Harry war zu weit gegangen. Zusammen mit meiner emotionalen Stabilität sank auch meine Toleranzgrenze. Fluchtartig verließ ich das Luminal. Mein Kopf dröhnte. Ich konnte meinen eigenen Herzschlag in meinen Ohren hören.
Ich hatte nicht vor zurück aufs Revier zu fahren, also schrieb ich Liam eine Nachricht, dass die Wohnungen der Opfer nochmals durchsucht werden müssen. Kurz und knapp schilderte ich ihm die Hintergründe dieser Anweisung.
Ich stieg in mein Auto. Doch genauso wenig, wie ich aufs Revier fahren würde, würde ich auch nachhause fahren. Mein Weg hatte ein anderes Ziel. Ich brauchte frische Luft und keine Menschen.
Einiges an Zeit verstrich, doch dann erreichte ich ihn endlich. Den kleinen Park, in dem wir die Frauenleiche fanden. Ohne wirklich nachzudenken, lief ich durch das hohe Gras. Ich folgte meinem Bauchgefühl. Der Park war leicht zu überschauen. Es gab nur drei schmale Wege die hinein und wieder hinaus führten.
Ich hatte die Stelle erreicht, an der wir den Frauenleichnam fanden. Ich fasste in das, vom Tau nasse Gras, als mein Gleichgewichtssinn auf die Probe gestellt wurde. Denn plötzlich und aus dem Nichts sprang mich ein großer Hund an. Schützend hielt ich meine Unterarme vor mein Gesicht. Ein stechender Schmerz eilte durch mein Ohr, als ein hoher Pfeifton zum Besten gegeben wurde. Der Hund ließ schlagartig von mir ab und eilte davon.
Ich sah in die Richtung, in die der Hund gelaufen war. Ein Mann mit kräftiger Statur tauchte in meinem Blickfeld auf. „Entschuldigen Sie. Normalerweise ist niemand in diesem Park, da lasse ich Hufflepuff gerne ohne Leine laufen" sagte er leicht aus der Puste, als er bei mir zu stehen kam. Der Mann hielt seinen Hund bei seinem Halsband fest.
„Schon in Ordnung. Er hat mir nichts getan", versicherte ich ihm. Ich massierte meine Schläfen in kreisenden Bewegungen. „Sie wissen nicht zufällig, ob es hier in der Nähe eine Apotheke gibt, die um diese Uhrzeit noch offen hat?"
Nach kurzem Überlegen deutete er in eine Richtung. Mein Blick folgte seinem ausgestreckten Arm. „Gehen Sie in diese Richtung. Auf der anderen Straßenseite befindet sich eine Notfallapotheke."
Ich bedankte mich und verließ zügig den Park.
Nach wenigen Metern erkannte ich bereits das leuchtende Logo der Apotheke. Ich trat vor den Sensor der Schiebetüren, doch nichts passierte. Suchend glitt mein Blick über die Fassade des Gebäudes. Ich drückte die Klingel, nachdem ich sie gefunden hatte. Es dauerte seine Zeit, doch dann ging die Klappe der Nachtausgabe auf und ich sah in das Gesicht eines älteren Mannes, in einem weißen Kittel. „Guten Abend. Wie kann ich Ihnen helfen?"
„Hallo, haben Sie irgendetwas gegen Einschalfprobleme?" fragte ich, während ich mir übers Gesicht rieb.
„Was soll es denn sein? Ein Tee oder lieber..."
„Ich bin keine 12 mehr" schnitt ich dem Apotheker das Wort ab.
„Geben Sie mir eine Sekunde." Mit diesen Worten schloss er die Klappe und war weg. Ich ließ meinen Blick schweifen, während ich auf ihn wartete. Die Dämmerung hatte sich bereits niedergelegt, dennoch sprang mir etwas ins Auge. Eine Kamera eines geschützten Anwesens. Durch den Winkel in dem sie angebracht wurde, musste sie definitiv einen Teil des Parks aufgezeichnet haben.
Ich erschrak, als die Klappe wieder geöffnet wurde. „Das ist das stärkste, das ich Ihnen ohne Rezept geben kann."
Ich ignorierte was er soeben gesagt hatte. „Wem gehört dieses geschützte Gebäude?"
Der Apotheker sah mich verdattert an. „Äh es ist Privatgrund. Der Besitzer wohnte einst in der Straße dahinter, aber ich weiß nicht, ob er das immer noch tut."
Ich nickte, obwohl ich nicht ganz bei der Sache war. Zu viele Gedanken rauschten gleichzeitig durch meinen Kopf. Ich nahm das kleine Päckchen, bezahlte dafür und ging. Ich warf sie unachtsam auf die Rückbank meines Wagens. Sie knallten gegen die Polsterung der Sitze und fielen zu Boden. Hektisch kramte ich mein Notizbuch heraus und schrieb mir die Adresse des Privatgrunds auf. Ich brauchte das Band der Videokamera.
Als ich ins Auto gestiegen war und die Zündung betätig hatte, fiel mein Blick auf die Uhr. Ich musste zurück, bevor Juliet sich Sorgen machen würde.
Am nächsten Tag im Revier setzte ich einen der Streifenpolizisten darauf an, mir das Band der Überwachungskamera zu besorgen. Die Chance, dass darauf etwas Brauchbares zu sehen war, war gering. Aber mir blieb nichts anderes über. Ich musste nach jedem Strohhalm greifen.
Ich war gerade in den Bericht der Gerichtsmedizinerin vertieft, als mich ein lauter Knall aufschrecken ließ. Liam ließ eine große Kiste auf meinen Schreibtisch fallen. „Was ist das?", fragend sah ich zu ihm hoch.
„Ich war fleißig. Gleich nachdem ich deine Nachricht erhalten hatte, habe ich einen paar Kollegen der Spusi zusammengetrommelt und bin zu den Wohnungen der Opfer." Liam kratzte sich am Hinterkopf. „Und naja was soll ich sagen... Er hatte schon wieder recht." Ich wurde hellhörig. „Bei beiden konnten wir ein Schachspiel sicherstellen. Und bei beiden fehlte jeweils eine Figur."
„Also kannten die Opfer ihren Mörder." Liams verhaltenes Nicken nahm ich nur noch am Rande wahr. Mein Blick war in die Ferne geglitten.
„Aber ich bin noch nicht fertig. Beim ersten Opfer fehlte nicht der Turm, sondern das Pferd."
„Aber es war doch der Turm, der in seiner Bauchhöhle gefunden wurde und nicht das Pferd. Welche Figur fehlt bei dem Spiel des zweiten Opfers?"
„Der Läufer."
Ich fuhr mir gestresst durch die Haare. „Okay jetzt bin ich endgültig verwirrt. Was hat das alles zu bedeuten?"
„Seine Opfer sind nicht willkürlich. Er nimmt immer bei seinem aktuellen Opfer den Gegenstand für das nächste mit. Er muss den Turm bei jemanden mitgenommen haben, der auf seiner Liste ganz unten steht." Liams Worte konnten den Knopf in meinem Kopf nicht lösen. Langsam verlor ich den Überblick und wenn wir ihn nicht bald fassen würden, verliere ich auch noch meinen Verstand und lande vermutlich bei Styles im Luminal.
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Schachmatt || Larry
FanfictionWas passiert, wenn der gefährlichste Insasse eines Hochsicherheitstrakts, zu deinem größten Vertrauten wird? Du fühlst dich genau bei der Person am wohlsten, bei der du es am wenigsten tun solltest. Larry Stylinson Cover by SPACE_BLAKK