{26. Kapitel}

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Ich schnaubte verächtlich. „Eins muss man dir lassen. Du bist wirklich gut."

„Lou, ich war das nicht!" versuchte er sich zu verteidigen.

Reflexartig streckte ich meine offene Hand aus und ballte sie zu einer Faust, als er mich mit meinem Spitznamen ansprach. Er schien es sofort begriffen zu haben. Harry räusperte sich und setzte erneut an. „Sarge, glauben Sie mir, Bitte. Ich.war.das.nicht." Verzweiflung lag in seiner Stimme.

„Wie hast dus gemacht?", war alles was ich wissen wollte.

Harry begann wild seinen Kopf zu schütteln, sodass seine Locken nur so durch die Gegend flogen. „Gar nicht! Ich habe nichts getan. Wie auch?"

„Keine Ahnung. Vielleicht ein Zwillingsbruder oder ein Komplize der eine Maske trägt, die dir ähnlich sieht." Ich hob meine Arme in die Luft und ließ sie anschließend rasch wieder nach unten sausen.

Harrys Gesichtsausdruck wurde zunehmen ausdrucksloser. Sarkastisch lachte er auf. „Ja klar. Als mein Vater meine Schwester, meine Mutter und mich verlassen hat, war ich der Mann im Haus. Ich musste für sie sorgen! Da wär ein Zwilling schon recht praktisch gewesen. Aber ICH HABE KEINEN!" Seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter. „Oh und ein Komplize, ein netter Gedanke. Doch da ich neben der Schule zwei Jobs hatte, hatte ich wenig Zeit, Menschen zu finden, denen ich genug vertraue und die mir genug vertrauen, dass sie für mich morden würden."

Harry konnte so viel Sauerstoff verschwenden, wie er wollte. Ich hatte ihn bereits als schuldig abgestempelt. „Dann hast du es eben irgendwie fertig gebracht, deine Zelle zu verlassen. Du kennst die Lücken des Sicherheitssystems."

„Mhm. Da gibt es allerdings eine Sache Sergeant, die Sie außer Acht gelassen haben. Ich sitze im verfickten Luminal fest. Ein verdammtes unterirdisches Labyrinth, dessen Ausgang ich nicht mal dann finden würde, wenn ich einen Plan besäße." Harry wollte sich aufbäumen und über den Tisch lehnen, aber seine Fesseln hielten ihn an Ort und Stelle. Das Metall rieb über seine Handgelenksknochen und hinterließ bereits rote Striemen.

„Interessanterweise kennst du alle Wärter beim Vornamen. Es scheint so, als würden sie nur darauf warten, bist du ihnen Anweisungen gibst. Also warum sollten sie nicht alle mit dir unter einer Decke stecken. Vielleicht sogar Noam."

Der Lockenkopf verkrampfte seine Finger und ballte sie zu einer Faust. Sein Körper bebte vor Wut. Er biss sich auf seine Unterlippe und schloss seine Augen für einen kurzen Moment. Einiges an Zeit verstrich. Ich hatte mich bereits damit abgefunden, dass er zu keiner Antwort ansetzen würde, als er seine tiefe Stimme doch noch leise durch die Luft tanzen ließ. „Warum tust du das?" So viel Schmerz lag in dieser Frage.

Oh er war wirklich gut. Beinahe wäre ich wieder auf die charmante Seite an ihm reingefallen.

„Ich? Warum hast DU es getan?"

Harry schüttelte leicht seinen Kopf. „Du hast den Menschen in mir gesehen. Und jetzt? Jetzt bin ich nur noch der angekettete Hund." Er hob seine Hände an und ließ die Handschellen klirren. „Sieh dir das Bild doch mal an. Es ist so ungenau, viele könnten das sein."

Ich konnte keine Sekunde mehr länger bei ihm sein. Seine anziehende Wirkung schwächte nicht mal in dieser Situation ab. Ein kleiner Teil in mir glaubte ihm. Und dieser Teil war gerade dabei stärker in den Vordergrund zu rücken. Ich gab Niall das Zeichen, dass er mich sofort aus der Zelle holen sollte. „Für dich ist nichts unmöglich", sagte ich nun etwas ruhiger. „Du hast es geschafft mich so weit zu manipulieren, dass ich dich wirklich mag. Dass ich dir vertraue..." Ich stoppte kurz, als meine Stimme zu zittern begann und nicht mehr verschleiern konnte, wie verletzt ich war.

Seine angespannte Körperhaltung sackte zusammen. „Louis, ich habe dich nicht manipuliert. Alles was ich zu dir gesagt habe... all meine Gesten... alles war echt. Gott verdammt, ich war da, als du jemanden brauchtest. Ich habe dich getröstet."

„Bitte hör auf zu sprechen. Du widerst mich an", zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Kaum ertönte das Signal, welches mir symbolisierte, dass die Türe nun entriegelt war, stürmte ich an dem Wärter vorbei. Ich wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel.

„Ich habe nichts getan! Louis! Bleib hier. Bitte!" Ich hörte das Klirren von Metall auf Metall. „Fuck." Wieder das Klirren seiner Fesseln. „Verdammt Niall. Mach mich los! Sofort!" Dann folgte das Geräusch, das entstand, wenn eine geballte Faust auf ein Gesicht traf.

Hat Harry geschlagen oder wurde er geschlagen?

Ich würde es nicht mehr herausfinden.

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt