{34. Kapitel}

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„Was kommt jetzt auf mich zu? Wird er mich anspringen? Mich manipulieren und meine Gedanken lesen?", waren die ersten Worte, die Liam seit unserer kleinen Auseinandersetzung an mich richtete. Und wenn ich ihm so zu hörte, dann wurde der Wunsch in mir laut, dass er sich wieder in Stille hüllen würde.

„Harry ist ein ganz normaler Mensch. So wie du und ich", war alles was ich erwidern konnte.

Im Augenwinkel sah ich, wie Liams Augenbrauen nach oben zuckten „Mit dem kleinen Unterschied, dass wir Cops sind und er ein Häftling."

Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. Nochmals auszurasten konnte ich mir nicht leisten. Am Ende würde ich noch ausplaudern, was Harry wirklich war. Also ließ ich Liams schnippischen Kommentar unbeantwortet. Stattdessen stieg ich aus dem Wagen, der uns zum Luminal gebracht hatte und lief auf den Eingang zu.

Ich begrüßte Noam, wie ich es sonst auch immer tat. Dieser wand sich mit seinen Worten direkt an mich. „Sie können schon bis zur ersten Sicherheitstüre durchgehen. Ein Wärter wartet bereits auf Sie." Dankend lächelte ich ihn an und tat wie mir befohlen.

Ich hörte Liams dumpfe Schritte hinter mir her trotten, als ich zielsicher den Gang hinunter ging. Wie zuvor von Noam angekündigt, stand ein Wärter vor der ersten Türe.

„Guten Tag, Sergeant Tomlinson", sagte er mit seiner ruhigen Stimme, als wir nur mehr wenige Schritte von ihm entfernt waren.

Überraschend meldete mein Kollege sich zu Wort. „H-hallo, Ich bin Payne Sergeant Liam... ä-ähm Sergeant Liam... Sergeant Liam Payne." Danach folgte peinliches nervöses Gelächter. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und schenkte meinem sonst so selbstsicheren Kollegen einen verwirrten Blick.

„Sehr erfreut, Sergeant Liam Payne. Mein Name ist Zayn Malik." Er ergriff Liams Hand, die er ihm ausgestreckt entgegen hielt. „Können wir?" Mit unserer stillen Zustimmung wand Zayn sich ab und öffnete uns die erste Tür.

Nur am Rande nahm ich das oberflächliche Gespräch, in das Liam den Wärter verwickelt hatte, wahr. Die Fahrt mit dem Fahrstuhl, die unzähligen Gänge und Sicherheitstüren zogen nur so an mir vorüber. Erst als ein bereits aufgeregt wartender Harry in mein Sichtfeld trat, wurde ich wieder fokussierter. Schüchtern lächelte er mich an, während die letzten Verriegelungen gelöst wurden.

Liam schreckte auf, als der Alarm ertönte. Für mich war dieses schrille Geräusch bereits Routine.

Ich wusste nicht richtig, wie ich mich in Liams Gegenwart Harry gegenüber verhalten sollte. Doch der grünäugige Lockenkopf schien in dieser Hinsicht weniger Bedenken zu haben. Denn sofort zog dieser mich stürmisch und ohne Zurückhaltung in seine Arme. Mit breitem Lächeln und wild hämmernden Herzen schmiegte ich mein Gesicht in seine Halsbeuge und atmete seinen verführerischen Duft ein. Dieser Moment konnte noch ewig andauern, doch da hörte ich bereits das genervte Räuspern meines Partners im Hintergrund.

Ich fühlte, wie Harry leicht zu Schmunzeln begann. „Du hast mir gefehlt", raunte er in mein Ohr. Ich wollte etwas erwidern, aber Harry wandte sich bereits an Liam. „Sergeant Liam Payne. Habe ich recht?" Der Angesprochene antwortete nicht. Für einen Bruchteil einer Sekunde hatte ich Angst, dass Liam ebenfalls Harry in dem Phantombild erkennen würde, wie ich es einst tat.

Doch meine Befürchtungen lösten sich Rauch auf. Man konnte förmlich dabei zu sehen, wie Liam unter Harrys charmanter Erscheinung einknickte. Sein Verstand schien in Harrys Gegenwart so wenig zu funktionieren, wie der Meinige.

„Ich bin Harry", sagte der Lockenkopf nach langer Zeit der Stille, mit seidig weicher Stimme und einem zarten Lächeln auf den Lippen. Liams angespannte Körperhaltung sackte augenblicklich zusammen, als Harrys grüne Augen ihn durchbohrten.

„Freut mich." Zögernd erwiderte Liam das Lächeln, das ihm geschenkt wurde.

Der Grünäugige drehte seinen Kopf und nahm nun mich wieder in den Augenschein. „Also, welche Figur hat man bei dir gefunden?", wollte er wissen. Es war für mich nichts Ungewöhnliches mehr, dass Harry bereits Dinge wusste, die noch nicht geäußert wurden. Aber Liam schien ihm einen verwirrten Blick zugeworfen zu haben. „Sonst wärt ihr vermutlich nicht zu zweit gekommen", erklärte Harry sich.

Ich legte die Akten auf den Tisch. „Man hat keine gefunden... Es fehlt eine. Der König."

Harry zog scharf die Luft ein und fuhr sich durch die Haare. Er kam auf mich zu und nahm meine Hand in seine. „Louis, überlasse diesen Fall endlich jemand anderem." Der Nachdruck in seiner Stimme war kaum zu überhören. „Ich möchte dich nicht in der Schusslinie wissen."

„Wieso denkt jeder, dass ich mich nicht verteidigen kann?"

Harrys Hand wanderte zu meiner Wange. „Ich weiß, dass du dich verteidigen kannst. Aber das ist kein Spiel mehr." Seine Augen huschten wild über mein Gesicht. „Ich lasse nicht zu, dass du der nächste bist." Sein Blick war gequält. Ein eisiger Schauer glitt über meinen Körper, ausgelöst von seinen Worten.

Erst als Liam wieder das Gespräch aufnahm, erkannte ich, dass ich ihn vollständig ausgeblendet hatte. „Wir dachten uns, du könntest vielleicht die Akten durchgehen. Vielleicht siehst du etwas, dass wir nicht sehen."

Harry löste seinen Blick nicht von mir, auch dann nicht, als er nach den Akten griff. Etwas stimmte nicht. Etwas war anders. War etwas passiert oder würde etwas passieren?

In meiner Welt schien es dunkler zu werden, als er sich schlussendlich doch abwandte, um sich den Unterlagen zu widmen.

Wie in Trance stand ich da und sah ihm zu, wie er sie rasch und offenbar willkürlich durchblätterte. Seine Augen huschten so schnell über das bedruckte Papier, dass es für mich als unmöglich erschien, dass er in dieser Geschwindigkeit überhaupt etwas lesen konnte. Seine Hände glitten über die Seiten, schlossen eine Akte und öffneten eine neue. Hin und wieder verließ eine Frage seinen Mund, die von Liam spärlich beantwortet wurde. Doch mein Kollege verschwendete nur Luft. Harry schien mehr Selbstgespräche zu führen.

„Warum habt ihr die Ärzte befragt?"
- „Weil der Täter einen medizinischen Hintergrund ha..."
„Ja, aber warum die Ärzte? Das macht keinen Sinn. Ärzte haben keine Zeit, um ihre Patienten genauer kennenzulernen.
- „Ähm Naja ja nicht jeder Arzt, aber..."
„Die Pfleger. Ihr hättet die Pfleger checken müssen. Anfängerfehler."

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Liam hatte irgendwann aufgegeben Harrys Fragen zu beantworten.

Ein kurzer Blick zu Liam sagte mir, dass er gerade dasselbe Gefühl empfand, wie ich es tat.

Dieses unbeschreibliche Gefühl das man hat, wenn man das erste Mal Schnee sieht. Oder die Wärme von Feuer spürt.

Dieses Gefühl von Faszination.

Und dann passierte es. Harrys Augen stoppten. Sein Kopf schnellte nach oben.

Er hatte es.

Er hatte das letzte Puzzleteil.

Harrys Lippen formten die Worte, die in mir Verständnis und in Liam Wut auslösten.

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt