{6. Kapitel}

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„Ey Louis, er hat dich manipuliert und du checkst es nicht mal." Wieder begann Liam lauthals zu lachen.

„Hat er nicht" setzte ich erneut zur Verteidigung an.

„Ja klar, er macht dir nur zum Spaß Komplimente." Liam wischte sich eine Lachträne aus den Augen. „Was will er als Gegenleistung?" fragte er nun wieder etwas ernster.

Meine Mimik wurde zunehmend ausdrucksloser.

„Sieh mich nicht so an. In der Akademie wurde uns damals gesagt, dass er noch bei keinem Fall mitwirkte, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Hast du da etwa geschlafen?"

„Nein ich erinnere mich daran" erwiderte ich leicht mürrisch.

„Aaaaalso?" Seine Augen wurden noch größer. Seine Fragen begannen mich allmählich zu nerven, er war sonst nicht so neugierig.

„Wir haben einen Deal" sagte ich schulterzuckend. „Er meinte, die nächste Figur, die wir finden werden, wir das Pferd sein. Wenn es stimmt, dann schenke ich ihm etwas von meiner Zeit."

„Er will etwas von deiner Zeit?" Liam hob seine Augenbrauen an. „Wer will das schon freiwillig?"

Ich verdrehte meine Augen. Wollte zum verbalen Gegenschlag ausholen, doch Liam erhob sich aus dem Stuhl und unterbrach mich somit. „Ich bin müde und überarbeitet", als Bestätigung schenke er mir ein herzhaftes Gähnen, bei dem ich bis in seinen Rachen blicken konnte. „Den Laborbericht habe ich dir auf den Schreibtisch gelegt. Wir sehen uns morgen. Bye Lou."

„Bis Morgen Lima."

Ich suchte nach dem angesprochen Bericht und fand ihn in dem Stapel an Zetteln, der sich mittlerweile auf meinem Tisch angesammelt hatte. Flüchtig überflog ich ihn. Keine Fingerabdrücke oder sonstige DNA Spuren konnten sichergestellt werden. Nichts, womit ich nicht bereits gerechnet hatte. Schnaubend stopfte ich den Laborbericht in den dafür vorgesehenen Ordner.

Endlich hieß es auch für mich Feierabend. Ich knipste die kleine Schreibtischlampe aus und zog meine Jacke vom Stuhl, die ich über dessen Lehne gehangen hatte. Den Schal tief ins Gesicht gezogen, lief ich zu meinem Wagen und fuhr zu meiner Wohnung.

Ich drehte den Schlüssel im Schloss, um so die Tür zu öffnen. Sofort stieg mir der Geruch von Nagellack in die Nase. Ich zog den Schlüssel ab und warf ihn in die Schale, die auf einer kleinen Kommode neben dem Türrahmen stand.

„Hallo Schatz!" hörte ich meine Freundin Juliet rufen. Sie kam aus dem Wohnzimmer auf mich zu geschlendert. Nach einem flüchtigen Kuss den sie mir auf die Lippen drückte, hielt sie mir ihre Finger unter die Nase. „Guck, ich habe meine Nägel lackiert."

„Ja, ich riechs", sagte ich, mich meiner Jacke entledigend.

„Gefällt es dir nicht?" fragte sie mit Hundeblick.

„Doch, es sieht wunderschön aus." Ich küsste ihre Wange. „Du bist so chic gekleidet, gehst du noch aus?" Ich ließ meinen Blick betrachtend über sie wandern.

„Ja, Carmen und ich gehen etwas trinken", antwortete sie lächelnd. „Wir machen mal wieder einen Mädelsabend." Dabei hob sie ihre Arme leicht in die Luft.

„Habt ihr das nicht letzte Woche erst gemacht?" Ich schob mich an ihr vorbei und lief in die Küche. Der Blick in den Kühlschrank fiel eher ernüchternd aus.

Juliet ignorierte meine Frage. „Tut mir leid, ich habe nicht gekocht."

„Und das verlange ich auch nicht von dir." Ich öffnete das Kühlfach und kramte eine Tiefkühlpizza heraus.

„Ich werde mich mal auf den Weg machen, ich bin schon spät dran. Warte nicht auf mich" rief sie mir zu.

„Warte. Willst du gar nicht fragen wie es lief?" stoppte ich sie.

Juliet drehte sich zu mir um und sah mich fragend an. „Wie was lief?"

„Die Befragung."

„Die Befragung...", sie schien zu überlegen. "Oh die Befragung mit dem Häftling aus dem Luminal? Das war heute? Es tut mir leid, Schatz." Sie zog ihre Mundwinkel nach unten und sah mich aus traurigen Augen an.

„Er hat einen Namen. Und es ist okay." Ich winkte ab und widmete mich wieder meiner Pizza, die ich soeben von ihrer Verpackung befreite.

„Bist du mir böse? Soll ich lieber nicht zu Carmen gehen?" hörte ich Juliet leise fragen.

„Nein, mach dir einen schönen Abend. Ich komm klar, ich wollte sowieso nur nochmals die Akten durchgehen und dann auch schon zu Bett gehen."

„Okay" hauchte sie laut los, ehe sie mich von hinten umarmte und mir einen Kuss zwischen die Schulterblätter gab. Auf ihre sich entfernenden Schritte folgte auch schon das Geräusch einer Tür die geöffnet und kurz darauf wieder geschlossen wurde.

Als meine Pizza fertig war, ließ ich mich erschöpft auf die Couch fallen. Ich schaltete den Fernseher ein, aber nichts was über den Bildschirm flimmerte, schaffte es in mein Wahrnehmungsfeld. Zum ersten Mal, seit ich Teil des Chess-Falls war, kreisten meine Gedanken nicht um den Täter. Seit ich das Luminal verlassen hatte, kreisten sie um Styles. Hatte Liam recht? War er bereits in meinem Kopf? Wie konnte das passieren? Ich war darauf vorbereitet. Ich wusste, was er war. Und trotzdem musste er sich offenbar nicht mal groß anstrengen. Warum war es ihm so leicht gefallen, in meinen Kopf zu gelangen? Warum war es mir so schwer gefallen, ihn draußen zu behalten?

Ein anderer Gedanke rutschte in den Vordergrund. Was ist wenn Styles Recht behält? Wenn die nächste Figur das Pferd war? Ich hatte einfach eingewilligt, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.

Ich musste mich beruhigen. Es wird nicht das Pferd sein. Unsere besten Ermittler sind an diesem Fall schon seit Wochen dran und haben noch kein Muster erkannt. Also wie sollte Styles nach 10 Sekunden eines erkennen? Es war unmöglich.

Wird es wohl wirklich das Pferd sein? 🤷🏻‍♀️

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt