Ich war bereits aus dem Raum, der die Befragungszellen beherbergte, als plötzlich eine ohrenbetäubende Sirene ertönte. Mehrere Lichter, die Rot schimmerten gingen an. Es sah aus, als wären die Wände und der Boden in Blut getränkt. Hektik brach aus. Mehrere Uniformierte stürmten an mir vorbei. Ich wusste, dass Harry der Grund dafür war. Aber ich konnte nicht zurück.
Hinter mir die Sintflut und dennoch folgte mir ein Wärter. Es war nicht Niall. Er schien wohl bei Harry geblieben zu sein. Schneller als sonst, wurde in das Erdgeschoss gebracht.
Ohne ein weiteres Wort verließ ich das Gebäude und erntete verwirrte Seitenblicke von Noam. Aber auch das war mir egal.
Ich irrte durch die Straßen der Stadt. Doch ich war nicht ziellos. Ich wusste genau was ich zu tun hatte.
Das Luminal unterlag einer eigenen Sicherheitsregelung. Alles was dort drin passierte, wurde intern geregelt. Nichts drang nach außen. Keine Polizei oder andere ermittelnde Behörden wurden bei möglichen Mordfällen hinzugezogen. Lediglich die 300 Wärter und die Leitung der Anstalt waren befugt. Somit war es nahezu unmöglich für mich, an die Videos der Überwachungskameras zu gelangen. Nur ein Termin bei der Staatsanwaltschaft, der ich den Fall persönlich darlegen müsste, könnte mir einen beschränkten Durchsuchungsbeschluss ermöglichen. Aber dies würde mich Wochen kosten. Doch zu meinem Glück kannte ich jemanden, der jemanden kannte und dieser Jemand kannte wiederum den Attorney General. Welcher die Kontrolle über alle Strafverfolgungsbehörden hatte. Er konnte mir womöglich genehmigen, was ich brauchte.
Ich kramte nach meinem Handy und wählte die Nummer meines Bekannten.
Während es tutete, schossen mir unzählige Gedanken durch den Kopf. Wenn ich diesen Schritt wirklich wagen würde, würde Harry ein Disziplinarverfahren erwarten. Und das selbst, wenn meine Bedenken sich als falsch erwiesen. Wie diese Bestrafung aussah, wusste ich nicht und bei genauerem überlegen wurde mir klar, dass ich es gar nicht wissen wollte.
Ich wollte auflegen, doch da meldete sich bereits eine Stimme auf der anderen Seite der Leitung.
Stunden vergingen.
Ich hatte nicht mehr damit gerechnet und dennoch hielt ich nun das in Händen, was ich brauchte.
Mein Weg führte mich zurück in die Haftanstalt. Ich knallte den Druchsuchungsbeschluss auf den Tresen. „Ich möchte alle Videos der Überwachungskameras. Ich möchte wissen, wann Styles wo hingebracht wurde. Wann er duschte, wann er schlief und wann er im Gemeinschaftsraum war. Ich möchte alles der letzten 2 ½ Monate."
Noam zuckte bei meiner veränderten Tonlage zurück. Er verwies mich im Wartezimmer zu warten, bis das gesamte Material zusammengetragen wurde, aber ich kam seiner Bitte nicht nach. Wie festgefroren blieb ich stehen. Monoton erkläre Noam mir, dass mir der Beschluss, nur in geringe Teile der Videos Einsicht genehmigte.
Ich versäumte es mich zu bedanken, als alle Kisten in mein Auto geladen waren.
Ich ließ keine weitere Zeit verstreichen und startete direkt mit der ersten Aufzeichnung, als ich in meiner Wohnung ankam.
Eine Stunde war bereits vergangen, in der ich wie gebannt auf den Bildschirm meines Laptops starrte. Noch war mir nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Harrys Isolationszelle war zu klein für große Aktivitäten, somit saß oder lag auf seinem Bett herum, machte Liegestütze und unterhielt sich dann und wann mal mit einem der Wärter.
Je mehr ich sah, desto stärker wurde mir bewusst, dass er nicht hier her gehörte. Er unterschied sich in so vielen Dingen von den anderen. Im Luminal schien es zwei Arten von Häftlingen zu geben. Die einen bereuten ihre Taten und die anderen wiederrum waren stolz darauf. Harry gehörte für mich zu keiner dieser beiden Gruppen. So viele Psychologen und andere Detectivs hatten sich bereits die Zähne an ihm ausgebissen. Die Liste, der Menschen, die Harry schon erfolgreich manipuliert und an ihre Grenzen gebracht hat, war lang. Und ich war mir sicher, nicht mehr lange und ich konnte meinen Namen auch auf diese Liste setzten.
Ich fokussierte mich wieder auf die wenigen Videos, die mir zur Verfügung standen. Kopfschmerzen machten es mir zunehmen schwerer, mich zu konzentrieren. Aber dennoch machte ich tapfer weiter.
Nun waren die Videos des Gemeinschaftsraumes dran. Ich drückte auf Play und startete die Aufnahme in vierfacher Geschwindigkeit. Meinen Kaffeebecher hielt ich in meinen Händen, ohne auch nur einen Schluck draus zu trinken. Er diente mehr dazu, meine eisigen Finger zu wärmen.
Die Aufnahmen könnten langweiliger nicht sein. Nur die wenigsten Häftlinge unterhielten sich, die meisten standen einfach nur herum. So auch Harry. Er hielt sich meistens Abseits, aber man konnte deutlich erkennen, dass er alle anderen Insassen beobachtete. Er war sehr aufmerksam. Nichts schien ihm zu entgehen.
Ich war nun an dem Tag angekommen, an dem Harry verletzt wurde. Ich stoppte die vierfache Wiedergabegeschwindigkeit und spielte das Video in normaler Laufzeit ab. Durch Harrys lockiges Haar, war es ein Leichtes für mich, ihn unten den vielen Häftlingen auszumachen.
Er saß auf einem Tisch. Seine Beine hatte er auf der Sitzfläche des dazugehörigen Stuhls abgestellt. Einiges an Zeit verging, in der nichts passierte. Doch dann trat plötzlich ein glatzköpfiger Insasse an ihn heran. Ohne groß Worte zu verschwenden, holte der Häftling aus und schlug Harry direkt ins Gesicht. Ich zog die Luft scharf ein, als ich sah wie dieser zu Boden ging.
Harry rappelte sich auf und spuckte das Blut aus, das sich in seinem Mund gesammelt hatte. Aber noch bevor er ebenfalls ausholen konnte, bekam er den nächsten Treffer ab. Der Glatzköpfige rammte seinen Ellbogen gegen Harrys Oberkörper. Das war wohl der Schlag, der ihm die Rippen brach.
Immer mehr Häftlinge tummelten sich um die beiden. Auch mich hatte das Adrenalin gepackt. Unbewusst hielt ich meinen Atem an und war näher an den Bildschirm gerückt.
Harry musste immer mehr Schläge einstecken. Mittlerweile lief ihm das Blut, in Strömen, über sein Gesicht. Die anderen Häftlinge feuerten Harrys Peiniger an. Und die Wärter standen einfach nur herum und ignorierten das ganze Szenario. Die Arme des Lockenkopfs zitterten, als er versuchte sich am Boden abzustützen, um wieder auf die Beine zu gelangen. Seine Augen waren aufgrund der Schmerzen zusammengekniffen, aber auf seinen Lippen trug er sein typisches Lächeln. Er spuckte erneut Blut, dann baute er sich vor dem Glatzköpfigen auf.
Doch er schlug nicht zu.
Nein.
Er sprach.
Mehrere Minuten vergingen, in denen alle Häftlinge gebannt auf seine Lippen starrten. Und dann brach plötzlich eine Massenschlägerei aus. Die Insassen warfen sich auf Harrys Peiniger.
Meine Augen huschten wie wild über den Bildschirm, um alles einzufangen. So viele Dinge passierten gleichzeitig.
Ich stoppte das Video.
Wo war Harry?
Ich spule zurück bis an die Stelle, als die Massenpanik ausbrach. Ich sah mir das Ganze nochmal in halber Geschwindigkeit an. Harry duckte sich unten den anderen Insassen weg und verschwand im Tumult. Er humpelte auf einen Wärter zu, welcher ihn sogleich aus dem Gemeinschaftsraum brachte.
Etwas erschien mir komisch.
Ich spielte die Stelle von Harrys Verschwinden immer und immer wieder ab. Mal vorwärts. Mal rückwärts. In Zeitlupe. Ich stoppte jede Sekunde und sah mir das Standbild an.
Und dann erkannte ich es endlich. Ich hielt es für eine flüchtige Handbewegung. Aber Harrys Blick war genau auf die Kamera gerichtet.
Es war keine Handbewegung.
Es war ein Zeichen.
Ich zoomte so weit wie möglich in das Bild, um die Geste zu erkennen. Seine linke Hand war zu einer Faust geballt. Der Zeige- und Mittelfinger seiner Rechten war ausgestreckt. Mit seinem Handgelenk klopfte er zweimal auf seinen linken Handrücken.
Was hat dieses Symbol wohl zu bedeuten? 🤷🏻♀️
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Schachmatt || Larry
FanfictionWas passiert, wenn der gefährlichste Insasse eines Hochsicherheitstrakts, zu deinem größten Vertrauten wird? Du fühlst dich genau bei der Person am wohlsten, bei der du es am wenigsten tun solltest. Larry Stylinson Cover by SPACE_BLAKK