Kapitel 107

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Irgendwie hatte ich das Gefühl als wären in der Zwischenzeit noch mehr Leute gekommen. Der Raum war echt voll. Überall standen kleine Grüppchen und unterhielten sich. "Mensch Marco, warum hast du denn nicht auch Manuel eingeladen? Der hat doch auch einen Sohn in dem Alter.", hörte ich Erik lachen. "Nee, der hat eine Tochter. Andrea ist definitiv weiblich." Marco schüttelte entschieden den Kopf. "Das ist aber sein Sohn. Die italienische Form von Andreas.", mischte sich auch Papili ein. Marco riss seine Augen auf " Immer diese Kack ausländischen Namen. Können die nicht so etwas wie Siegfried nehmen? Da weiß dann wenigstens jeder, was das ist. Wer kommt denn echt auf so eine dämliche Idee einen Jungen Andrea zu nennen?" "Die Schweizer.", fing Mili an zu gackern. Ja, irgendwie funktionierte sein Plan wohl nicht so richtig. Ich musste schmunzeln und lief weiter. Und da war der Moment, wo mir das Schmunzeln sofort wieder verging. Was machte denn diese Blaue Trude da schon wieder? Wieso klebte sie schon wieder an Max? Ich drehte mich kurz zu den Männern um. Na klasse, Papili lächelte mich sofort an. Dann hatte er mich garantiert im Blick und ich konnte da nicht eingreifen, ohne aufzufliegen. Ich knirrschte mit den Zähnen und lief trotzdem zu Max. Glücklicherweise stand Tessa da ja auch noch. Vielleicht sollte ich einfach mal ein Gespräch beginnen. "Na, ihr." Max zwinkerte mir sofort zu. Warum hakte diese Kackbratze sich gerade bei meinem Freund unter? Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ich würde am liebsten......."Na, ihr vier.", strahlte uns auf einmal Maja an, die mit Luca händchenhaltend angekommen war. Ja, das würde ich jetzt auch gerne mit meinem Freund machen. Umso knurriger wurde ich, dass diese dämliche Schleimkröte sich an ihm festkrallte "Sag mal hast du eigentlich keine eigenen Freunde.", schoss es mir ziemlich unfreundlich aus dem Mund. Klasse. Warum starrten die mich denn jetzt alle so an? Lucy schaute mich dagegen wie ein verschüchtertes Reh an. Seit wann war die verschüchtert? Und seit wann riss die nicht sofort ihre Klappe auf? "Naja, Lucy hat ein paar Probleme in ihrer Klasse." Wieso antwortete Luca für sie? Wahrscheinlich waren ihre Klassenkameraden von ihrer großen Klappe endgenervt. Wir hatten mit der Klasse mal Sport zusammen. Das waren alles so total aufgerüschte Prinzessinnen in Designerklamotten. "Was denn für Probleme?", stellte Maja genau die Frage, die mich auch beschäftigte.  Lucy starrte ihren Bruder sauer an "Ich habe keine Probleme." Luca schüttelte nur den Kopf "Klar hast du die. Oder warum hast du gestern zu Hause gesessen und geflennt?" Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass Lucy dazu überhaupt in der Lage war. "Habe ich gar nicht.", schnaubte sie wütend "Wer dich als Bruder hat, braucht auch keine Feinde mehr." Sauer stampfte sie davon. Ohoh, da war aber jemand wirklich sauer "Was hat sie denn nun für Probleme?" Ich konnte meine Neugier nicht länger zurückhalten "Ach naja, die Mädels in ihrer Klasse mobben sie halt, weil sie Fussball spielt und keine Modequeen ist." Vielleicht lag es aber eher an ihrem doch sehr anstrengenden Charakter. "Konntest du wieder deine Klappe nicht halten.", fauchte es plötzlich hinter mir. Luca zuckte erwischt zusammen "Ja, verflucht nochmal, die Weiber sind voll Scheiße. In Bayern waren die alle viel netter. Da hat es keinen gestört, dass ich Fussball spiele. Die haben mich nicht gleich als Lesbe beschimpft." Ich traute meinen Ohren nicht. Das konnte doch nicht wahr sein. "Wie jetzt, die Tussis drehen da deshalb am Rad?" Tessa schaute sie ungläubig an. Lucy nickte "Sie haben gesagt, wenn ich ihnen nicht zeige, dass ich einen Freund habe, dann bin ich eine Lesbe wie alle Fussballerinnen." Hatte sie sich deshalb so an Max rangeschmissen? "Und deshalb klebst du an unserem Bruder?" Danke, Maja für diese Frage. Lucy nickte und sah auf einmal ziemlich kleinlaut aus. "Deshalb bin ich in den Pausen auch immer bei euch. Sonst habe ich ja niemand." Tessa stampfte mit ihrem Fuss auf "Das ist doch voll Kacke. Ständig gibt es diese blöden Vorurteile gegen den Mädchenfussball. Mich haben letztens auch welche schräg angemacht." Das hatte ich gar nicht mitbekommen. "Wer kann denn schon was daafür, wenn die nicht einmal einen Freistoss von einem Elfer unterscheiden können." Lucy nickte sofort "Oder denken ein Fallrückzieher ist ein neues Kleidungsstück aus der neuesten Collektion von Arschi Van Darschi." Tessa fing an zu lachen und hielt ihr ihre Hand zum Einschlagen hin. "Haste Bock dir mal unseren Fussballplatz im Garten anzugucken und zwei, drei Bälle zu versenken?" Die Antwort war wieder ein wildes Kopf nicken "Aber das du im falschen Verein spielst, ist dir schon klar, oder?" Diskutierend zogen die beiden ab in den Garten. Okay. Ich robbte etwas dichter an Max heran. Wenigstens streiften sich unsere Hände. Mehr war hier erst einmal  nicht drin. "Wo ist denn Tessa?" Sascha hatte sich zu uns gesellt und schaute sich suchend um. "Im Garten mit Lucy kicken." Sofort nickte er "Dann gehe ich da auch einmal schauen." Vielleicht konnte ja mein Cousin das Problem mit dem Freund lösen. Obwohl ich das schon heftig fand. So etwas sollte eigentlich nicht nötig sein. Und selbst wenn sie lesbisch war, war das kein Grund sie zu mobben. Die Mädels da hatten doch einen Knall. Wenn wir sie bei uns ganz offiziell mit in der Clique aufnahmen, dann brauchte sie sich doch auch gar nicht mehr an Max krallen. Das war doch die Idee. "Ach schön, dass ihr hier gerade steht." Was war denn jetzt mit Marco? Ich fand das alles andere als schön, dass er jetzt hier ankam, denn das bedeutete, dass ich erst einmal wieder etwas auf Abstand zu Max gehen musste. "Sag mal Luca, auf welcher Position spielst du eigentlich?" Das Gesicht von Luca färbte sich leicht rötlich "Ähm, ich spiele im Mittelfeld, Herr Reus." "Du kannst mich ruhig Marco nennen.", wurde er sofort belehrt. "Gerne, Marco.", antwortete Luca höflich. "Und du spielst jetzt bei Bochum?" Luca nickte nur "Hast du denn schon einen Wechsel geplant?" Marco ließ nicht locker. Scheinbar hatte er sich damit abgefunden, dass Maja mit einem Goretzka zusammen war und interessierte sich für ihn. Das war doch echt klasse. Papili würde sich wahrscheinlich nie damit abfinden, wenn er wüsste, dass ich einen Freund hatte. Egal, wer es war. "Nein, ich habe ja gerade erst bei Bochum angefangen und bin von 1860 hier hergewechselt." Marco riss verwundert seine Augen auf "Was du hast nicht bei den Bauern gespielt?" Ein Kopfschütteln war die Antwort. Man konnte sehen, dass das Gespräch ihm nicht wirklich angenehm war, denn er trat von einem Bein auf das andere."Meine Mam ist 60erin." Marco fing an zu lachen "Na, wenigstens hast du einen vernünftigen Elternteil. Da lässt sich ja drauf aufbauen." Was meinte er denn damit schon wieder? "Also, wenn du zum BVB wechseln würdest, könntest du da garantiert eine richtig gute Förderung bekommen." 
"Vergiss es Reus. Wenn dann wechselt er zu mir in den Verein. Nicht wahr, Luca." Leon Goretzka stand auf einmal neben seinem Sohn und klopfte ihm auf die Schulter. "Also die BVB Akademie ist das Nonplusultra. Da gibt es keine Konkurrenz zu", pries Marco sofort weiter an. "An die Knappenschmiede kommt ihr nicht einmal in hundert Jahren ran." Das Battle war eröffnet. "Na, deswegen gibt es da Pommes auch nur in Tüten, weil eine Schale hälst du als Blauer sowieso nie in deinem Leben in den Händen." Das war echt spannend, wie bei einem Tennismatch. Unsere Köpfe gingen immer hin und her. Nur Luca sah nicht sehr glücklich aus. Kein Wunder. Schließlich ging es ja um ihn. "Schnutzelchen, könntest du mir mal bitte was zu essen holen?" Wo kam denn Supermom auf einmal her. "Schnutzelchen?" Lucas Vater fing lauthals an zu lachen, während Marco ziemlich zerknirrscht schaute."Ja, mein Krapfen. Ich habe auch Hunger, könntest du mir bitte auch etwas holen.", meldete sich auch Lucas Mutter zu Wort. Jetzt war es Marco, der lauthals lachte "Krapfen?" Er verschluckte sich fast an seiner Spucke. "Fresse, Schnutzelchen.", wurde er vom angesäuerten Krapfen angeknurrt. "Hopphopp." Beide Frauen klatschten in ihre Hände und schauten grinsend ihren sich trollenden Männern hinterher. "Und du lässt dich von keinem der beiden belabern. Du bleibst Bochumer und sorgst dafür, dass die wieder in die erste Liga kommen." Lucas Mutter zwinkerte ihrem Sohn zu "Das ist doch mal ein Wort.", grinste auch Franzi und hielt der anderen Frau ihre Hand zum Einschlagen hin. So wie es aussah, waren da wohl zwei Supermoms am Wirken. Schade, dass meine Mama nicht auch so war. Aber dafür war sie halt mit ihrer Agentur erfolgreich. Da war ich ja auch stolz drauf.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt