Kapitel 124

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Ich legte mich leicht außer Atem wieder neben Leo, die sich sofort mit ihrem Kopf an meine Schulter kuschelte. "Das sieht echt so schön aus." Sie deutete mit ihrem zierlichen Finger auf die Teelichter, die auf meinem Schreibtisch und auch auf meinem Nachttisch brannten. Vor meinem Bett lagen noch Rosenblätter verstreut. Ich war heute extra nach der Schule noch in dem Blumenladen vorbeigegangen, wo Paps immer die Blumen für Mom holte. Da wusste ich wenigstens, dass die immer rote Rosen da hatten. Naja, eigentlich hatten die sowieso nur Rosen. Denn darauf hatten sie sich spezialisiert. Ich hatte echt gestaunt, als ich dort welche gesehen hatte, die mindeatens 1,50 m lang waren. Das war echt der Wahnsinn. Irgendwann würde ich Leo so eine kaufen. "Du hast dir extra solche Mühe gegeben und ich hatte überhaupt keine Überraschung für dich." Mein Mädchen zog einen Schmollmund und kratzte mit ihrem Fingernagel ganz vorsichtig über meine nackte Brust. Man, das machte mich ja schon wieder ganz kribbelig. Außerdem sah ihr Schmollmund total süß aus. "Das wichtigste ist doch, dass du hier bei mir bist." Mir wurde schon ganz anders, wenn ich daran dachte, dass wir uns heute erst einmal das letzte Mal sahen, weil Leo morgen in die Schweiz fuhr. Mir war es ganz wichtig gewesen, dass sie eine besondere Erinnerung hatte, wenn wir uns schon unendliche zwei Wochen nicht sahen. Deshalb hatte ich es extra romantisch gemacht. Für später hatte ich auch noch eine weitere Überraschung für sie.  "Ach menno, du fehlst mir jetzt schon." Leo fing an meine Brust zu küssen "Ich will nicht in die blöde Schweiz." Ja, mein Mädchen fehlte mir jetzt auch schon, da konnte ich sie gut verstehen. Andererseits würde ich in den zwei Wochen auch nicht viel Zeit für sie haben. "Freust du dich schon auf dein Praktikum?" Leo schaute mich neugierig an. "Irgendwie schon. Ist bestimmt total interessant. Aber irgendwie habe ich auch totalen Schiss, dass ich irgendetwas falsch mache. Oder Schuld bin, dass jemand nicht rechtzeitig geholfen wird, weil ich dumm im Weg herum stehe." Seit ein paar Tagen zerbrach ich mir schon den Kopf darüber, wie das Praktikum wohl sein würde. Und je näher es rückte, desto nervöser wurde ich. Was erwartete Doktor Harderbrot wohl von mir? Also mit Sicherheit keine Operation am offenen Gehirn. Aber vielleicht, dass ich ihm etwas zureichte. Was, wenn ich ihm da etwas falsches gab. Oder wenn ich umkippte, weil ich kein Blut sehen konnte. Obwohl, das schloss ich eigentlich aus. Bis jetzt hatte ich damit noch nie Probleme. "Quatsch, du stehst nie im Weg herum und außerdem hast du eine totale Begabung für Medizin. Sonst hätte der Doc dir das niemals angeboten. Oder meinst du er rennt überall herum und versucht wild irgendwelche Jugendlichen zu rekrutieren, um die Bevölkerung von Dortmund auszurotten. Vieleicht heißt er ja eigentlich wirklich Frankenstein." Leo zog eine verängstigte Grimasse. Ich musste grinsen und schüttelte den Kopf. Da hatte sie sicher Recht. Ich beugte mich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze.  "Du wirst sehen, die werden dich gar nicht mehr aus dem Krankenhaus weglassen. Aber wehe, du bändelst mit so einer hübschen Krankenschwester an, während ich in der Bergeinöde festsitze." Sie hob drohend ihren Finger. "Ich habe so überhaupt keinen Bock darauf. Man, ich will hier bleiben. Bei dir. Kann ich nicht einfach krank werden und ins Krankenhaus müssen. Und du pflegst mich dann." Ich schüttelte den Kopf "Mit so etwas spaßt man nicht. Ich will, dass es dir gut geht." Leo verzog das Gesicht "Würde es ja, wenn du in meiner Nähe bist. Aber weist du wie weit weg die Schweiz ist. Fast so weit wie die Sonne. Jedenfalls gefühlt." Manchmal neigte mein Mädchen echt zu Übertreibungen, besonders wenn ihr etwas überhaupt nicht gefiel. "Aber dafür hast du mal ganz viel Zeit mit deiner Familie. Das ist doch auch toll." Auch, wenn ich sie mindestens genauso vermissen würde, versuchte ich ihr alles schmackhaft zu machen. "Ja, die Omis und Opis sind cool, aber Papili pampert doch sowieso die ganze Zeit nur Delphie und Mama ist entweder mit Dani oder ihrem Laptop oder Handy beschäftigt. Die würden doch gar nicht merken, wenn ich nicht dabei wäre." Sie fing an zu grinsen "Wollen wir das ausprobieren? Ich verstecke mich hier bei dir. Ich schwöre dir, die rufen erst an, wenn Oma Karin nach mir fragt." Ich schüttelte den Kopf. Das würde garantiert nicht passieren. Ich war mir sicher, dass Jasi Leo liebte und Roman vergötterte sie ja so, dass er ständig alles kontrollierte. "Weißt du, dass Papili heute schon wieder trara gemacht hat, weil ich noch zu dir zur Nachhilfe bin. Mama und er haben sich deshalb schon wieder fast in die Haare bekommen. Er war der Meinung, dass doch Ferien sind und ich da nichts lernen müsste. Ich habe dann einfach behauptet, dass wir gleich am zweiten Schultag einen Test schreiben. Mama hat dann sofort eingegriffen und ihn zusammengefaltet. Da Delphie wieder einen Auftritt hingelegt hat, konnten sie sich nicht zoffen." Leo schüttelte ihren Kopf "Weist du eigentlich wie sehr es mich schon gruselt, wenn sie sich da wieder ständig streiten? Und dann bist du nicht einmal da." Ich sah eine Träne ihre Wange hinunter rollen. Vorssichtig strich ich sie mit meiner Hand weg. "Egal wann, wenn du mich brauchst rufst du einfach an. Okay?" Sie nickte nachdenklich "Das ist aber nicht das G leiche." Da hatte sie recht "Dann skypen wir halt mehrmals am Tag." Das war doch eine gute Idee. Leo begann zu grinsen, ehe sie dann doch wieder ihr Gesicht verzog "Das geht ja auch nicht so einfach. Ich muss mich immer verstecken, weil wir so ein blödes Familienzimmer haben in dem blöden Hotel." Plötzlich fing sie doch wieder an zu grinsen "Aber ich frage mal Opi. Der hat bestimmt eine Idee." Neben uns auf dem Nachttisch fing Leos Handy an zu vibrieren. Sie griff danach und verzog das Gesicht "Ja, Papili.", meldete sie sich schnell. "Ja, ich komme bald. Wir müssen nur noch das eine Arbeitsblatt durchgehen." Leo verdrehte ihre Augen "Ja, ich bin in zehn Minuten da." Sauer warf sie das Handy auf das Deckbett "Ich muss mich jetzt anziehen und rüber, bevor er noch die Schweizer Garde schickt." Sie schlüpfte unter der Decke vor und griff sich ihre Klamotten, die vor dem Bett lagen. Ich folgte ihrem Beispiel und zog mich auch schnell an. "Man, ich will nicht von dir weg." Leo schlang ihre Arme um meinen Hals und schmiegte sich an mich. Dann war jetzt wohl wirklich der Moment für unseren Abschied gekommen. Also war es Zeit für meine Überraschung. Ich löste mich von Leo unnd lief schnell zu meinem Schreibtisch. Aus dem Schubfach holte ich einen großen bunten Umschlag. Leo war mir gefolgt und schaute neugierig, was ich da in meiner Hand hielt. "Schau mal, der ist für dich." Ich streckte ihn ihr entgegen. Sofort öffnete sie ihn und zog einen weiteren kleinen Umschlag heraus, den sie genau beäugte "Da steht ja ein Datum drauf." Ich nickte "Ja, da ist für jeden Tag, den du weg bist ein Umschlag drin. Du darfst ihn aber auch nur an dem Tag aufmachen." Leo grinste "Dann habe ich jeden Tag eine geheime Botschaft von dir." Ich musste lachen. Sie schaute gerade wirklich wie diese Kinder aus der Ü-Ei Werbung. "Das war der Sinn der Übung." Ich hoffte, dass ihr das gefiel. Ich hatte mich gestern hingesetzt und die alle geschrieben. Gut eigentlich stand überall dasselbe drin, nämlich dass ich sie liebte und unendlich vermisste. Nur die Formulierung war jedes Mal anders. "Und du hälst dich immer an das Datum." Ich schaute sie ernst an "Jaaaaa.", kam es grinsend zurück. Und dann wurde ich auch schon wieder liebevoll geküsst. "So, jetzt muss ich aber los, bevor der wieder frei dreht.", schmollte sie mich an und presste den großen bunten Umschlag an ihre Brust. Sie drehte sich noch einmal zu mir und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen, ehe sie aus der Tür verschwand. Ich ließ mich auf mein Bett plumpsen. Dann war sie jetzt für eine unendliche Zeit weg. Scheiße, ich vermisste mein Mädchen jetzt schon.

Kein Schuss, trotzdem ein Treffer  ✔Teil 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt