Kapitel 37

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Ich schlüpfte schnell in meine Sporthose, bevor ich wieder in den Stall zurücklief. Glücklicherweise war Papili so mit seinem Trainerlehrgang beschäftigt, der begonnen hatte. Er bekam überhaupt nicht mit, dass Opi mich ständig von der Schule abholte. Nur an den Tagen an denen ich Training hatte, gab es keinen Opi-Minischnuten-Tag oder anders gesagt keine Freizeit mit Max im Stall. "Na dann, ab mit dir auf's Pferd." Max grinste mich an und drückte mir den Reithelm in die Hand, während er mit Nelly in die Reithalle losmarschierte. Erst hatte er mich ja ganz schön mit der Reitsache überrumpelt. Aber nachdem ich zusammen mit ihm auf Nelly geritten war, wollte ich das auch unbedingt alleine können. Das war wirklich so ein absolut tolles Gefühl dort oben zu sitzen. Es war fast wie schweben. Gestern Abend hatte ich extra noch ein paar Sachen gegoogelt. Max sollte doch sehen, dass ich mich für seinen Sport interessierte. Na ja eigentlich sollte er ehrlich gesagt viel mehr sehen, dass er für mich total wichtig war. Falsch, dass er das wichtigste überhaupt war. Als Nelly in der Mitte der Reithalle stehen blieb, wendete ich mich dem Sattel zu und arbeitete gewissenhaft die Liste in meinem Kopf ab, die ich mir dort gestern aus dem Internet zusammengestellt hatte. "Was machst du da?" Max schaute mich verwundert an "Na den Sattel nachgurten und die Steigbügel einstellen.", antwortete ich stolz über mein Fachwissen. Er beobachtete mich weiter, ehe er mich zu sich drehte und mir einen Kuss auf die Lippen hauchte "Einen Belohnungskuss für meine kleine Streberin.", grinste er. Mein Herz hüpfte einmal kurz in meiner Brust, als ich sah, wie er sich über mein Interesse freute. Ich schwang mich also wie Max es mir erklärt hatte in den Sattel. Heute sollte ich das erste Mal an der Longe traben. Ich war so aufgeregt....
"So, und jetzt versuchen wir den Trab.", hörte ich Max Stimme. Wieder versuchte ich alles was ich im Internet gelesen hatte in meinem Hirn vorzukramen. "Du machst das super." Mein Freund strahlte mich an. Für einen Moment war ich ganz von ihm gebannt. Er sah so toll aus wie er da mitten in der Reithalle mit seinen Reithosen und Reitstiefeln stand. Ich kam ein wenig ins Rutschen und quietschte kurz vor Schreck auf. Sofort verlangsamte Nelly ihr Tempo. "Alles okay?" Max schaute mich besorgt an. Ich nickte schnell. War ja schließlich meine eigene Schuld, wenn ich mich nicht richtig konzentrierte. Also bündelte ich wieder meine ganzen Gedanken auf das Pferd und was ich machen musste. Traben war erst einmal etwas anstrengender als Schritt, aber das würde ich packen.
"Mensch, da brat mir doch eener een Storch.", ertönte auf einmal Opis Stimme und riss mich aus meiner rosa Reitblase. "Meene Minischnute uff 'nem Jaul." Ich schaute zu Opi, der grinsend am Tor der Reithalle stand und mich beobachtete. Max hielt Nelly am Zaumzeug fest, während ich abstieg. Leider war unsere Zeit schon wieder um. "Mensch Junge, dit machste richtig jut mit meene Minischnute." Opi klopfte Max fest auf die Schulter. "Du bist schon der Richtige für sie." Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen schoss. Das war jetzt irgendwie peinlich, auch wenn Opi Recht hatte. Ich schielte unauffällig zu Max, der auch eine ziemlich gesunde Gesichtsfarbe hatte. Scheinbar ging es ihm genauso wie mir. "Ich gehe mich schnell umziehen.", versuchte ich mich also aus der Situation zu retten und rannte aus der Reithalle. Als ich aus der Toilette in den Stall kam, standen Opi und Max vor Nellys Box und unterhielten sich. Also besser gesagt Opi redete und Max hörte zu, so wie es aussah. Hoffentlich war es nicht wieder etwas peinliches. Ich spitzte meine Ohren, um noch etwas mit zu bekommen. "Und dit mit dem dickschädligen Schweizer kriegen wa och noch hin." Wieder klopfte er Max auf die Schulter. Sie hatten also wirklich über uns und Papili gesprochen. "Ach da ist ja meene Minischnute." Opi hatte mich entdeckt und zwinkerte mir zu "Ick jehe denn schon ma ins Auto, damit ihr euch noch ordentlich verabschieden könnt." Zum Abschied klopfte er Max schon wieder auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach draußen. Als ich Max gegenüber stand schlug ich meine Hände vor das Gesicht "War Opi sehr peinlich?" Max fing an zu grinsen und legte seine Hände um meine Taille "Nö, ich finde deinen Opa echt klasse. Ich meine, meine sind ja auch cool, aber deiner ist schon Extraklasse. Und jetzt werden wir mal seiner Anweisung folgen und uns ordentlich verabschieden." Ehe ich weiter darauf eingehen konnte, beugte er sich vor und begann mich zärtlich zu küssen. Ja, so ein ordentlicher Abschied war definitiv sehr wichtig....
"Na, da biste ja, meene Minischnute.", begrüßte mich Opa als ich mich dann doch etwas später auf den Beifahrersitz gleiten ließ. "Du sahst richtig schicke auf dem Jaul aus.", lachte er. "Aber sag ma wie sieht es denn jetzt an der Lernfront aus?" , fragte er dann doch ernst. Ich zuckte mit den Schultern "Ich übe jedes Mal mit Max, aber wir haben jetzt auch keine Klausuren geschrieben. Nächste Woche sind dann ja auch Osterferien." Ich freute mich schon riesig darauf nicht in die Schule zu müssen. Endlich ausschlafen und keine blöden Hausaufgaben. "Na, da muss ick aba mit deine Eltern verhandeln, dass wir beede jeden Tach wat machen können. Oma Dani is ja mit Dani und Delphie beschäftigt. Der verkoof ick dit schon, dit wir beede zusammen wat machen." Ich war mir echt nicht sicher, ob Opi Omi noch nichts von Max und mir erzählte hatte, denn eigentlich hatten die beiden nie Geheimnisse voreinander. "Omi wees nischt von euch beede. Die wäre doch sofort los und hätte deinem Alten die Leviten jelesen. Obwohl vielleicht wäre dit jar nich schlecht, damit dit rumjeeiere een Ende hat und ihr einfach jlücklich sein könnt." Ich schüttelte hektisch meinen Kopf "Das geht nicht. Papili ist gerade total im Stress mit dem Trainerlehrgang und Mama hat auch so viel um die Ohren, weil doch bald die Saison zu Ende ist und die neuen Verträge schon ausgehandelt werden müssen. Die beiden zoffen sich dann sofort." Ich musste daran denken, wie sie sich gestern Abend schon wieder gestritten hatten, weil Dani unbedingt bei Mami im Bett kuscheln wollte. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte Mama dann mit ihm im Gästezimmer geschlafen, damit Papilis geheiligte Bettruhe nicht gestört wurde. Ich hatte noch gehört, wie er gemeckert hatte, dass er seinen Schlaf brauchte, damit er für den Lehrgang fit war und er da keinen großen Jungen neben sich duldete, der ihn ständig mit seinen Beinen trat und aufweckte.
"Gab es schon wieder Zoff?", Opi schaute mich mitleidig an und fuhr mir mit seiner rechten Hand tröstend über den Arm, während er mit der linken weiter das Auto lenkte. Ich nickte. "Was war es diesmal? Wieder Dani?"
Wieder nickte ich. Ich konnte Papili da wirklich nicht verstehen. "Ach, meene Minischnute. Deine Eltern kriegen sich schon wieda ein. Wenn dein Alter erst mal seinen Schein und eene Ufgabe hat, denn hat er och keene Zeit mehr son Heckmeck zu machen. Gloob mir ma." Opi wirkte als wäre er sich da sicher. Vielleicht hatte er ja Recht. Seit Papili seine Karriere beendet hatte, hatte er ja wirklich nur noch den Haushalt und uns Kinder als Aufgabe, während Mama mit ihrer Agentur immer erfolgreicher wurde. Ich war da total stolz auf meine Mama. Aber vielleicht langweilte er sich ja wirklich und reagierte deshalb so über. Hoffentlich, denn dann würde garantiert alles besser, wenn er unsere Mädchenmannschaft trainierte. Ich würde mir jedenfalls ganz viel Mühe geben, dass er mit uns ganz viel Erfo,g hatte. Bestimmt war er dann wieder viel besser drauf.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt