{65. Kapitel}

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"Miss Haynes vertritt die Gegenseite nicht alleine. Sie hat einen Beistand auf ihrer Seite", sprach der Richter. Es folgte eine Handbewegung, zu einem etwas korpulenter wirkenden Mann, welcher neben Juliet saß. Der Richter wandte sich nun dem Protokollanten zu. "Die Staatsanwältin Juliet Haynes wird für diesen Fall zugelassen."

Ich sah zu Harry. Er schien tiefenentspannt.

"Lassen Sie uns anfangen. Ich bitte die Staatsanwaltschaft um eine Stellungsnahme." Mit dieser Aufforderung erhob Juliet sich. Sie trat vor das Richterpult. Begrüßte die Männer in den schwarzen Anzügen, welche als Geschworene fungierten und begann anschließend mit der Darlegung des Sachverhalts.

In dieser Darlegung war Harry alles andere als ein guter Mensch. Sie ließ kein Detail aus. Nichts blieb unangesprochen. Sie sprach von der Fälschung der Regierungsgutachten, Harrys Flucht aus dem Luminal, sogar der Zwischenfall mit Haydon Burris alias Haydon Hunter wurde erwähnt.

Juliet verlas die lange Liste an Anklagepunkten, die gegen Harry vorgebracht wurden. "Datenfälschung, Identitätsraub, Körperverletzung, Beamtenbeleidigung, Behinderung der Justiz, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte,..." Jeder weitere Punkt, der die Liste länger werden ließ, nährte meine Befürchtung, dass Harry lebenslang hinter Gitter kommen würde.

Die Worte die aus Juliets Mund kamen und die Geräusche der Absätze ihrer High Heels waren das einzige, was durch den Saal hallte. Sonst war es mucksmäuschenstill.

"Vielen Dank", sagte der Richter. "Kommen wir zur Bestandsaufnahme. Die Verteidigung hat das Wort."

Juliet nahm Platz, Mr. Carpenter erhob sich und trat an ihre Stelle. "Die Verteidigung bittet den Angeklagten in den Zeugenstand."

Harry erhob sich. Meine Augen folgten jedem seiner Schritte. Er nahm auf dem unbequem wirkenden Stuhl neben dem Richter platz. Harry saß mir nun direkt gegenüber. Vor mir war niemand anderes. Das Sichtfeld zu mir war somit frei. Aber Harry sah mich auch jetzt nicht an. Er wollte mich nicht sehen.

Der Verteidiger trat vor Harry. "Mr. Styles, Sie waren beinahe zehn Jahre Angestellter der Luminalstrafanstalt. Ist das korrekt?"

"Ja, das ist korrekt." Ich schauderte. Zum ersten Mal seit mehr als drei Monaten durfte ich seine unverkennbare Stimme wieder hören. Der tiefe melodische Klang ergriff sofort Besitz von mir. Ich fühlte, wie mein Blut schneller durch meine Adern rauschte. Wie ein reißender Bach.

"Wie alt waren Sie, als Sie inhaftiert wurden?"

"Ich war damals 17 als man auf mich zukam. Sechs Monate wurde ich ausgebildet. Mit dem Ende dieser Ausbildung und dem Erreichen meiner Volljährigkeit wurde ich inhaftiert."

"In Ihrem Vertrag wurde niedergeschrieben, dass sie nur zwei Jahre für die Anstalt arbeiten sollten. Wieso wurden aus diesen anfänglichen zwei Jahren, dann doch zehn?"

Harry fuhr sich über die rosigen Lippen. "Meine Inhaftierung brachte einige Unannehmlichkeiten mit sich. So musste man beispielsweise meinen Tod vortäuschen, wodurch meine Familie geschützt werden sollte. Gleichzeitig bedeutete dies jedoch auch, dass ich nach meiner Freilassung nicht zu ihnen konnte. Und sonst hatte ich niemanden. Ich entschied mich also in der Anstalt zu bleiben."

Harrys Pflichtverteidiger Mr. Carpenter ließ keine Zeit verstreichen. Seine Fragen folgten Schlag auf Schlag. Harry beantwortete sie, ohne auch nur einmal wirklich überlegen zu müssen.

Obwohl ich zuhörte, glitten Harrys Antworten an mir vorüber. Ich lauschte seiner tiefen Stimme und bewunderte seine Schönheit. Meine Zuneigung zu ihm, machte es mir unmöglich, der Verhandlung angemessen zu folgen.

Als Carpenters Fragen zur Neige gingen, war die Gegenseite dran. Ich war beeindruckt von der Arbeit, die der Verteidiger leistete, doch Juliet stellte alles in den Schatten. Sie war agiler, als Nicolas Carpenter. Sie lief bei der Fragestellung immer wieder auf und ab. Wandte sich direkt an die Geschworenen oder den Richter. Sie war in ihrem Element, das war gewiss. Dieses Schlachtfeld wurde von ihr regiert.

Doch auch die Befragungszeit der Staatsanwaltschaft sollte irgendwann ein Ende finden. Und so durfte Harry den Zeugenstand fürs Erste verlassen. Marley war die nächste in der Reihung. Und nach ihr Noam. Aufgrund der Aufregung und der steigenden Nervosität brach sein französischer Akzent noch stärker durch als sonst. Als Anne in den Zeugenstand gerufen wurde war ich überrascht. Sie schien überaus gefasst. Sie wirkte konzentriert, als würde sie gerade über etwas abgeprüft werden, was sie zuvor wochenlang auswendig gelernt hatte.

Für eine kurze Zeitspanne blieb der Zeugenstand leer. Nicolas Carpenter sprach zu Harry und Juliet mit ihrem Beistand. Schlussendlich war es meine Ex-Freundin, welche sich nach der Stille erhob und sprach. Kraftvoll sagte sie: "Ich rufe erneut den Angeklagten Mr. Harry Edward Styles in den Zeugenstand."

Der Lockenkopf schien nicht sonderlich überrascht. In Windeseile tauschte der den Platz neben seinem Pflichtverteidiger mit dem im Zeugenstand. Juliet trat vor Harry. Ihre Arme an dem Pult abgestützt, auf dem das kleine Mikrofon stand, in das Harry zu sprechen hatte. "Mr. Styles ich möchte Sie an dieser Stelle nochmal daran erinnern, dass Sie unter Eid stehen. Leisten Sie einen Meineid, so verschlimmert sich ihre Lage." Harry nickte diese Erläuterung einfach ab. "In Ihrer Aussage zuvor, sagten Sie, dass es niemanden gab, zu dem Sie nach Ihrer Freilassung gekonnt hätten. Aber dennoch haben Sie sich nach beinahe zehn Jahren für ein Leben außerhalb der Anstalt entschieden. Bei wem fanden Sie Unterschlupf, wenn es doch niemanden gab?"

Harrys Kiefer spannte sich an. Er sagte nichts. Erst als der Richter ihn zu einer Antwort aufforderte, wollte er sprechen. "Bei dem Polizisten...welcher mich in meinem letzten Fall befragt hatte."

Und damit war ich jetzt offiziell Teil dieser Verhandlung.

"Für's Protokoll: Der Angeklagte spricht von Sergeant Louis Tomlinson." Die Geschworenen tauschten verwunderte Blicke aus. Juliet wandte sich nun wieder Harry zu. "Wie war die Zusammenarbeit mit dem Sergeant?" Erst mit dieser Frage lösten sich meine Gedanken von dem grünäugigen Lockenkopf und ich begann zu realisieren.

Ich wusste, was Harry getan hatte. Ich wusste von der Datenfälschung, aber ich meldete es nicht. Stattdessen versicherte ich Harry, ihm zu helfen.

Ich selbst hatte eine Straftat begangen.

Eine Straftat die mir jetzt die Beine brach?

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt