{36. Kapitel}

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Ich biss mir auf die Unterlippe, um mich selbst daran zu hindern einen Mucks von mir zu geben. Meine Atmung hatte sich nahezu selbst eingestellt. Aber mein Herzschlag ging doppelt so schnell.

Ich fühlte die Präsenz der Person hinter mir. Sie war größer und kräftiger als ich es erwartet hatte. Geräuschlos wich ich zurück, sodass ich einen Blick auf den Neuankömmling werfen konnte.

Scharf zog ich die Luft ein, was meine Lunge mir mit einem stechenden Schmerz dankte. Die Schockstarre verließ mich, als ich in Liams dunkelbraune Augen sah.

Sein Blick war starr auf die Tür gerichtet. Den Ausdruck den sein Gesicht dabei annahm, war für mich unergründlich. „Wir sind Partner", flüsterte er plötzlich kaum hörbar. „Und auch wenn du das vielleicht anders sehen magst, aber für mich bedeutet es dem anderen den Rücken freizuhalten, egal wie verfahren die Situation auch sein mag. Also wenn du denkst, dass an dieser Sache hier etwas dran ist... dann bin ich da."

Ich hatte das Gefühl, etwas erwidern zu müssen. Aber etwas sagte mir, das dieses Gespräch eines war, das man nicht unbedingt auf der Türschwelle zu einer Wohnung führen sollte, in die man gleich unbefugt eintreten würde. Weshalb ich seine implizierte Entschuldigung fürs erste unbeantwortet verhallen ließ. Nach dieser Operation würde ich mir die Zeit nehmen, um mit Liam ausführlich darüber zu sprechen.

Mein Kollege schien meinen unausgesprochenen Gedankengang problemlos gefolgt zu sein. Denn mit seiner nächsten Bewegung positionierte er sich neben der Tür und zog seine Waffe aus deren Halfter.

Ich atmete tief durch und versuchte zurück in meine Konzentration zu finden. In meinem Kopf zählte ich bis drei. Dann signalisierte ich Liam, dass ich nun die Tür öffnen würde. Sein bestätigendes Nicken war mein Startschuss.

Schwungvoll und dennoch geräuscharm schwang ich die Tür auf. Die Versorgung meiner Lungen mit Sauerstoff führte ich nur noch spärlich durch, als wir den ersten Schritt in die Wohnung setzten. Nahezu zeitgleich erhoben wir unsere Pistolen und gaben uns gegenseitig Rückendeckung.

Aber niemand war zu sehen.

Der kleine Flur, der nahtlos in ein Wohnzimmer überging war erschreckend unordentlich. Weshalb ich länger brauchte, um mir ein erstes Bild des Raumes zu machen, der sich vor uns erstreckte. Die Einrichtung war wenig aussagekräftig. Sie war in Pastelltönen gehalten. Keine Bilder, keine Pflanzen. Zur dürftigen Dekoration gesellten sich einzelne Pokale von gewonnenen Buchstabierwettbewerben.

Wir tätigten unsere nächsten Schritte vorwärts. Liam orientierte sich dabei an der rechten Wand und ich tastete mich an der linken entlang. Mein Gleichgewichtssinn wurde auf die Probe gestellt, als ich auf einem herumliegenden BH ausrutschte. Ich taumelte. Blieb jedoch stehen.

Liam zog meine Aufmerksamkeit auf sich, als er mit seinem Kopf in eine Richtung deutete. Mein Blick folgte.

Meine Augen mussten nicht lange orientierungslos umherkreisen, denn sofort fokussierte ich ein Etwas.

Und dieses Etwas ließ mich schlucken.

Es schien eine sorgfältig zusammengelegte Uniform der Straßenreinigung zu sein.

Die Bilder der apothekennahen Überwachungskamera durchfuhren mich wie ein Blitz. Er ließ mich erkennen, wie  gefährlich die Situation war, in der Liam und ich uns gerade befanden. Aber ich streckte bereits zu tief drin. Ich war besessen davon den Fall zu lösen. Ich ignorierte Liams stumme Anweisung, dass wir uns zurück ziehen und auf die angeforderte Verstärkung warten sollten.

Immer weiter bewegte ich mich in der kleinen Wohnung vorwärts. Je mehr ich sah, desto stärker wurde mir bewusst, dass diese Erkenntnisblitze nicht das einzige war, das heute neben uns niedergehen würde. Denn mit dem nächsten Schritt nahm ich ein Geräusch war, welches mir signalisierte, dass unser anfänglicher Eindruck falsch war.

Wir waren nicht alleine.

Das Geräusch klang nach einem Duschkopf, der auf vollster Stärke aufgedreht war. Unaufhörlich prasselte Wasser auf Keramik.

Langsam folgte ich dem Geräusch.

Schneller als mir lieb war, fand ich die Tür zum Badezimmer. Sie stand einen Spalt offen, durch den bereits heiße Dampfschwanden zu mir drangen.

Zu  meinem Glück, ging die Tür ohne ein mich ankündigendes Knarren auf. Mit ausgestreckten Armen hielt ich meine Waffe in den Raum. Die tief hängenden Dampfschwanden versperrten meinem Blick den Weg. Der Badezimmerspiegel war so stark beschlagen, dass sich erste Wassertröpfchen an ihm gebildet hatten. Welche sich bereits, durch die Schwerkraft, einen Weg über die glatte Oberfläche des Spiegels gebahnt hatten.

Mein Blick wanderte wieder zurück zur Badewanne. Sie wurde durch einen blickdichten geschlossenen Duschvorhang verdeckt. Meine Hand war zittrig, als ich meine Finger nach dem Vorhang ausstreckte, um ihn beiseite zu ziehen.

Auf den Blitz folgte der Donner.

Mit einem Schlag schien die Erde still zu stehen.

All meine Sinne nahmen nur noch eine Sache wahr.
- Das Abfeuern von Schüssen.

Das Gewitter brach los. Und ich war mittendrin.

Schachmatt || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt