{40. Kapitel}

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„Isabella Holloway. Es ist schön Sie wieder bei mir zu wissen", sagte ich mit übertriebener Euphorie.

Ich ließ die Tür zum Verhörraum zufallen. Als ich die Akte auf den Tisch warf, zuckte sie kurz zusammen, fing sich jedoch schnell wieder und nahm erneut die Pose ein, in der ich sie bereits vorfand. Ihre in Handschellen gelegten Hände ruhten dabei auf der Tischplatte. Ihr Blick war starr vor sich gerichtet.

„Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen", nuschelte sie vor sich hin.

Ich blätterte durch ihre Akte. „Um ehrlich zu sein, habe ich auch gelogen. Ihre Anwesenheit bringt mich zum Kotzen. Aber ich würde sagen, wir halten uns an das Protokoll und vollenden diese Sache schnell."

„Wie geht es Ihrem Kollegen?" erkundigte Isabella sich.

Ich schenkte ihr ein aufgesetztes Lächeln. „Ich dachte, für jemanden der so intelligent und gerissen ist, wie Sie es sind, würden Sie eigentlich wissen, dass ich hier die Fragen stelle."

Sie zog leicht an den Handschellen. „Könnte ich vielleicht etwas zu Trinken bekommen?"

Ohne meinen Blick auch nur eine Sekunde anzuheben, gab ich ihr meine Antwort. „Nein."

In dem Moment, als ich das Verhör beginnen wollte, wurde ich auch schon wieder von einem Klopfen unterbrochen. Kaum hatte ich mich in die Richtung gedreht aus der das Geräusch kam, erblickte ich auch schon einen der Streifenpolizisten, der mir ein Stück bedrucktes Papier reichte. Flüchtig überflog ich die neuen Informationen, ehe ich den Zettel auch schon wieder beiseitelegte.

„Den Job als Rezeptionistin haben Sie also erst seit wenigen Monaten. Was haben Sie davor gemacht?" Ich legte meine Arme auf der Tischplatte ab und faltete meine Finger ineinander, während ich auf Isabellas Antwort wartete.

„Ich habe studiert. Medizin. Ich wollte Pathologin werden."

„Na Überraschung. Und warum sind Sies nicht geworden?" Meine Stimme konnte kaum mehr Desinteresse beherbergen, als sie es gerade tat.

„Wir hatten einen Gastvortrag von einem Oberarzt aus dem Kings Hospital." Isabellas Lippen zierte ein verträumtes Lächeln. „Es waren so viele Studenten in dem Hörsaal, aber ich hatte das Gefühl, es gab nur uns zwei. Wir hatten eine ganz besondere Bindung... Und er durfte dieses Gefühl auch gehabt haben. Denn nach dem Vortrag hat er auf mich gewartet."

„Ach, na sowas aber auch..."

„Er hat mich auf ein paar Drinks eingeladen und im Laufe des Abends hat er mir einen Job angeboten", fuhr sie ungehindert fort. „Er meinte ich wäre zu schön, dafür dass nur Tote mein Gesicht sehen würden." Sie machte eine kurze Pause. „Und wie Sie sich sicher denken können, habe ich eingewilligt."

„Ja, so weit habe ich auch schon gedacht." Ich ließ meine Hand in der Luft rotieren. „Weiter im Text."

„Er hat mich als Pflegerin eingestellt. Ich hatte immer nur Nachtschichten. Ich dachte das wäre, weil wir dann mehr Zeit für... naja Sie wissen schon." Isabella ließ ihre Augenbrauen nach oben zucken und schenkte mir einen vielsagenden Blick. Ich nickte es ab und deutete ihr weiter zu sprechen. „Aber dann habe ich herausgefunden, dass er einfach nicht wollte, dass seine Frau etwas von mir erfährt." Ihr Lächeln erstarb.

„Er hat nie erwähnt, dass er verheiratet ist?"

„...und Kinder hat. 6 Stück. Nein hat er nicht. Das hat er komischerweise immer ausgelassen." Ihr Blick glitt ins Leere. „Als ich es rausgefunden hatte, hat er mich einfach entlassen. Ich war so sauer. Ich hatte einen Traum." Isabella erhob ihre Stimme. „Ich habe alles über Bord geworfen, für diesen Arsch im weißen Kittel."

„Also haben Sie sich entschieden Rache zu nehmen?"

Mechanisch nickte sie vor sich hin. „Auf seinem Schreibtisch stand ein Schachspiel aus Marmor. Im Streit hatte ich alles vom Tisch gefegt.. Inklusive Schachbrett. Dabei war eine der Figuren in meine Tasche gefallen..."

„... und der Plan war geboren."

Wieder nickte sie.

„Wie haben Sie Ihre Opfer gewählt?"

Isabella wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, bevor sie fortfuhr. „Die Figuren hatten für mich Eigenschaften. Der Turm war stark und beschützend. Das Pferd... elegant und anmutig. Der Läufer... sportlich und eitel..."

„Die Opfer wiesen dieselben Eigenschaften auf, wie jene die Sie den Figuren zugeschrieben haben?"

„Ja" sagte sie ausdruckslos. Immer mehr Tränen liefen über ihr Gesicht. „Das mit Ihrem Kollegen war ein Unfall, ich schwöre es! Ich wollte das nicht! Sie waren einfach schon zu nah an mir dran. Also dachte ich, ich verschrecke Sie, indem ich in Ihre Wohnung einbreche und eine Figur stehle..."

Ich entscheid ihr eine kurze Pause zu genehmigen. Schluchzend saß sie vor mir, während ich sie stumm musterte.

„War die Dame für die Ehefrau des Arztes und der König für ihn selbst bestimmt?" fragte ich nach wenigen Momenten der Stille.

Sie nickte. „Ich wollte doch nur seine Aufmerksamkeit!" rief sie.

Ich wollte etwas erwidern, doch da wurde ich von meinem klingelnden Smartphone unterbrochen. Ich zog es aus meiner Hosentasche und sah auf eine unbekannte Nummer.

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt