Wer den Atem anhält

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"Wie bist du hier rein gekommen?"

Die rabenschwarzen Locken hatte sie zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, was ihre türkisblauen Augen ungemein hervorhob. Hinter ihnen verbarg sich eine beunruhigende Wachsamkeit und eine Stärke, die auch ihr muskulöser Körper widerspiegelte. Und sie blickten unverwandt in Chihiro's.

Chihiro richtete sich zu ganzer Größe auf, um zu zeigen, dass sie sich von Yama nicht einschüchtern ließ. "Ich habe da so meine Tricks", erwiderte sie kurz und straffte die Schultern.

"Ah ja", meinte Yama und hob das kantige Kinn. Die strengen Gesichtszüge hätten bei niemand anderem natürlich gewirkt, zumal Yama schon bei ihrer ersten Begegnung einen ziemlich toughen Eindruck hinterlassen hatte. Oh ja, sie war tough und das nicht nur zur Show, wie Chihiro beobachten konnte. "Ich kann mir vorstellen, weshalb du gekommen bist. Aber lass mich dir im Guten sagen, dass es vergebens ist. Es ist zu spät."

Und du meist, das hält mich auf?, dachte sie bissig und hielt sich gerade so davon ab, es laut auszusprechen. 

Sie hatte nicht damit gerechnet, einer Novizin zu begegnen. Es wäre ja auch zu leicht gewesen. Ihren ursprünglichen Plan konnte sie damit getrost über Bord werfen. Im Gespräch mit den Novizen würde sie kein Verständnis erwarten können, Unterstützung erst recht nicht; sie hatten Haku ohne Gnade verfolgt, ihm verzauberte Schellen angelegt, Verletzungen zugefügt, ihn festgesetzt und irgendwo weggesperrt, um ihn jetzt einem Gott zum Fraß vorzuwerfen. Nein, mit denen konnte sie nicht auf diese Weise reden. Chihiro wusste nicht viel über sie, aber genug, um das zu erkennen.

"Zu spät?", fragte sie, um Zeit zu schinden und überlegte, wie sie nun am besten vorgehen sollte. Ein neuer Plan musste her, und zwar schnell. 

Yama's Gesicht nahm beinahe weiche Züge an, als sie in ruhigem Ton vorschlug: "Wenn du es wünschst, werden wir dir helfen, nach Hause zu kommen. Wir eskortieren dich zu einem Portal und du kannst unbeschadet heimkehren und dein Leben weiterführen. Du hast bislang nichts Falsches getan, also kein Grund, jetzt damit anzufangen."

"Das sehe ich anders", erwiderte Chihiro bitter und ballte die Hände zu Fäusten. "Ich möchte mit Hora sprechen, wenn's recht ist."

Yama's Blick wurde eindringlich. Sie senkte die Stimme und betonte dabei jedes Wort: "Wenn du schlau bist, nimmst du das Angebot an, solange es noch gilt."

Oha, die meint es ja ernst. Schnell, denk nach! Was hatte Saya über die Novizen gesagt? Sie sind sture Böcke, eingebildete, sexistische Arschgeigen... nun ja, das hatte sie zumindest über Teban gesagt. Aber was noch? Sie sind eine eingeschworene Gemeinschaft, ziemlich mächtig, quasi alle kurz vor Vertragsabschluss, halten nicht viel von Menschen, sind treu, unglaublich pflichtbewusst, überheblich...

"Nein." Ihre Antwort kam ohne das geringste Zögern und ließ keinen Zweifel daran, wie ernst es ihr war.

Yama schien das zu erkennen, denn sie seufzte frustriert und ging einen Schritt auf Chihiro zu. "Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dich im Namen des Rats festzunehmen. Ergibst du dich freiwillig?"

Wieder kam ihre Antwort schnell und so kühl, dass sie keinen Raum für Zweifel ließ. "Nein."

Yama agierte so schnell, dass Chihiro kaum wusste, wie ihr geschah, als Yama ihr die Arme auf den Rücken drehte und sie festzeckte. Chihiro merkte daran, wie gezielt Yama sich bewegte, dass sie nur ihre halbe Kraft einsetzte, wenn überhaupt. Klar, womit sollte Yama auch rechen? Ein Mensch war für sie kein Gegner, wo sie es doch tagtäglich mit übleren Kreaturen aufnahm.

Genau, ich bin kein Gegner für dich. Kein Grund, sich anzustrengen.

Sie zappelte ein wenig, tat, als wollte sie sich losreißen. "Lass mich los! Verdammt noch mal, lass los!"

Spirited. Always.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt