Kapitel 86

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Ich schaute aus dem Fenster zum Pool, wo gerade der Fotograf sein ganzes Equipment aufbaute. Heute war mal wieder Shooting für Moms Entwürfe. Das hieß dann auch wieder, dass wir daran glauben mussten. Richtig Spaß hatte ich nicht vor der Kamera herumzuturnen. Aber es gehörte zu Moms Konzept alle ihre Kinder als Testemonials einzusetzen. Sie glaubte, dass das viel authentischer war als irgendwelche Models. "Und was musst du heute präsentieren?" Phil war gerade ins Zimmer marschiert gekommen. Wenn ich ehrlich war, war es mir total egal. Hauptsache ich hatte den Mist bald hinter mir. Ich zuckte mit den Schultern. Woher sollte ich das auch wissen, Mom drückte einem immer spontan etwas in die Hand und dann musste man es halt anziehen. Glücklicherweise verzichtete sie ja auf diese Visagisten und beließ uns einfach in Natur. "Die Weiber gestern sind voll darauf abgefahren als ich ihnen erzählt habe, dass ich heute modelle." Phil grinste "Mit der einen treffe ich mich nachher noch am  Strand. Da komme ich bestimmt zum Schuss." Ich schüttelte meinen Kopf. Manchmal konnte ich echt nicht glauben, dass wir Zwillinge waren. "Hast du jetzt eigentlich schon mit Leo?" Er schaute mich erwartungsvoll an. Wieder schüttelte ich den Kopf "Nein, wir wollen noch warten." Phil fing an zu lachen "Es hat auch schon mal einer gewartet bis er tot war. Also auf was wollt ihr warten? Ihr hängt doch sowieso wie die Kletten aneinander." Was hieß hier Kletten? Wir liebten uns halt und wollten so viel wie möglich zusammen sein. Aber das eine hatte doch mit dem anderen nichts zu tun. "Wir wollen auf den richtigen Moment warten." Jetzt lachte er noch mehr. Was war denn daran so komisch? "Und wie soll der aussehen? Mit Kerzen, Rosenblättern und einem Geigenquintett?" Naja, bis auf das Geigenquintett hatte ich mir das in etwa so vorgestellt. Was war denn daran verkehrt? Schließlich sollte es doch für immer etwas besonderes für uns beide bleiben. Etwas woran wir uns noch erinnerten, wenn wir beide mit grauen Haaren in unserem Haus auf dem Sofa saßen. "So in etwa. Und auf alle Fälle ohne meine Eltern, die eine Etage höher schlafen und dann von uns geweckt werden." Bei dem Gedanken, dass sie etwas mitbekamen, gruselte es mich. Ich wollte schließlich nicht, dass Paps hereinplatzte, weil einer von uns zu laut stöhnte. Jedenfalls behaupteten doch immer alle, dass das ziemlich lautstark abging. Ich schaute leicht verunsichert zu meinem Bruder, der zu mir gekommen war und mir seinen Arm um die Schulter legte "Glaub doch diese Ammenmärchen nicht. Leo wird garantiert nicht die Hütte zusammenschreien und du nicht wie ein Elch grunzen. Das bleibt schon alles auf Zimmerlautstärke." Etwas erleichtert atmete ich auf. Das hatte mir schon ein wenig Kopfschmerzen bereitet. Ich hatte schon Angst, dass Leo mich dann peinlich fand. Aber wenn Phil sagte, dass das nicht so war, dann war das auch so. "Also falls du noch ein paar Fragen hast, kannst du zu mir kommen. Alles halb so schlimm. Musst nur ins kalte Wasser springen." Er stellte sich vor den Spiegel und fuhr noch einmal durch seine Haare, ehe er sich zu mir drehte "Und, bist du fertig?" Ich nickte und folgte ihm. "Da seid ihr beiden ja.", wurde wir sofort von Mom begrüßt, als wie ins Wohnzimmer kamen. "Hier Phil, die Shirts und Jeans sind für dich. Am besten ziehst du dazu die weißen Chucks an." Sie drückte meinem Zwilling Klamotten in die Hand "Na los, hoppihoppi. Umziehen.", schob sie ihn wieder Richtung Treppe. "Man, müssen wir das echt machen?" Tessa und Maja kamen ins Zimmer und zogen angewiderte Grimassen. "Du weißt, dass wir Kleider hassen.", meckerte Maja "Ja, das ist total seelische Grausamkeit.", maulte auch Tessa. "Gar nicht. Mamas Kleider sind voll schön.", mischte sich Stella ein und drehte sich in einem von meiner Mom entworfenen Kinderkleid. "Genau." Auch Luna drehte sich wie eine kleine Ballerina. "Was sagst du dazu, Leo?" Meine Schwestern schauten meine Freundin an und man konnte in ihren Augen lesen, dass sie eine ganz bestimmte Antwort erwarteten. "Ähm...naja...also, ich finde die Kleider voll schön.", druckste sie herum. "Seht ihr, Leo hat halt Geschmack.", stieg Mom sofort darauf ein. "Dann kann sie die Fummel ja auch zum Shooten tragen. Und nicht wir." Meine Mom schaute zwischen Maja und Tessa hin und her, während sie sich ans Kinn tippte. "Da habt ihr eigentlich recht. Sie sieht auch viel mehr nach einem Mädchen aus mit ihren langen lockigen Haaren. Wie sieht es aus? Hättest du Lust?" Mom schaute Leo an, die sofort grinsend nickte. Ehe sie auf einmal ein ernstes Gesicht machte "Aber ich weiß nicht, ob Papili und Mama damit einverstanden sind." Mom rieb sich wieder ihr Kinn "Da hast du recht. Wir brauchen ihre Genehmigung dafür. Maarcoo.", brüllte Mom nach meinem Dad, der auch sofort angerannt kam. "Was ist passiert, Prinzessin?" Er schaute Mom ganz nervös an. "Nichts schlimmes, Schnutzelchen. Kannst du Roman anrufen und fragen, ob Leo beim Shooting mitmachen darf. Und schicke ihm dann einen Dreizeiler per Mail, den er uns unterschreiben soll, damit das auch alles seine Ordnung hat, nicht dass uns noch irgendwelche Ämter auf den Kopf steigen. Da kannst du auch gleich reinschreiben, dass Leo dafür 200 Euro bekommt." "Was?", schrien meine Schwestern auf "Wir bekommen nie etwas" Paps fing an zu lachen "Euren Verdienst stecken wir in eure Ernährung oder anders gesagt, ihr fresst euren Lohn auf." "Boah.", beleidigt drehten die beiden sich um und liefen in den Garten. "Geht klar, Prinzessin. Ich kümmere mich darum." Paps ging zu Mom und drückte ihr einen Kuss auf den Mund, ehe er weiter ins Büro lief "Ach Leo, kommst du schnell mit?", rief er auf einmal nach meiner Freundin "Wir überzeugen deinen Alten schon zusammen." Am liebsten wäre ich jetzt auch mitgegangen, denn es interessierte mich schon, ob Leo auch beim Shooting mitmachte. Dann würde es gleich viel mehr Spaß machen. "Max, kannst du mir bitte draußen helfen das richtige Setting auszusuchen." Na, toll. Sonst konnte Mom das doch auch alleine. Leicht enttäuscht folgte ich ihr also zum Pool nach draußen. "Mensch jetzt gucke nicht so." Warum musste ihr das denn nun gleich wieder auffallen. Ich versuchte mich also wieder an einem neutralen Gesicht als ich ihr weiter folgt "Pete, wir haben da eine kleine Umstellung im Plan.", rief sie dem Fotografen zu, der sie abwartend anschaute "Ich hoffe, du bist flexibel." Er begann zu grinsen "Flexibel ist mein zweiter Vorname." "Na, dann ist ja perfekt.", lachte Mom "Wir shooten hier am Pool zu erst die Zwerge und dann meine Mädels. Zum Schluss noch Phil." Pete nickte "Ja, aber so war doch der Plan." Er schaute ziemlich verständnislos, während er an seiner Kamera etwas einstellte. "Stimmt, aber danach wechseln wir den Ort. Wir fahren zu einer Bucht hier gleich in der Nähe und shooten dort mit Leo und Max weiter." Pete klatschte in seine Hände "Leo? Ist das die kleine mit dem Lockenkopf?" Wieso hatte er sich so genau gemerkt, wie Leo aussah? Ich spürte eine gewisse Wut in mir aufsteigen. Das war mein Mädchen. "Ja, genau.", lachte Mom. Wieso lachte sie? Das war überhaupt nicht lustig. "Da habe ich eine voll geile Idee zu.", grinste er. Na, das wurde ja immer besser. Der Typ war mindestens ende Zwanzig, also steinalt. Der sollte keine geilen Ideen zu meiner Leo haben. "Was hälst du davon, wenn wir so eine Art Teenager Lovestory Fotoshooting mit den beiden machen. Das kommt bestimmt gut. So mit ein bisschen Romantik unter Palmen.", wandte er sich an Mom. Okay, vielleicht war seine geile Idee doch gar nicht so schlecht. "Obwohl, meinst du nicht, wir nehmen lieber Phil dazu. Der ist da extrovertierter." Halt, nix da. Ich konnte so was von extrovertiert sein, wenn es um Fotos zusammen mit Leo ging. "Nee, nee. Das kriegt Max schon hin. Nicht wahr Max?", Supermom drehte sich zu mir um und zwinkerte mir zu, während ich nur eifrig nickte. Und wie ich das hinbekommen würde. Die Fotos würden sowas von realistisch werden.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt