{10. Kapitel}

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„Hmm" summte er. „Ich möchte klein anfangen."

„Aber danach sagen Sie mir, wie Sie das wissen konnten", fiel ich ihm ins Wort.

„Natürlich" sagte er mit samtiger Stimme. Ich nickte zufrieden und wartete ungeduldig.

„Ist der Sex mit ihrer Freundin gut?" Ich begann wild zu husten, da ich mich an meiner eigenen Spucke verschluckt hatte. Sein Blick war vollkommen ernst und nahm mir die Hoffnung, dass es sich bei dieser Frage, um einen Witz handelte.

Die Überraschung über seine Worte durfte mir ins Gesicht geschrieben gewesen sein, denn sofort setzte er zu einer Erklärung an, wie er von ihr wissen konnte. „Sie riechen nach einem Parfum, dass eine starke weibliche Note hat. Und da ich Sie nicht als großen Parfümträger einstufe, und ich nicht denke, dass Sie immer noch bei Ihrer Mutter wohnen..." Er stoppte kurz und schien mich zu mustern. „...wobei ich bei Ihrem jetzigen Gesichtsausdruck davon ausgehe, dass Ihrer Mutter womöglich schon verstorben ist." Styles zog seine Mundwinkel lang. „Oops. Fettnäpfchen." Sein Blick intensivierte sich. Mit seinen Lippen formte er ein „Mein Beileid". Ich nickte es ab und er sprach weiter. „Also bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ihre Freundin sie heute Morgen sicher mit einer Umarmung und einem Kuss verabschiedet hat." Ich dachte kurz nach. Das hatte sie tatsächlich. „Hab ich vorhin gemerkt, als ich so dicht bei Ihnen stand" fügte er, mit den Schultern zuckend, an.

Ich wollte nicht antworten, aber ich musste. „Ja alles super." Ich versank kurz in Gedanken und kaute auf der Innenseite meiner Wange herum, aber dennoch erreichte sein melodisches Lachen meine Wahrnehmung. „Natürlich glaube ich Ihnen das jetzt" sagte Styles.

Ich war niemand der gerne über sein Sexleben sprach. Also musste Ich ihn auf alle Fälle wieder von diesem Thema abbringen. Aber das würde ich nur schaffen, wenn ich ihn in meinen Kopf lasse. Ich kann ihn nicht anlügen. Er würde es wieder sofort durchschauen. „Um Ihre Frage von vorhin aufzugreifen... Ich habe Sie angelogen, weil ich vor Ihnen nicht zugeben wollte, dass ich mich überfordert fühle." Ich wusste, mit dieser Aussage, fiel ich aus meiner Rolle. Aber alles war besser, als ihm von meinem Sex mit Juliet zu berichten.

Ich konzentrierte mich wieder auf Styles. Er stützte seine Ellbogen auf der Tischplatte ab und bettete seinen Kopf auf seinen Händen. Er sah mich an und schien gespannt darauf zu warten, dass Worte endlich meinen Mund verlassen würden. „Wissen Sie, ich komme eigentlich aus der Bandenkriminalität. Das hier..." ich hielt die Fallakte hoch. „...ist absolut nicht meins. Auf das hineinversetzen in einen Psycho bin ich definitiv nicht scharf. Ich will nicht wissen, wie solche Menschen denken. Am Ende werde ich vielleicht selbst noch einer." Mein Blick war mittlerweile in die Ferne gerutscht. Ich zuckte unkontrolliert zusammen, als die Bilder der Leichen durch meinen Kopf wanderten. Ein kalter Schauer lief mir die Wirbelsäule entlang.

Eine warme Hand auf meinem Handrücken holte mich zurück. Ich sah in Harrys lächelndes Gesicht. „Das werden Sie nicht, Sergeant. Darauf passe ich schon auf." Stumm sah ich auf seine Hand, die auf meiner lag.

Die Röte stieg mir ins Gesicht. Schnell zog ich die meine zurück und fuhr mir unbeholfen durch die Haare. „Verraten Sie mir jetzt, wie Sie ein Muster erkennen konnten?"

„Mhm" brummte er. „Sie haben mir etwas von sich verraten, somit ist der nächste Zug meiner." Er sah mich abwartend an. „Haben Sie's kapiert? Ich habe einen Schachwitz gemacht." Seine Grübchen zeigten sich.

Ich verdrehte leicht schmunzelnd die Augen und rutschte mit meinem Stuhl näher an den Tisch heran.

Endlich begann Styles zu erklären. „Nicht der Mordhergang war ungewöhnlich. Intelligenz ist stärker als jeder Muskel. Auch nicht die Schachfigur. Jeder Serienmörder möchte dasselbe. Anerkennung. Also verteilen sie keine Figuren, Symbole oder Zettelchen. Somit war auch das nicht das Ungewöhnliche. Was ungewöhnlich war, war welche Figur es war...Der Turm...Betrachten wir doch mal die hierarchische Ordnung der einzelnen Schachfiguren." Er ließ eine kurze Stille entstehen, die vermutliche dazu gedacht war, dass ich verstehen kann, welchen Weg seine Gedanken gegangen waren. „Der König ist an erster Stelle, darauf folgt die Dame, dann der Turm und der Läufer..."

„Dann kommt das Pferd und zu Letzt der Bauer", vollendete ich, was Styles begonnen hatte.

„Richtig. Also warum ist der Turm beim ersten Opfer? Warum nicht der König oder der Bauer?"

Ich begann zu verstehen, worauf er hinaus wollte.

„Es geht somit nicht nach Rangordnung, sondern nach der Aufstellung am Feld. Der Turm bezieht die jeweils äußersten Positionen." Der Blick des Lockenkopfs lag mittlerweile nicht mehr auf mir, er ließ ihn im Raum umher gleiten, als würde der den Tatort vor sich sehen können. „Und auf den Turm folgt...?" Er machte eine animierende Handbewegung zu mir.

„Das Pferd" nuschelte ich leise.

„Vollkommen richtig" grinste er.

Seine Theorie hallte durch meinen Kopf. „Was ist mit den Bauern? Sie haben eine eigene Reihe."

Styles schien bereits zu ahnen, dass ich das sagen würde, denn meine Worte hatten noch nicht vollständig meinen Mund verlassen, da setzte er schon zu einer Antwort an. „Die Bauern haben nicht genug Prestige. Der Täter steht auf raffinierte Spielchen. Von den Bauern gibt es zu viele und sie sind nicht interessant genug."

„Okay gut, aber das hilft uns nicht."

„Bringen Sie mir die Schachfiguren und ich kann Ihnen mehr sagen." Styles erhob sich.

Im Augenwinkel konnte ich sehen, wie der Wärter an die Zelle herantrat. Unsere Zeit war wohl schon wieder um.

„Das kann ich nicht tun und das wissen Sie."

Er zuckte bloß mit den Schultern und ging zu dem Wärter, welcher nun in der Zelle war. Bevor er verschwand, hatte er noch eine Frage an mich. „Wo war die Figur?"

„In der Augenhöhle."

Er verzog sein Gesicht, wie ein kleines Kind, dass zum ersten Mal etwas gegessen hatte, das es überhaupt nicht ausstehen konnte. „Wieso musste ich auch fragen?" Lachend schüttelte ich meinen Kopf. „Ich freue mich auf nächste Woche, Sergeant Tomlinson" hörte ich seine samtige Stimme.

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt