Dunkel, wie die Nacht, waren die Augen des Alaskan Malamutes. So dunkel, dass ich mich sogar in ihnen spiegeln konnte. Ich sah mein vor Angst erstarrtes Gesicht. Vor Schock hielt ich den Atem an. Kein Sauerstoff erreichte meine Lunge mehr. Das Adrenalin erhöhte die Frequenz in der mein Herz schlug.
Regungslos, wie eine Statue, saß dieses riesige Tier vor mir. Es war ein Hund wie jeder andere und dennoch spürte ich die furchteinflößende Präsenz seines Herrchens. Ohne meinen starr gewordenen Blick abzuwenden, lief ich einige Schritte rückwärts. Ich tastete nach dem Treppengeländer, bekam es jedoch nicht zu fassen.
Ich musste weg von hier. Ich war nicht sicher. Hunter konnte nicht weit sein.
Meine Annahme schien zur traurigen Gewissheit zu werden, als das Geräusch schwerer Schritte an mein Ohr drang. Eine großgewachsene Person trat vor die offene Wohnungstür. Ein schiefes Lächeln war von den Lippen der Gestalt abzulesen. "Möchtest du mir keine Gesellschaft leisten?"
Der Schock der durch meinen Körper eilte ließ meine gesamte Muskulatur starr werden. Mein Mund wurde staubtrocken. Ich sah die Waffe in seiner Hand. Er richtete sie nicht auf mich.
Meine Erinnerungen an Hunter unterschieden sich von der Realität. Lediglich der minimale Ansatz seiner wasserstoffblond gefärbten Haare offenbarte das natürliche Dunkelbraun. Die Sommersprossen, welche seine Wangen zierten, verpassten ihm einen kindliche Ausstrahlung. Es war schwer zu glauben, dass diese Person tatsächlich der Grund dafür war, dass so viele Unschuldige ihr Leben lassen mussten. Doch nicht nur Hunters Haupt, sondern auch seine Statur wich von meiner Erinnerung ab. Er schien einiges an Gewicht verloren zu haben, denn damals war er deutlich durchtrainierter. Heute war er mehr ein Schatten seiner Selbst. Und dennoch wusste ich, egal wie gut meine Ausbildung auch war, in einem Duell mit ihm würde ich definitiv den Kürzeren ziehen.
Mit entspanntem Gesichtsausdruck näherte Hunter sich mir. Es war nur ein kleiner Schritt. "Lass das Handy fallen", sprach er sanft. Meine Gedanken gehörten ihm. Wie als wäre ich seine Marionette, kam ich seiner Aufforderung nach. Ich öffnete meine Finger. Mit einem dumpfen Schlag glitt das Telefon zu Boden.
"Gut. Und jetzt steig drauf." Hunters Blick war starr auf mich gerichtet. Ich starrte genauso erbarmungslos zurück, als ich meinen Fuß über das Smartphone schweben ließ. Das Gehäuse knirschte und knackte unter meinem Gewicht.
"Schön, jetzt wo wir das geklärt hätten..." Hunter drehte sich mit seiner Seite zu mir, den Blick jedoch nicht von mir nehmend. "...Tritt ein und nimm Platz."
Nach langer Suche fand ich endlich meine Stimme wieder. "Wie überaus freundlich von dir, mir einen Stuhl in meiner eigenen Wohnung anzubieten." Ich trat auf Hunter zu, welcher mich um einige Köpfe überragte.
Er sah auf mich herunter, als ich an ihm vorbei ging. "Für einen Amerikaner habe ich die feine englische Art schon gut drauf, findest du nicht?" Ich hörte, wie Hunter die Tür ins Schloss fallen ließ und nun direkt hinter mir war.
Ich trat in die Mitte meines Wohnzimmers. Ich hielt meinen Blick gesenkt, doch ich beobachtete den Amerikaner aus dem Augenwinkel heraus. Mit schneller Handbewegung schob mir dieser einen Stuhl zurecht. Mit dem Lauf seiner Waffe, welchen er direkt an meiner Brust angesetzt hatte, drückte er mich auf die Sitzfläche. Ich fühlte wie viel Kraft von ihm ausging.
Widerstand würde mir das Leben kosten, dessen war ich mir sicher. Wie eine leere Hülle saß ich auf dem Stuhl. Hufflepuff lag nun zu meinen Füßen. Hunter selbst blieb stehen.
Er sah auf seine Waffe. Schwer atmete er ein. "Du weißt, warum ich hier bin." Er sprach ruhig und dennoch war dieser Unterton, der von Wut gebildet wurde, nicht zu überhören.
Langsam wanderte mein Blick von dem riesigen Hund zu Hunter. "Nein", schnaubte ich. "Ich bin an einem Punkt, an dem ich gar nichts mehr verstehe!" Ich drehte meinen Kopf zur Seite. Körperlich konnte ich mich diesem Szenario nicht entziehen, aber geistig. Ich zog mich in meinen Gedanken so weit zurück wie nur irgendwie möglich. Doch eine Bewegung von Hunter hinderte mich daran. Ich hörte nur ein kleines Geräusch und schon befürchtete ich das Schlimmste. Reflexartig zog ich die Schultern nach oben, um mit meinem Hals, die fragilste Stelle an meinem Körper zu schützen.
Mit weit aufgerissenen Augen sah ich zu Hunter. Er hob seine Hände an, um mir zu signalisieren, dass er nichts tat. Er war lediglich dabei sich auf den Boden zu setzen. Ich sah ihm zu. Mein Pulsschlag verlangsamte sich allmählich wieder.
Hunter saß nun im Schneidersitz vor mir. Und obwohl ich auf einem Stuhl saß, begegneten wir uns beinahe auf Augenhöhe. "Ich möchte dir erklären, was mich zu alledem getrieben hat. Gibst du mir die Zeit dazu?"
Diese Frage hatte beinahe etwas lächerliches an sich. Hunter hatte Schuld daran, dass ich mich in meinen eigenen vier Wänden nicht mehr sicher fühlte. Wegen ihm musste Harry England verlassen. Seit Tagen hatte ich keine Ahnung wo mein Freund überhaupt war und ob es ihm gut ging. Alles an Leid, das ich die letzten Wochen ertragen musste, fand seinen Ursprung, bei dem Mann, der nun vor mir saß.
„Habe ich überhaupt eine Wahl?" erwiderte ich mit gerümpfter Nase.
Hunter sah mich direkt an. Er legte seinen Kopf schief. „Man hat immer eine Wahl. Jeder ist für sein eigenes Schicksal verantwortlich. Nur du entscheidest, ob du mir etwas von deiner Zeit entbehren willst und sonst kein anderer."
Diese Sätze rauschten nur so durch meinen Kopf. Ich wusste nicht was ich denken oder fühlen sollte. Mein Geist war leer. Meine Gedanken hatten mich verlassen. Unüberlegt begann ich zu sprechen. „Fein, ich höre dir zu und tue was du von mir verlangst, aber vorher habe ich eine Bitte an dich."
Meine Worte ließen den Amerikaner hellhörig werden. Er hob seine Augenbrauen an und sah gespannt zu mir. Ohne eine Sekunde zu überlegen fragte er „wie lautet diese Bitte?"
„Wo ist Harry? Sag mir, ob es ihm gut geht!"
Hunters Gesichtszüge waren schlagartig wie eingefroren. Seine Mimik war nicht mehr zu lesen. Er ließ seinen Kopf nach vorne sinken. Stumm sah er auf den Boden direkt vor sich. Sein Adamsapfel bewegte sich, als er kräftig schluckte.
Was sollte das bedeuten?
„Geht es Harry gut? Oder hast du ihn schon dasselbe fühlen lassen, wie Isabella und Lillith auch?" wiederholte ich meine Frage erneut, doch diesmal mit deutlichem Nachdruck.
Meine veränderte Stimmlage fuhr in Hunters Körper. Sein Haupt erhob sich ruckartig. Seine Augen fokussierten mich. Er begann zu sprechen.
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Schachmatt || Larry
FanfictionWas passiert, wenn der gefährlichste Insasse eines Hochsicherheitstrakts, zu deinem größten Vertrauten wird? Du fühlst dich genau bei der Person am wohlsten, bei der du es am wenigsten tun solltest. Larry Stylinson Cover by SPACE_BLAKK