Ich war zurück auf dem unbequemen Stuhl und starrte auf das kleine Mikrofon vor mir. Mein Kopf war im Leerlauf. Dass die Verhandlung bereits weiterging, war an mir vorbei geglitten. Ich schreckte auf, als Juliets Stimme neben mir ertönte. "Mr. Tomlinson, vor unserer Pause fragte ich Sie, ob Sie etwas von Harrys kriminellen Machenschaften wussten. Sie blieben uns eine Antwort schuldig, weshalb ich Sie nun erneut fragen werde." Sie drehte sich vollständig zu mir. Ihr ernster Gesichtsausdruck erweichte sich. "Wussten Sie von der Datenfälschung?"
Mein Blick war dabei zu Harry zu wandern, doch auf halbem Wege verbat ich es mir. Ich sah zurück auf den Tisch vor mir. Meine Augen fixierten erneut das Mikrofon. Nun war ich es, der wie eine Schaufensterpuppe da saß. Ich vergaß zu atmen. Ich vergaß zu blinzeln. Es wurde immer und immer Stiller. Doch nicht nur um mich herum, sondern auch in meinem Kopf wurde es immer leiser. Ich dachte nicht mehr darüber nach, was ich sagen sollte.
Ich war mir sicher, mein Nervenzentrum hatte noch keinen Befehl losgeschickt und dennoch hörte ich mich sprechen. "Nein. Nein ich wusste nichts davon." Ich war wie in Trance.
"Sie wussten nichts davon?" wiederholte Juliet das soeben von mir Gesagte.
"Nein. Bevor ich etwas hätte erahnen können, war Harry bereits verschwunden."
Juliet zog harsch die Luft ein, als hätte sie nicht geahnt, diese Worte tatsächlich aus meinem Mund zu hören. "Vielen Dank, Mr. Tomlinson. Von der Staatsanwaltschaft gibt es erstmals keine weiteren Fragen."
Sie blickte zu Harrys Pflichtverteidiger, welcher sich, den Knopf an seinem Sakko schließend, erhob. "Ich hätte durchaus noch Fragen, jedoch richten sich diese nicht an den Sergeant. Sondern ich würde gerne nochmals meinen Mandanten in den Zeugenstand rufen."
Juliet schien überrascht und auch in Harrys Mimik spiegelte sich Verwunderung. Das was jetzt folgte, war offenbar nicht geplant.
Der Lockenkopf und ich erhoben uns simultan. Ich trat aus dem Zeugenstand heraus, während er auf mich zukam, um dort wieder platz zu nehmen. So nahe wie jetzt war ich Harry schon seit einigen Monaten nicht mehr. Doch ihm visuell nah zu sein, sollte in diesem Moment nicht alles sein. Denn Harry schenkte mir eine flüchtige Berührung.
Als wir auf gleicher Höhe waren und ich an ihm vorbei gehen wollte, streiften seine Fingerknöchel zart meinen Handrücken. Es war nicht von Dauer, so flüchtig und hauchzart, dass ich Angst hatte, es mir nur eingebildet zu haben.
Doch egal ob eingebildet oder nicht, augenblicklich fühlte ich mich sicher. Alles würde gut werden. Harry würde einen Weg finden. Er war ein Genie. Intelligenter und talentierter, als jeder andere.
"Mr. Styles, wir haben nun schon einiges von Ihnen gehört. Aber etwas das mich persönlich interessiert, wurde noch nicht angesprochen." Mit den Händen in den Hosentaschen trat Carpenter auf den Zeugenstand zu. "Sie erwähnten einen Namen. Hunter Burris..."
Plötzlich meldete sich jemand zu Wort. Jemand der uns zuvor seine Stimme noch nicht hat hören lassen. Juliets Beistand. "Bis jetzt haben wir noch keine Bestätigung erhalten, dass dieser Hunter Burris tatsächlich existiert. Also worauf wollten Sie hinaus, Herr Pflichtverteidiger?" Er sprach mit Nachdruck. Sein Kopf lief dabei deutlich rot an.
Nicolas Carpenter blickte zu dem Richter empor. "Nun ja, ich denke, es wäre von gerichtlichem Interesse, zu erfahren, wie mein Mandant mit Herrn Burris in Kontakt treten konnte, wenn Mr. Styles doch eigentlich isoliert war."
Der Richter faltete seine Hände ineinander und bettete sein Kinn darauf. "Ich lasse die Frage, von Seiten der Verteidigung, zu. Mr. Styles antworten Sie darauf."
Harry kam der Aufforderung nach. "Ich traf ihn innerhalb der Anstalt eigentlich nie." Ich sah zu den Geschworenen, allesamt legten ihre Stirn in Falten, wie als wäre der rote Faden, der durch die Verhandlung führte, soeben gerissen. "Hunter schickte immer seine Mittelsfrau. Sie bot mir bereits vor einigen Jahren diesen Deal an, aber ich lehnte ab. Erst als ich die negativen Gutachten erhielt, willigte ich ein."
"Ich möchte an dieser Stelle das Gesagte nochmals wiederholen." Der Pflichtverteidiger stand nun direkt vor den Geschworenen. "In einem Zeitpunkt der geistigen Gesundheit lehnte der Angeklagte diesen Deal ab. Doch als mein Mandant bereits als geistig unzurechnungsfähig eingestuft wurde, sagte er zu und die Fälschung ging über die Bühne." Während er sprach, lief Carpenter vor der Geschworenenbank auf und ab. Zu jedem einzelnen der Anzugträger suchte er Augenkontakt. "Und jetzt frage ich mich... Nein! Ich frage Sie, Euer Ehren!" Schwungvoll drehte er sich zu dem Richter um. "Warum sind wir heute hier?" Der Pflichtverteidiger wartete keine Antwort ab, stattdessen trat er in die Mitte des Gerichtssaals. Er zeigte auf Harry. "Mein Damen und Herren, sehen Sie ihn sich an. Harry Styles, ein Angestellter, der für seinen Job zehn Jahre inhaftiert... Nein, sogar isoliert wurde!" Harry hielt seinen Kopf gesenkt. Es war ihm sichtlich unangenehm von allen angestarrt zu werden.
Geflüster wanderte durch die Bänke. Carpenter ließ eine Unruhe entstehen. Er blickte in die Menge der Anwesenden. "Stellen Sie sich das vor. Zehn Jahre Isolation! Was macht das mit einem?" Er selbst verstummte für einen Moment. Er ließ die Vorstellungskraft der Geschwornen für sich arbeiten. "Nach zehn Jahren kann keiner mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden. Ich persönlich wüsste nach zwei Wochen vermutlich schon nicht mehr welcher Schuh an welchen Fuß gehört." Seine energiegeladene Ansprache verpasste mir eine Gänsehaut. "In einem Zeitpunkt, als Harry Normalität noch als solche erkannte, da lehnte er ab. Und ist nicht genau das der Punkt, auf den wir uns fokussieren sollten? Nach allem was Harry durchstehen musste, sollten wir immerhin so fair sein und ihn nach etwas beurteilen, das er bewusst getan hat, als er gesund war. Und uns nicht auf etwas konzentrieren, das erst passiert ist, als er nicht mehr unterscheiden konnte was gut und böse ist."
Nicht nur die Geschworenen gerieten ins Grübeln, sondern auch der Richter. "Da ist etwas dran", nuschelte er.
Juliets Beistand erhob sich. "Einspruch!", rief er. "Es gibt keinerlei Beweise, dass der Angeklagte zu einem Zeitpunkt der geistigen Gesundheit tatsächlich diesen Deal bewusst ablehnte."
Der Richter holte Carpenter zu sich. Er sprach nur für den Verteidiger. "Nicolas, gibt es Beweise? Einen Zeugen, der bestätigen kann, dass Styles den Deal einst ablehnte."
"Ich will mich kurz mit ihm beraten", nuschelte Carpenter zurück. Der Richter erlaubte es und der Verteidiger trat auf Harry zu. Mit seiner Hand bedeckter der das Mikrofon, sodass das Gesprochene nur unter den beiden blieb. So sehr, wie noch nie etwas zuvor, wollte ich wissen, welche Worte sie gerade wechselten. Harry schien über diese Aktion definitiv überrascht zu sein.
Das Geflüster kam zu einem Ende und Nicolas Carpenter trat vor das Richterpult. "Euer Ehren, wir bitten um einen Aufschub. Es gibt eine Zeugin, doch wir benötigen Zeit, um diese ausfindig zu machen."
"Wer ist diese Zeugin?" wollte der Richter wissen.
"Die Mittelsfrau von Hunter Burris. Lillith Anderson."
Ich verschluckte mich beinahe an meiner eigenen Spucke. Lillith? Die märchenhafte Frau, die in der Bar zu mir sprach? Sie soll Hunters Mittelsfrau sein? Nein, es war unmöglich. Sie war so zierlich und von solch einer Eleganz und Weisheit. Sie konnte keineswegs für Hunter arbeiten. Aber wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass es in dieser Gegend noch jemanden mit diesem Namen von Seltenheit gab?
Der Richter zog meine Aufmerksamkeit auf sich. „Ich gewähre einen Aufschub von 48 Stunden. Nicht mehr und nicht weniger. Nutzen Sie Ihre Zeit und finden Sie die Zeugin!"
Ich fühlte mich, als hätte er direkt zu mir gesprochen.
Ich musste sie finden. Koste es, was es wolle.
Wird Louis sie finden? Was meinst du? 🧐
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Schachmatt || Larry
FanfictionWas passiert, wenn der gefährlichste Insasse eines Hochsicherheitstrakts, zu deinem größten Vertrauten wird? Du fühlst dich genau bei der Person am wohlsten, bei der du es am wenigsten tun solltest. Larry Stylinson Cover by SPACE_BLAKK