Kapitel 91: Alptraum auf Station

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Ramonas Sicht:

Irgendwann bin ich doch eingeschlafen. Als morgens um 4 der Wecker klingelte war ich völlig zerschlagen. Ich machte ihn schnell aus und blickte neben mich. Auch Frederik schlief, bewegte sich aber im Schlaf ziemlich unruhig hin und her. Wer konnte es ihm verdenken. Ich ließ ihn schlafen, ging schnell duschen, schnappte mir die restlichen Brote und machte mich auf den Weg zur Klinik. Kaum war ich auf Station angekommen stürmte ich zur Schwesternkanzel. "Wann kommt Urs heute?" "Morgen erstmal." Selvia und Linda lächelten mich an. "Wie? Achso, Morgen. Wann kommt Urs heute?", wiederholte ich meine Frage. "Um 9". Linda sah mich an. "Ist alles ok?" "Nein, aber ich möchte nicht drüber reden. "Ok." Sie sah mich groß an.

Selvia nahm sich einen Kaffee und kam dann auf mich zu. "Wie gehts Frederik? Ist er krank? Er war gestern so plötzlich verschwunden." Innerlich stöhnte ich auf. "Ja er ist krank, es geht ihm nicht gut. Entschuldigt mich bitte." Die beiden sahen sich verwundert an. "Was war das denn?", fragt Linda Selvia verblüfft. "Keine Ahnung."  Ich schenkte den beiden  keine Beachtung mehr und machte mich auf den Weg ins Arztzimmer. Den ganzen Morgen war ich nur halbwegs bei der Sache, ich fieberte auf Urs'  Ankunft hin. Himmel, verging die Zeit denn gar nicht? Der Minutenzeiger der Uhr kroch nur so dahin. Zwischendurch rief ich Frederik an um zu hören wie es ihm ging.

Er hielt sich wacker auch wenn es ihm natürlich scheisse ging. Kaum war Urs da stürmte ich ohne anzuklopfen in sein Büro. Er  hatte sich gerade an den Schreibtisch gesetzt und zuckte zusammen als ich herein platzte. "Ramona." "Urs, Frederik würde sowas niemals tun! Du kennst ihn doch!" "Guten Morgen erstmal." Er wurde ernst und seufzte. "Entschuldige. Guten Morgen."

"Ramona das ist eine ganz schwierige Situation..." Ich unterbrach ihn. "Er würde so etwas nie tun Urs, Du kennst ihn doch!!!" "Ramona ich verstehe dass du aufgeregt bist, aber lass mich bitte aussprechen." "Ok, entschuldige." "Setz dich!" Er wies auf die Stühle vor dem Schreibtisch. "Ich verstehe dass das für euch eine schwierige Situation ist." "Nicht für mich, für Freddy! Er hat es nicht getan!" Ich setzte mich hin. Urs sah mich an. "Ramona ich kenne Frederik jetzt seit 3 Jahren, und ich kann mir das ehrlich gesagt auch kaum vorstellen." Erleichtert sah ich ihn an.

"Aber mir sind da die Hände gebunden, die Frau hat Anzeige erstattet und da haben wir klare Richtlinien. Die beiden dürfen sich erstens nicht weiter über den Weg laufen. Das geschieht zum Schutz vom potentiellen Opfer...." Ich sprang auf. "Aber auch zum Schutz von Frederik." Er sah mich eindringlich an. "Wenn das wirklich nicht wahr sein sollte, was ich auch hoffe, dann wird er so geschützt damit die Frau ihm nicht noch mehr Schwierigkeiten machen kann, sieh es mal von DER Seite. Ich kenne Frederik gut und es fällt mir wirklich schwer zu glauben dass er das getan haben soll und ich stehe hinter ihm bis das Gegenteil bewiesen sein sollte. Das kannst Du ihm auch nochmal sagen, gestern hat er das nicht so aufgefasst. Ich werde nachher auch nochmal mit ihm telefonieren. Aber mir sind die Hände gebunden, auch weil der Ruf der Klinik auf dem Spiel steht. Ich habe beim Klinikchef ganz klar für ihn gesprochen, aber Ich kann hier niemanden arbeiten lassen der im Verdacht steht jemanden sexuell missbraucht zu haben. Erst muss er rehabilitiert sein."

Ich sagte nichts mehr und blickte Urs finster an. Klar konnte ich verstehen warum er so handeln musste, aber es handelte sich um meinen Freund, ich konnte da nicht objektiv bleiben. Die ganze Zeit musste ich daran denken wie scheisse es ihm nun ging und was in Zukunft werden würde. "Ramona, es wird sich alles bald aufklären, es gab eine gynäkologische Untersuchung bei der Frau und die möglichen Spuren werden von der Kripo labortechnisch untersucht. Wir werden bald Bescheid wissen was Sache ist." "Ok." Ich nickte und verließ das Zimmer.

War das eine Scheisse, echt! Ich fluchte. Dann kam mir wieder in den Sinn was Urs gesagt hatte. Es wurden Spuren gefunden...Was denn für Spuren? Ich hatte echt ein scheiss Gefühl von der ganzen Situation. Was war bloß passiert? Noch vor ein paar Tagen war unser Leben in Ordnung gewesen und wir schwebten im Glück. Mein Leben war in Ordnung gewesen. Das erste Mal in meinem Leben. Und jetzt das. Ich konnte nicht anders und musste heulen. Schnell lief ich ins Arztzimmer damit mich niemand sah. Was für Spuren? Das machte mich bald wahnsinnig. Aber nein, er konnte es nicht getan haben, er war so fertig gewesen. Und ich kannte ihn doch! Scheisse man! Wieder bekam ich ein schlechtes Gewissen dass ich überhaupt nur wagte ansatzweise sowas Schlimmes zu denken, ich liebte ihn doch! Gott, bitte las dass alles bald ein Ende haben, betete ich. Lass das möglichste schnell aufgeklärt sein und lass Freddy rehabilitiert werden. Mich schüttelte es jetzt richtig. Freddy ich liebe dich, dachte ich. Ich liebe dich und stehe dir bei bis rauskommt was Sache ist.

Die Tür ging auf und Urs kam rein. Als er sah was los war blieb er erschrocken stehen. "Ich....äh, ich......." , stammelte er. "Ich wollte mir eine Übersicht über Frederiks Arztberichte verschaffen. Gregor und ich werden sie übernehmen. Ich komme später wieder." Er drehte sich um und wollte gehen. "Nein, ist schon ok", schniefte ich. Mitfühlend kam er auf mich zu und nahm mich in den Arm. "Scheiss Situation, nicht?", fragte er. "Gerade für dich." "Ja", schniefte ich und musste wieder heulen. "Ist schon gut, das wird schon wieder", versuchte er mich zu trösten. Ich schnaubte auf. Ja, schon klar...es wird schon wieder...!!! Kotz!!! Würg!!! Als ich mich ansatzweise gefangen hatte ließ er mich los und setzte sich an den Computer. Ich ging aufs Klo, wusch mir das Gesicht und dann machte ich mich im Pausenraum an die Patientendokumentation. Ich musste mich irgendwie ablenken.... 

Linda kam herein und nahm sich einen Kaffee. "Hast du das schon mitbekommen, gestern war die Polizei hier und hat unseren gesamten Müll mitgenommen?" "Was?!" Ich sah sie an. "Alles ok mit Dir? Du siehst aus als hättest Du geweint." Sie sah mich besorgt an. Ich seufzte. "Nein, ist es nicht, aber das  gehört nicht hierher." "Ok." "Also was war das jetzt mit dem Müll?" "Ja, die haben hier auf Station den kompletten Müll mitgenommen. Auf anderen Stationen auch, ich war vorhin im Labor und Nathalie von der Dermatologie war auch da und redete davon." Ich war verwirrt. Was glaubten sie wohl im Müll zu finden? Mir wurde das echt gerade zu viel. "Vielleicht wieder irgendein Fall von Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom oder häuslicher Gewalt bei einem Patienten oder so", versuchte ich schnell was zurecht zu spinnen. "Aber dafür den kompletten Müll durchsuchen? Von allen Stationen?" Linda sah mich skeptisch an. "Linda ich hab keine Ahnung warum sie das gemacht haben." Ich tat so als würde ich mich wieder meinen Akten widmen. "Ok, ich bin wieder vorne." "Ja, ist gut." Linda verschwand und ich versuchte tief durchzuatmen und wenigstens ansatzweise die Ruhe zu behalten. Ich machte drei Kreuze als der scheiss Dienst endlich vorbei war und ich verschwinden konnte. Draussen fiel eine Last von mir ab, das war echt unerträglich gewesen heute.

Neue Stadt neues Glück? Frederik Seehauser FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt