{35. Kapitel}

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Noch während wir das unterirdische Labyrinth verließen, ließ ich den aktuellen Wohnort unseres neuen Verdächtigen erfragen.

„Das ist doch absurd!" rief Liam aus, als wir das Luminal verlassen hatten. „Sag mir nicht, dass du Harry tatsächlich Glauben schenkst?"

„Warum? Warum ist es absurd, Liam?" Mein Kollege lief mit beachtlichem Abstand vor mir her, weshalb ich meine Stimme erheben musste, um die Geräusche einer nebenliegenden Straße zu übertönen. „Weil es kein Mörder ist, sonder eine Mörderin?"

Energisch begann er zu nicken. „Ja! Genau deshalb."

„Warum immer die Männer?" Ich hob meine Arme in den bereits dämmernden Abendhimmel. „Warum nicht auch mal eine Frau?"

Abrupt blieb Liam stehen. „Vielleicht weil das erste Opfer ein Bodybuilder war, der verdammt nochmal erstickt wurde."

Intelligenz ist stärker als jeder Muskel" zitierte ich Harry aus einer unserer ersten Unterhaltungen.

Liam brachte kein Gegenargument, sondern schüttelte lediglich seinen Kopf.

„Was spricht dagegen, dass Isabella Holloway eben unsere Verdächtige ist?" wollte ich von meinem Kollegen wissen.

Liam fuhr sich über sein müdes Gesicht. „Okay vielleicht hat sie gesagt, dass es damals an der Bushaltestelle zu dunkel war um ihre eigenen Füße zu erkennen und dennoch wusste sie ganz genau welche Augenfarbe das Oper hatte... Aber Ich bitte dich Louis, dass sagt genau nichts aus."

„Und was ist mit dem Phantombild? Sie passt perfekt. Grüne Augen und langes braunes lockiges Haar."

Er schraubte verachtend. „Ach komm, das könnte genauso auch auf Harry zutreffen. Schon mal daran gedacht, dass er es ist?"

Abwehrend verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Ja, daran habe ich gedacht. In der Sekunde, als du mir damals das Bild gezeigt hast, schoss mir derselbe Gedanke ein."

"Na bitte, da haben wir's" unterbrach mein Partner mich.

Mit einem kräftigen "Aber" riss ich den Sprecherpart wieder an mich. Schnell sprach ich weiter und zwang Liam in die Rolle des Zuhörers. "Mit diesem Gedanken im Kopf, führte mein erster Weg direkt hier her." Ich zeigte auf das Gebäude hinter uns. „Ich habe mir all seine Daten und Videos der Überwachungskameras geben lassen. Mehrere Wochen habe ich damit zugetan, Harry zu überprüfen. Und ich habe NICHTS verdächtiges gefunden. Also wenn ich sage, dass er es nicht war, dann war er es nicht!"

Liam stellte sich direkt vor mich und sah mir tief in die Augen. „Du hast Harry überprüft..." Mit seinem Zeigefinger drückte er gegen meine Brust. „...und ICH habe Isabella überprüft. Die Angaben, dass sie als Rezeptionistin arbeitet, das sie mit der Buslinie öfter fuhr... alles war korrekt und wasserdicht." Während Liams Worte weiter auf mich einprasselten, ließ ich meinen Kopf sinken und sah zu Boden. Hatte er recht? Sollte Harry sich das erste Mal irren?

„Louis, du hast mit ihr das Zeugenverhör geführt!" Liams Blick wurde zunehmend ausdrucksloser. „Es verletzt mich, dass du Harry mehr glaubst, als deinem eigenen Kollegen. Aber weißt du, was ich noch erschreckender finde? Die Tatsache, dass du ihm offenbar auch mehr Glauben schenkst...als dir selbst. Sie ist es nicht und das weißt du!" Er trat einen Schritt zurück und betrachtete mich. „Also warum das alles? Wann bist du so abhängig geworden?"

Hörbar stieß ich die Luft aus, die sich in meinen Lungen befand. "Ich werde jetzt zu ihrer Wohnung fahren und mich davon überzeugen, dass sie es nicht ist. Du kannst mitkommen... oder eben nicht."

Liam öffnete seinen Mund, als würde er etwas sagen wollen, doch kein Wort verließ seine Lippen.

Mit geöffneter Hand ging ich ein Stück auf ihn zu. Ich zuckte mit den Fingern, um ihm zu signalisieren, dass er mir die Autoschlüssel aushändigen sollte. Widerstandslos kam er meiner nonverbalen Aufforderung nach.

Ich stieg ins Auto und fuhr zu der mir mitgeteilten Adresse.

Der Stadtteil in dem die Wohnung lag, gehörte nicht gerade zur Oberschicht, aber auch nicht zum Armenviertel. Nichts schrie mehr „Mittelmaß" als diese Gegend hier. Sowohl die Wohnungen als auch die Menschen die in ihnen lebten waren durchschnittlich.

Gerade als ich aussteigen wollte, sah ich im Innenspiegel meine schusssichere Weste auf der Rückbank liegen. Wenn ich schon im Alleingang war... Ich sollte das Schicksal und meine Schutzengel nicht übermäßig herausfordern. Also griff ich nach ihr und legte sie mir schlampig an.

Leise schloss ich die Fahrertür des Wagens und lief in Richtung des Wohnkomplexes. Ich klingelte bei einer Nachbarin und gab mich als Hausmeister aus, um in das Innere des Treppenhauses zu gelangen. Beim ersten Klingen blieb die Gegensprechanlage stumm. Weshalb ich einen zweiten Versuch bei der Klingel eines anderen Namensschilds unternahm. Mein Vorhaben schien unter einem guten Stern zu stehen, als sich plötzlich eine ältere Dame meldete.

Nach wenigen Gesprächsminuten ertönte bereits der Summer und ich konnte eintreten. Das Wohnhaus war altmodisch und rustikal und besaß daher keinen Fahrstuhl. Somit erklomm ich Stufe um Stufe, bis in den dritten Stock. Der Flur war dunkel und menschenleer, aber dennoch fand ich die Tür zur richtigen Wohnung verhältnismäßig schnell.

Kein Geräusch war zu hören, welches die Anwesenheit von Isabella voraussagen würde.

Zögernd klopfte ich an die Tür.

Nichts.

War sie vielleicht offen? Vorsichtig legte ich meine Hand auf die Klinke und drückte sie herunter. Und tatsächlich. Die Tür war nicht verschlossen. Ich wollte mich nur kurz umsehen und schnell wieder das Weite suchen.

Ich versuchte die Tür ein Stück zu öffnen, als mich plötzlich etwas am Arm packte.

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt