchte ich ja mal gar nicht. Ich schaute gebannt auf den Stapel Hefte in seiner Hand, der immer kleiner wurde. Das war ein gutes Zeichen, denn er sortierte sie immer nach Noten, von der schlechtesten zur besten. Das war irgendwie so eine Macke von ihm. Normalerweise bekam ich mein Heft immer ziemlich früh. Also wenn nicht alle verkackt hatten, musste das doch ein super Zeichen sein. Gerade bekamen Tessa und Maja, die vor mir saßen, ihre Hefte nacheinander zurück. So, wie sie grinsten, konnte das keine schlechte Note sein.
"Sascha, du hast das wie immer sehr gut gemacht." Herr Weidemann lächelte meinen Cousin neben mir an als er ihm sein Heft überreichte. Ich schielte rüber als er das Heft aufschlug. Eine dicke, fette eins stand dort. Und Herr Weidemann hatte nur noch ein Heft in der Hand. Das musste meins sein. Das hieße dann ja, dass ich auch eine eins haben musste. Mir wurde ganz schwindelig vor Freude. Ich hatte echt die beste Arbeit dank Max geschrieben. Da würde sich Mama garantiert riesig freuen, wenn ich ihr die Arbeit zeigte. Und noch viel wichtiger, Max wäre bestimmt auch voll stolz auf mich. Ich konnte es gar nicht mehr erwarten das Heft von meinem Lehrer zu bekommen und aufzuschlagen. Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal eine eins, außer natürlich in Sport. Hatte ich überhaupt schon jemals eine eins? Egal, mein Herz puberte jedenfalls heftig, als Herr Weidemann zusammen mit dem Klingeln zum Ende der Stunde mir das Heft hinlegte und mich durchdringend anschaute. Ich riss sofort mein Heft auf und glaubte nicht, was ich da sah. Eine dicke, fette sechs. Das konnte doch gar nicht sein. Ich hatte doch so mit Max dafür gepaukt.  "Ich bin wirklich sehr enttäuscht von dir.", drang die Stimme meines Lehrers zu mir durch. Na mit Sicherheit nicht nur er, schoss es mir durch den Kopf. Aber wieso hatte ich so verkackt? Ich hatte doch alle Antworten gewusst. Jedenfalls hatte ich das geglaubt. Naja gut, ich hatte überall etwas hingeschrieben. Das konnte doch nicht alles falsch sein. Wenigstens eine Antwort müsste doch richtig sein und wenn es das Datum war. Dann wäre es doch wenigstens eine fünf. "Nicht nur, dass du eine schlechte Note bekommst, hast du damit auch Sascha in Schwierigkeiten gebracht." Ich schaute zu meinem Lehrer, der ziemlich sauer aussah. So ganz verstand ich das aber immer noch nicht "Eigentlich hätte ich Sascha auch eine sechs geben müssen, da er ja rein theoretisch auch bei dir abgeschrieben haben könnte. Glücklicherweise, weiß ich aber, dass das nicht der Fall ist, da er immer so gute Noten schreibt. Trotzdem setze ich euch bei der nächsten Arbeit auseinander, denn noch einmal kann ich da auch für dich kein Auge zu drücken." , wandte er sich an meinen Cousin, während ich immer noch unter Schock stand. Hatte er eben gesagt, ich hätte abgeschrieben? "Ich habe nicht abgeschrieben.", stotterte ich vor mich hin. "Ja, genau.", schüttelte Herr Weidemann den Kopf "Also bist du über die Ferien mal eben zum Französisch-Genie geworden. Wer soll das denn glauben. Ich bin echt von dir enttäuscht, Leokardia. Dann stehe doch wenigstens dazu. Oder willst du Sascha wirklich noch da mitreinziehen?" Ich schüttelte meinen Kopf. Natürlich wollte ich meinem Cousin nicht schaden. Aber ich hatte doch wirklich nicht abgeschrieben, sondern gelernt. Ganz toll. Dann konnte ich das blöde Lernen ja auch gleich sein lassen, wenn mir sowieso keiner glaubte. Ich spürte wie der Frust in mir hochkrabbelte. "Aber Herr Weidemann, Leo hat wirklich in den Ferien gepaukt.", hörte ich Tessa. "Ja, jeden Tag mit unserem Bruder Max.", mischte sich auch Maja ein. "Und Leo hat bei mir nicht abgeschrieben. Das geht ja gar nicht, weil wir beide Rechtshänder sind und dann wäre ja immer ihr Schreibarm davor.", verteidigte mich auch Sascha. Ich schaute zu Herrn Weidemann, der sich sein Kinn rieb. "Okay, deine Freunde setzen sich ja für dich ein. Dann gebe ich dir jetzt noch eine Chance mir zu beweisen, dass du das wirklich kannst. Gehe schon mal an die Tafel und ich suche in der Zwischenzeit eine Aufgabe heraus. Ihr anderen könnt schon in die Pause", wandte er sich an Tessa, Maja und Sascha. Verflucht, ich wollte auch in die Pause. Max wollte mich doch abholen. Trotzdem musste ich mich jetzt erst einmal konzentrieren, denn die Eins wollte ich unbedingt. "Können wir nicht bleiben?", Tessa schaute unseren Lehrer mit großen Augen an. "Wir sind auch mucksmäuschen still.", setzte Maja nach . "Von mir aus."Herr Weidemann hob seine Hand "So, wie ihr euch eingesetzt habt." Gerade kam Max durch die offene Tür und schaute sich verwundert um "Willst du auch hier bleiben und zugucken?", wurde er gleich leicht genervt von unserem Pauker gefragt. Ich konnte sehen, wie er sich eigentlich fragte, was hier los war, aber einfach nickte. "Na dann los. Wir wollen ja alle mal in die Pause." Da sprach er wahre Worte. "Konjugiere mir einfach das Verb aller." Er schaute mich an, als wüsste er, dass ich das garantiert nicht konnte. Ich schaute kurz zu Max, der grinste und mir zuzwinkerte. Mein Herz fing wieder an zu rasen. Ich musste an die Nachhilfe denken, wie er mir das auf meinen Arm geschrieben hatte mit seinen Fingern. Sofort fiel mir wieder alles ein und ich pinselte alles an die Tafel. Als ich fertig war, schaute ich erst zu Max, der sofort den Daumen in die Höhe reckte. Erleichtert schaute ich dann zu Herrn Weidemann, der mit offenem Mund da stand. "Okay, du kannst das wirklich." Er schüttelte seinen Kopf und fuhr sich mit seiner Hand über seinen kahlen Schädel "Dann habe ich dich zu Unrecht beschuldigt abgeschrieben zu haben." Immernoch sah er total baff aus "Natürlich bekommst du dann doch deine eins. Und ich entschuldige mich in aller Form bei dir für die falschen Anschuldigungen." Er griff einen roten Stift und korrigierte meine Note, ehe er mir mein Heft wieder zurückgab. Meine Freundinnen fingen an zu jubeln und kamen zu mir gerannt, um mich zu umarmen. Genau wie Max. "Ich bin mächtig stolz auf dich. Ich wusste doch, dass du das kannst. Jetzt gibt es aber erst einmal die Belohnung.", flüsterte er mir bei seiner Umarmung ins Ohr, ehe er mich küsste. Eine fette Gänsehaut rollte über mich. Max war stolz auf mich. Das war das allerwichtigste. Und er küsste mich zur Belohnung. Vielleicht sollte ich noch ganz viele Einsen schreiben. Nein, falsch. Nicht vielleicht, sondern ganz sicher sollte ich noch ganz viele Einsen schreiben. Bei der Belohnung.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt