{81. Kapitel}

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Was würde die Dunkelheit erzählen, wenn sie sprechen könnte?

Was flüstert der Tod einem ins Ohr, wenn er dabei war einen mit sich zu nehmen?

Mit einem Schlag wurde alles ausgelöscht wofür ich gekämpft hatte. Es wurde still. Kein Laut schaffte es durch den trüben Schleier, der sich über mich gelegt hatte.

Und das obwohl unzählige Einsatzkräfte des SWAT Teams dabei waren meine Wohnung zu stürmen. Die Tür wurde aus den Angeln gerissen und Mobiliar zerstört. Sie warfen sich auf Hunter. Er ging zu Boden. "NEIN. LOUIS. LASS NICHT ZU, DASS SIE MICH TÖTEN!" Er schrie um sein Leben. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Ich sah die Angst, aber ich fühlte sie nicht. Die Venen an seinem Hals schimmerten dunkelrot durch seine Haut hindurch. Man sah sie pulsieren. Wie eine topografische Karte zeigten sie den Weg, den sein Blut nahm.

„Du hast mir dein Wort gegeben!" Seine graublauen Augen waren auf mich gerichtet. „Ich will nicht sterben!" Polizeihunde sprangen auf Hufflepuff. Bellend attackierten sie ihn. Der riesige Alaskan Malamute wich verängstigt zurück. Sie trieben ihn in eine Ecke des Raumes. Winselnd blickte Hufflepuff sich hilfesuchend nach seinem Herrchen um. Aber dieser konnte ihm nicht helfen. Keiner konnte irgendjemanden helfen.

Es waren Szenarien die einem das Herz zerrissen. „Lasst meinen Hund in Ruhe!" rief Hunter. „Er kann nichts für meine Taten!" Der Amerikaner wurde durch die Kraft von vier Beamten ruhig gehalten. Ein Fünfter legte ihm Fesseln an und weitere zwei hielten ihre Waffen bereit.

Doch ich nahm davon nichts mehr wahr. Ich war gefangen. Gefangen in meiner eigenen traurigen Tragödie.

„Harry!" Vollkommen von jeglichem Gefühl verlassen, sank ich auf meine Knie. Tränen liefen mir in Strömen über die Wangen und ließen meine Sicht verschwimmen. Ich schlucke, doch meine Kehle war staubtrocken. "Harry", sprach ich immer wieder leise vor mich hin, wie als müsste ich mir ständig in Erinnerung rufen, dass es wirklich er war, der leblos vor mir lag. Der emotionale Schmerz brachte mich zum durchdrehen. Es war diese Art von Schmerz, die einen lähmte. Gnadenlos und unerbittlich. Mein Herz schlug schwer in meiner Brust. Mein Magen verkrampfte sich. Kein Atemzug wollte mir gelingen. Ich drohte zu ersticken.

Mein Kopf war schwer wie Blei, als ich ihn auf Harrys Brust sinken ließ. Panisch klammerte ich mich an seinem Oberkörper fest. Meine Tränen durchnässten sein Hemd. Meine, vor Schock verkrampften Finger strichen zittrig über seine Silhouette. Ich tastete seine Seite entlang, als ich eine deutliche Polsterung erfühlte.

Ich öffnete meine Augen und starrte ins Nichts. War es Tag? War es Nacht? Ich wusste es nicht. Mein Verstand nahm benommen seine Arbeit wieder auf. Wortfragmente formierten sich langsam zu vollständigen Gedanken. So riss ich schlagartig mein Haupt empor, um Harrys Gesicht in Augenschein zu nehmen. Seinen Wangen waren durch die vergangen Strapazen immer noch knöchrig und eingefallen. Ich ließ meinen Blick durch den von Polizisten und Wachhunden gefluteten Raum wandern. Ich sah die Beamten an. Ich musterte ihre schwere Einsatzkleidung, als ich mich ruckartig aufsetzte.

Ich fasste an Harrys Hemd. Mit meiner letzten Kraft riss ich so fest daran, sodass die Köpfe zu allen Seiten hin absprangen. „Bitte, Bitte, bitte," flehte ich. Ich schob das zerfetzte Hemd zur Seite.

Sofort sprang mir der Schriftzug „SWAT" ins Auge. Denn nicht Harrys nackte Haut offenbarte sich mir, sondern der Stoff der schweren Kevlar Schutzweste. Ich wischte die salzigen Tränen von meinen Lippen und öffnete hastig den Klettverschluss der schusssicheren Weste. Eilig und dennoch auf Vorsicht bedacht, hob ich sie von Harrys Oberkörper.

Sein Brustkorb war dabei sich bläulich zu verfärben. Der immense Aufprall hatte ihm die Rippen gebrochen und ihm das Bewusstsein genommen. Aber ich sah kein Blut. Meine erkalten Finger ertasteten hochkonzentriert seine Haut. Ich sah, noch fühlte ich, eine Eintrittswunde. Die Kugel war in der Weste stecken geblieben. Meine Tränen vermehrten sich schlagartig. Doch diesmal nicht aus Trauer.

Meine Finger wanderten zu Harrys Gesicht. Fürsorglich strich ich ihm die Haare aus dem Gesicht. „Bitte öffne deine Augen." Meine linke Hand rutschte unter seinen Kopf, um ihm Schutz vor dem harten Boden zu gewähren. Mit der anderen fasste ich an seinen Kiefer. Vorsichtig bewegte ich seinen Kopf umher. "Komm schon, bitte Harry." Meine Augen huschten über sein Gesicht und versuchten jede noch so kleine Regung einzufangen. Aber da war nichts. Er rührte sich einfach nicht.

Erneut machte sich Panik in mir breit. Ich fasste an seinen Hals. Ich fühlte seinen schwächelnden Herzschlag. „Bitte Harry. Bitte verlass mich nicht!" Meine Tränen tropften auf sein Gesicht. Mit meinen kalten Händen strich ich über seine Stirn. Da begannen seine Augenlider zu flackern.

"Oh mein Gott, Harry! Komm schon, kämpfe!" Verloren musterte ich sein gesamtes Gesicht. Als er endlich die Augen aufschlug. Das zarte Smaragdgrün nahm mich sofort gefangen. Aber sein Blick schien mich nicht zu fokussieren. „Harry, kannst du meine Stimme hören?" Ich zitterte am gesamten Leibe. Das letzte bisschen Adrenalin, das meinen Körper belebte war dabei zu versiegen.

Der Lockenkopf streckte seine Hand schwach nach mir aus. Kaum spürbar berührte er mein Gesicht. „Louis...Bist du unversehrt geblieben?", haucht er. Glasig glitzerten seine Augen. „Ich dachte, ich wäre zu spät." Über seine Wange lief eine einzelne Träne. Kristallklar.

Meine Lippen formten sich zu einem Lächeln. Meine Hand ruhte vorsichtig auf Harrys Oberkörper. Ich fühlte seinen Herzschlag. „Es geht mir gut. Ich dachte nur du wärst tot. Ich dachte... ich dachte ich hätte dich für immer verloren." Er wollte sich aufrichten, aber ich drückte ihn behutsam zurück auf den Boden. „Nicht, deine Rippen sind vermutlich gebrochen." Leicht schüttelte ich meinen Kopf. "Wie konntest du das nur tun? Du hättest sterben können."

Mein Lächeln übertrug sich auf ihn. Er ließ mich seine Grübchen sehen. „Für deine Sicherheit würde ich alles geben. Louis, ich liebe dich." Seine Lippen fanden meine. Nach viel zu langer Zeit vereinten wir uns endlich wieder zu einem lieblichen Kuss. So schüchtern und zart, wie der Morgentau. "Ich liebe dich, Harry" hauchte ich, ohne mich auch nur eine Sekunde von ihm zu trennen. Jeder Millimeter an Abstand, der jetzt zwischen uns liegen würde, war einfach zu viel.

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt