Ich spiegelte ihre Körperhaltung. Mit vor der Brust verschränkten Armen und einem Todesblick platzierte ich mich vor ihr. Meine Schultern waren gestrafft und meine Zähne zusammengebissen.
Die Lippen der Frau formten sich zu einem Lächeln, welches falscher nicht sein konnte. „Ich hoffe Sie wissen, dass Sie zu Verschwiegenheit verpflichtet sind, Sergeant Tomlinson", durchschnitt ihre harsche Stimme die Luft. Mir war, als schaffte sie es, rein durch ihre Gefühlslosigkeit, die Raumtemperatur um einige Grade zu verringern. Ich antwortete ihr nicht. Stattdessen starrte ich sie weiterhin aus toten Augen an.
„Man weiß nie, woher Häftlinge Informationen bekommen können", sprach sie weiter. „Alles was Sie über unseren Harry sagen, könnte ihn in Schwierigkeiten bringen."
Ich lachte sarkastisch auf. Unser Harry. „Ich wäre der letzte, der etwas tut würde, dass Harry in Gefahr bringen könnte." Ich spuckte ihr die Worte regelrecht vor die Füße. Doch sie schien unbeeindruckt.
„Ich weiß, was Sie denken müssen..."
Ich schnitt ihr das Wort ab. „Nichts was Sie jetzt sagen könnten, könnte das alles hier rechtfertigen. Sie haben einem 17 jährigen die Zukunft genommen. Ihn zu einem Psychopathen gemacht. Durch Sie denkt er, dass das alles wäre, dass die Welt für ihn zu bieten hat." Ich rümpfte meine Nase, um ihr zu signalisieren, dass sie mich anwiderte.
„Sie lassen einen wichtigen Aspekt außer Acht, Sergeant. Harry ist freiwillig hier."
Ich ließ meine Zunge schnalzen. „Freiwillig..." zischte ich und schüttelte meinen Kopf. „Ich werde ihn hier rausholen."
Sie ließ ihre Arme neben ihren Körper sinken. „Und ich werde Sie nicht daran hindern."
Ihre Worte überraschten mich doch tatsächlich. Sie trat auf mich zu. „Harrys Wohl ist mir mindestens genauso wichtig, wie Ihnen. Und solange mir die Leitung dieser Anstalt obliegt, werde ich ihn schützen, mit allen Mitteln die mir zustehen. Und wenn es sein muss, auch mit Mitteln die mir nicht zustehen. Harry wird nichts passieren, darauf geben ich Ihnen mein Wort." Sie starrte mir unentwegt in die Augen, als sie mir die Hand ausgestreckt entgegenhielt.
Zögernd nahm ich sie an. Ich wollte ihrem Wort Glauben schenken, aber das konnte ich nicht. Etwas sagte mir, dass nichts und niemand ihn schützend konnte, solange er hier drin war.
Als ich meine Hand aus ihrer befreien wollte, drückte sie nur noch fester zu. „Sie sollten Ihr Vorhaben nochmal genau überdenken, Sergeant Tomlinson." Ohne ein weiteres Wort ließ sie meine Hand los. Wir starrten uns ausdruckslos an, ehe wir uns gleichzeitig in Bewegung setzten und in entgegengesetzte Richtungen liefen.
Mein Weg führte mich in meine Wohnung. Mein Blick war auf die Stufen fixiert, die ich soeben erklomm, während ich bereits meinen Schlüssel aus meiner Hosentasche kramte. Als ich wieder nach oben sah, erkannte ich, dass ich gar keinen brauchen würde.
Die Tür zu meiner Wohnung stand einen Spalt weit offen.
Ohne meinen Blick abzuwenden, griff ich zu meinem Halfter, um meine Waffe zu ziehen. Doch es war leer. Ausgerechnet jetzt hatte ich sie nicht bei mir. Sie lag wohl immer noch im Luminal. Das Gespräch mit der Anstaltsleiterin ließ mich vergessen, sie bei Noam wieder abzuholen.
Hektisch sah ich mich in dem menschenleeren Stiegenaufgang, nach einer provisorischen Waffe um, aber nichts, das in mein Blickfeld sprang, wäre auch nur ansatzweise brauchbar. So kam es, dass ich nun unbewaffnet, die Wohnung betrat.
Langsam schritt ich in dem dunklen Flur vorwärts. Ich konnte kein Licht anmachen. Es würde mich verraten. Ich riss meine Augenlider unnatürlich weit auf, in der Hoffnung dennoch genug erkennen zu können.
Ich konzentrierte mich darauf, ruhig und gleichmäßig zu atmen, während ich geräuschlos die ersten Räume durchforstete. Ich versuchte meine Arme schützend und dennoch schlagbereit vor meinem Körper zu halten. In der Küche schnappe ich mir das erste Messer das ich in die Finger bekam und machte mich auf den Weg in das nächstes und letzte Zimmer.
Die Tür zu meinem Schlafzgemach war geschlossen. Auf Zehenspitzen bewegte ich mich auf sie zu. Ein letztes Mal warf ich einen Sicherungsblick über meine Schulter, während ich die Klinke herunterdruckte.
Schwungvoll riss ich die Tür auf. Meine Augen huschten wild umher, um jeden Zentimeter einzufangen. Meine Finger windeten sich um den Griff des Messers. Ich konnte mein Blut in meinen Fingerspitzen pochen spüren, so fest drückte ich zu.
Doch auch hier sprang mir kein ungebetener Gast ins Auge.
Drehte ich nun vollkommen durch? Hatte ich sie nicht richtig verschlossen, als ich die Wohnung verlassen hatte?
Ich ging durch den Flur, schloss die Tür und verriegelte sie mit allen Schlössern die sie zu bieten hatte. Ich griff mir an die Stirn und schüttelte meinen Kopf. Ich musste sie wohl tatsächlich offengelassen haben. Ich war mehr der Typ Mensch, der dreimal nahschaute, ob sie auch wirklich versperrt war, bevor ich mich entfernte.
Auf meinem Weg zurück ins Wohnzimmer lachte ich über mich selbst. So etwas war mir wirklich noch nie passiert.
Mein Gelächter ließ allmählich nach und Unwohlsein breitete sich in mir aus. Ich fühlte mich plötzlich beobachtet. Ohne darüber nachzudenken öffnete ich die Schublade der Kommode, auf der mein Fernseher stand. Ich zog das Schachspiel heraus, hob den Deckel ab und entfernte das Spielbrett.
Schnell zählte ich alle Figuren durch.
16 Bauern
4 Türme
4 Läufer
4 Pferde
2 Damen
Aber nur 1 König.
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Schachmatt || Larry
FanfictionWas passiert, wenn der gefährlichste Insasse eines Hochsicherheitstrakts, zu deinem größten Vertrauten wird? Du fühlst dich genau bei der Person am wohlsten, bei der du es am wenigsten tun solltest. Larry Stylinson Cover by SPACE_BLAKK