Bei allen Göttern

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Das Entsetzen, das sie alle überkam, als sie die Weiße Kammer betraten, ließ auch Saya erstarren. Sie hatte nicht glauben wollen, was Yama rennend durch alle Flure gebrüllt hatte: "Der Mensch dringt in die Gewölbe ein! Sofort, alle nach unten!"

Und alle waren diesem Ruf gefolgt; Teban vorne weg, bereits voll ausgestattet für das anstehende Zeremoniell. Saya hätte ihm ja gern an den Kopf geworfen, dass er in der langen Robe und mit dem kristallbesetzten Gürtel so reizend wie Yama an ihren besten Tagen aussah, aber das war dann in der Hektik doch unpassend gewesen. Stattdessen war sie gelaufen wie der Teufel, um mit Shouta Schritt zu halten, der in die Gewölbe hinuntergeeilt war. Selbst einige der Brüder fanden sich in der Weißen Kammer ein. Sie trafen natürlich nicht verschwitzt und derangiert ein wie die Novizen, schließlich konnten sie sich auf ihre Art durch das Kloster bewegen - wie genau, wusste Saya auch nicht, aber Treppen benutzten sie jedenfalls nicht.

Hora stand in vorderster Reihe. Die Blicke auf das Loch in der Wand gerichtet, murmelten die Brüder: "Das hätte nicht passieren dürfen."

Allerdings, dachte Saya erstaunt. Nicht einmal die Novizen waren in der Lage, allein in die versiegelten Kammern zu gelangen. Nur die Brüder und jene, denen sie es gestatteten, konnten sie betreten, indem sie durch die Wände gingen. Aber schließlich hatte auch Teban es irgendwie geschafft.

"Wie konnte er dazu in der Lage sein?"

"Wo ist er hin?"

"Dieses Gewitter ist nicht natürlich."

Und schließlich: "Was sollen wir tun?"

Saya ließ sich nicht beirren und hängte sich an Teban, der fuchsteufelswild durch das Loch hinaus starrte. "Also, was können wir tun?", fragte Saya direkt heraus.

Teban betrachtete sie, als wäre er sich ihrer erst jetzt gewahr und blickte sie düster an, als wäre das alles ihre Schuld. "Du tust gar nichts."

"Sei nicht albern. Wir müssen jetzt alle zusammenarbeiten", mischte Shouta sich ein und legte sowohl Teban als auch Saya eine Hand auf die Schulter. "Wenn wir irgendetwas ausrichten können, dann als Team. Und ich bete, dass wir etwas unternehmen können."

"Das Biest ist nordwärts geflogen", schaltete sich Yama ein. "Die Brüder meinen, der Dämon verursacht dieses Unwetter. Die Schutzschilde wurden allesamt durchbrochen." Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, was mehr als deutlich machte, was sie davon hielt. Yama derartig zu sehen - so schockiert - beunruhigte Saya noch mehr als die Tatsachen ihrer Situation.

"Warum ist er nicht hier", murmelte Teban, der die Anwesenden scheinbar ausgeblendet hatte und seinen Gedanken nachhing. "Er hätte längst eintreffen sollen, verdammt!"

Ja, der liebe mächtige Gott, auf den hier seit Stunden gewartet wurde und der sich noch nicht hatte blicken lassen. Und sein Nichterscheinen versetzte das gesamte Kloster in helle Aufregung.

"Für Verwünschungen und Flüche haben wir jetzt keine Zeit." Die drei blickten Hora an, der, mit vier weiteren Brüdern des Rates an seine Schüler herantrat. "Wir müssen tun was in unserer Macht steht, um den Dämon aufzuhalten. Wir können ihn nicht mehr gefangen nehmen, aber wir müssen verhindern, dass er Schaden anrichtet, der nicht mehr zu beheben sein wird." Er atmete tief durch und blickte gedankenverloren in den dunklen Himmel hinaus, ehe er hinzusetzte: "Beten wir, dass unser werter Gast noch eintrifft, bevor wir versagen."

"Dann mal los", erklang die Stimme von Yin, der sich irgendwie angeschlichen hatte, nun bei ihnen stand und einen seiner magischen Wurfsterne in der Hand drehte. "Ich warte schon ewig darauf, dass hier mal was Interessantes passiert. Die Sache lohnt sich jetzt schon, immerhin habe ich Teban noch nie so blöd aus der Wäsche gucken sehen. Sollen wir dann? Oder wartet ihr auf eine schriftliche Einladung?"

Spirited. Always.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt