{56. Kapitel}

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Meine Ellbogen waren auf der Tischplatte meines vollgeräumten Schreibtisches aufgestützt. Mein Kopf ruhte auf meinen Händen. Ich starrte ins Leere.

Jemandes Finger schnipsten vor meinem Gesicht und holten mich so aus der Trance. Ich musste mehrmals blinzeln, bis sich meine Sehkraft wieder scharf stellte. „Tut mir leid, ich war ganz wo anders. Was hast du gesagt?" Ich rieb mir über meine müden Augen. Die Kälte meiner Hände linderte für einen kurzen Augenblick das Brennen.

Liam seufzte. „Ich habe dich gefragt wie es Harry geht."

„Keine Ahnung." Ich zuckte mit den Schultern. „Er sagt, es geht ihm gut und es fehlt ihm nichts. Aber egal wie oft ich ihn auch frage, es ist jedes Mal eine Lüge. Manchmal tarnt er es hinter einem charmanten Lächeln und manchmal gibt er sich weniger Mühe und es bleibt eben offensichtlicher."

Liam setze sich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. Er lehnte sich etwas über die Tischplatte, sodass das Gespräch zwischen uns beiden blieb. „Dann hör doch einfach mal auf ihn zu fragen. Wie wäre das?" Verwundert sah ich ihn an. „Weißt du, als ich im Krankenhaus lag, war nichts nerviger, als ständig gefragt zu werden, wie ich mich fühle. Ich kann mir gut vorstellen, dass Harry gerade selbst keine Ahnung hat, wie es ihm geht. Ich kenne ihn nicht so gut wie du, aber durch deine Erzählungen gewinnt man den Eindruck, dass Harry immer Herr der Lage ist. Doch plötzlich scheint ihm alles zu entgleiten. Und jedes Mal gefragt zu werden, erinnert ihn nur daran."

Ich wollte zu einer Antwort ansetzten, verstummte jedoch, als immer mehr Kollegen zur Tür hereinkamen. Ich erhob mich und deutete dem Dunkelhaarigen mir zu folgen. Wir gingen in einen der Verhörraume. Ich setzte mich auf den kleinen Tisch, während Liam neben der Tür stehen blieb.

„Ich muss immer wieder üben den Streit nachdenken, den wir zuvor hatten." Ich schlug mit meinen Füßen immer wieder leicht gegen den Stuhl der vor mir stand. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass das alles bloß inszeniert war. Dass Harry ahnte, dass etwas passieren würde."

Liam stieß kräftig die Luft aus, die sich in seiner Lunge befand und brachte so seine aufeinandergepressten Lippen zum Beben.

„Du denkst, es ist zu weiter hergeholt?" fragte ich leise.

„Weißt du, was das Problem ist?" Er löste seine Arme aus der Verschränkung. „Harry ist so intelligent, dass du dich bei allen Dingen vollsten auf ihn verlässt. Als er sagte, dass Isabella Holloway hinter den Morden steckt, bist du ohne zu zögern zu ihrer Wohnung. Denkst du nicht, dass du vielleicht etwas zu viel an seinen und zu weniger an deinen eigenen Verstand appellierst? Louis, du erwartest von ihm Antworten. Antworten auf Fragen, die noch nicht mal gestellt wurden, auf Ereignisse die noch nicht passiert sind... Und ja es geht meistens gut, so wie bei Isabella, aber was ist, wenn es mal etwas gibt, das selbst Harry nicht weiß?"

Liams Worte wehten wie ein Wind durch meinen Kopf und klärten meine Sicht. „Oh mein Gott, du hast recht. Ich sehe immer nur das was Harry sieht. Als wäre sein Wissen, alles Wissen das es gibt." Ich riss die Tür auf und verlies fluchtartig den Verhörraum.

„Was? Warte! Wo willst du hin?" rief Liam mir nach.

„Zur IT Abteilung. Du hast mich auf eine Idee gebracht!"

Obwohl der Aufzug nicht schneller kommen würde, hämmerte ich regelrecht auf dessen Knopf. Eine gefühlte Ewigkeit verstrich, bis ich endlich eintreten konnte. Ich ließ mich bis zur letzten Etage bringen. Mit meinen Fingern tippte ich eine staccatoartige Melodie gegen mein Bein, um nicht vollkommen leblos herumzustehen. Kaum waren die Türen auf, umhüllte mich auch schon die viel zu warme und stickige Luft, die hier unten immer ihr Unwesen trieb.

Die Person, die ich suchte, fand mich noch bevor ich sie finden konnte. „Louis. Du auch mal wieder hier unten?" Mit seinen gerade mal 23 Jahren war Damian der Beste unserer ITler. Während andere lediglich damit beschäftigt waren, Daten aus zerstörten Sim-Karten auszulesen, war er unsere Tür zum Dark Web. Schwierig, gefährlich und illegal war sein Spezialgebiet.

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt