{82. Kapitel}

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Lächelnd blickte ich auf mein Telefon. Harry hatte es tatsächlich geschafft vollkommen alleine eine Nachricht ohne Fehler abzutippen. Er war nach wie vor kein Freund von technischen Geräten, aber er gab sich Mühe. Er setzte alles daran, mir ein unbeschwertes Leben zu ermöglichen. Und dafür liebte ich ihn. Ich liebte diesen grünäuigen Lockenkopf mit jeder Faßer meines Köpers. Aber das war nicht das Beste an meinem Leben. Denn das Beste war, von Harry zurückgeliebt zu werden. Den Traum den jeder hatte, durfte ich tatsächlich leben. Ich war glücklich.

Schnell tippte ich eine Antwort und ließ mein Handy wieder zurück in meine Hosentasche sinken. Konzentriert balancierte ich dabei die Einkäufe auf meinem Arm. Ich erreichte die Wohnung und war überrascht, als ich Harry vorfand. "Sagtest du nicht, du wolltest dich mit Niall und Zayn treffen?" fragte ich, während ich auf ihn zu lief. Er saß in der Küche mit dem Rücken zu mir auf einem Stuhl.

Ich legte die Einkäufe auf den Arbeitsflächen ab. Immer noch auf eine Reaktion wartend drehte ich mich zu ihm um. Aber es passierte nichts. Keine Antwort. Sein Kopf war starr gerade aus gerichtet. Er nahm mich nicht wahr. Erst als ich langsam auf ihn zu trat, erkannte ich die Fesseln.

Harrys Handgelenke waren mit Gurten an den Armlehnen des Stuhls befestigt. Ich schnappte nach Luft. Ich konnte kein Wort sagen. Keiner meiner Gedanken war schlüssig. Mein Körper war erstarrt, aber meine Augen wanderten stückweise Harrys Silhouette hinab.

Auch die Fußknöchel des Lockenkopfs waren an den Beinen des Stuhls festgegurtet. Mit zittrigen Knien trat ich einen weiteren Schritt auf ihn zu. Ich stand nun vor ihm. Ich sah in sein Gesicht. Seine Augen waren geschlossen, sein Kopf leicht zur Seite geneigt. Der Mund stand offen.

"Harry", wisperte ich leise. Ich streckte meine Hand aus. Noch hatte ich ihn nicht berührt und dennoch fühlte ich die immense Hitze, welche von ihm auszugehen schien. Ich streckte meine Finger weiter nach ihm aus, zog sie jedoch sofort erschrocken zurück, als ich ihn berührte. Seine Haut war glühend heiß. So heiß, dass ich mich beinahe verbrand hatte. Ich schlug mir die Hand vor den Mund. Stumm betrachte ich ihn.

Seine Haut war nicht nur unmenschlich heiß, es stiegen auch kleine Rauchschwaden von ihm auf. Zögernd fasste ich an sein Kinn, um seinen Kopf in meine Richtung zu drehen. Da öffneten sich blitzschnell seine Augen. Doch sie waren nicht grün sondern graublau. Ich zuckte zurück. Um meine Sicht zu klären, blinzelte ich mehrmals.

Die Person die festgegurtet vor mir saß war nicht mehr Harry sondern Hunter. Mit weit aufgerissenen Augen starrte mich dieser an. Die Pupillen hatten sich weiß verfärbt, wie als hätte sich ein Schleier über sie gelegt. "LASS NICHT ZU DASS SIE MICH TÖTEN" schrie er. Die Venen an seinem Hals traten durch die Anstrengung deutlich hervor. "DU HAST MIR DEIN WORT GEGEBEN!"

Ich wollte losschreien, aber kein Ton verließ meinen Mund. Erschrocken stolperte ich zurück. Dabei warf ich die Einkäufe zu Boden. Gläser zerbrachen. Mit meiner Hand griff ich nach der Kücheninsel. Ich krallte mich daran fest, bis meine Knöchel schmerzten. Meine Finger verkeilten sich in dem Holz, bis ich bereits das Blut aus meinem verletzten Fleisch sickern spürte.

Ein erstickter Schrei ließ mich aufschrecken. Ich riss meine Augen auf. Um mich herum war alles in Finsternis gehüllt. Der schlampig zugezogene Vorhang gewehrte meinem Blick den Weg hindurch. Ich sah aus dem Fenster. Es war Nacht.

Leise vernahm ich den Klang einer tiefen melodischen Stimme. "Louis, bitte beruhige dich. Du bist in Sicherheit." Es gelang mir nicht den Worten einen Sinn zu entnehmen. Ich fühlte eine Berührung. Zart strich man über meinen Handrücken. Meine Augen versuchten diese liebliche Geste visuell einzufangen. Tiefe Furchen zierten nun den tätowierten Unterarm, den ich in meinen erstarren Fingern hielt.

Ich hatte mich nicht im Holz einer Kücheninsel festgekrallt, sondern in Harrys Körper. Und es war auch nicht mein Blut, sondern seines. Dunkelrot lief es aus seiner verletzten Haut.

"Louis", vernahm ich erneut seine tiefe Stimme. "Es war nur ein Traum", flüsterte er. Erschrocken ließ ich los. Mein benebelter Blick wanderte umher. Ich betrachtete Harry. Sein langes Haar war verwuschelt und sein Oberkörper unbekleidet. Eine Decke umhüllte seine Hüfte und Beine. Aufrecht saß er im Bett. Er hielt mich fest. Sein verunsicherter Blick lag auf mir.

"I-ich..." begann ich zu sprechen, ohne zu wissen was ich sagen wollte. "Es tut mir so unendlich leid." Ich sah auf Harrys blutenden Arm.

"Nein." Der Lockenkopf griff nach meinem Gesicht. Sanft zog er mich näher zu sich. Mein Kopf bettete sich wie von selbst auf seiner warmen Brust. Ich war erschöpft. "Mir tut es leid. Ich habe dir in den letzten Wochen zu viel zugemutet." Die Tonlage, in der er sprach, war von Leid durchzogen. "Ich kümmere mich darum, ich verspreche es dir. Ich gebe dir das Leben, das du verdienst." Kaum merklich küsste Harry meinen Kopf. Er wusste, dass ich schon lange wieder eingeschlafen war.

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt