Kräfte

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Jemand redete auf sie ein, aber Chihiro konnte die Worte kaum verstehen, geschweige denn, die Stimme zuordnen. Es war, als spräche man aus weiter Entfernung zu ihr, als stünde jemand hinter der Tür eines Zimmers, begleitet von einem seltsamen Rauschen. Sie wollte etwas sagen, aber wenn etwas über ihre Lippen kam, hörte sie die Laute nicht und spürte auch nicht die Bewegungen ihres Mundes. Konnte sie überhaupt irgendetwas an ihrem Körper bewegen? Sie nahm nicht einmal wahr, ob ihr der Versuch gelang.

Es vergingen Sekunden, ehe sie die Stimme nun deutlicher hörte, wenn auch schwach: "... durchhalten... gleich besser..." Dann folgte ein harsches: "Sieh mich an! Los, mach die Augen auf!"

Chihiro versuchte es, brachte aber nur mühsam ein Blinzeln zustande. Alles, was ihre Augen erfassten, war etwas Helles. Etwas Gelbliches. Sie wurde geschüttelt, fühlte langsam das Rütteln in ihren Gliedern. Ihr Kopf fiel nach vorn. Jemandes Arm war um ihre Taille geschlungen, ihr eigener hing schlapp über jemandes Hals. Allem Anschein nach befand sie sich noch im Meer, oder vielmehr darauf, denn das komische Gefühl, auf einem Wasserbett zu stehen, war mit einem Mal wieder da.

"Hörst du mich? Chihiro!"Sie wollte den Kopf heben, brachte aber nur fertig, dass er ihr in den Nacken fiel. Der Griff um ihre Taille wurde fester. "Bleib gefälligst wach!", verlangte die Stimme im Befehlston, die verdächtig nach einem gewissen Novizen klang.

"Ach.. plötzlich bin ich... Chihiro, hm?", fragte sie und wäre beinahe vor dem kratzigen, rauen Klang erschreckt, den sie hervorbrachte.

Wieder fasste der Arm um ihre Taille nach, als hätte Teban Mühe, sie zu halten. "Bilde dir nur nichts darauf ein."

Sie hustete, als ihr eine Welle ins Gesicht schlug und ihren Mund mit Wasser füllte. Teban ließ ihre Hand los und umfasste ihr Kinn, drehte ihr Gesicht aus dem spritzenden Wasser. Sie spürte seinen Körper eng an ihren gepresst, weil er sie an sich drückte. "Saya sagt, du weißt, wie man ihn aufhalten kann. Sag es mir", verlangte er erneut.

"Ich kann es vielleicht", würgte sie mühsam hervor. "Aber ich kann... mich nicht bewegen."

"Sag mir wie, und ich erledige das. Schnell, bevor du wieder ohnmächtig wirst."

Chihiro wollte sich von ihm losmachen, war aber sie war nicht einmal fähig, alleine zu stehen. Dass sie die Augen aufmachen konnte, kostete sie schon viel Kraft. Ihr ganzer Körper fühlte sich schwer an, ihre ganze Haut kribbelte. Sie erschrak, als sie an Teban vorbei auf ihren Arm blickte, der um seinen Hals lag, und die Ursache erkannte: Die Haut war an etlichen Stellen aufgerissen und fast überall verbrannt, teils schwarz verkohlt. Blut rann von ihrem Arm und verschmierte an Tebans Hals.

"Nicht in Panik geraten", warnte er mit scharfem Unterton. "Konzentrier dich und antworte mir!"

"Du kannst es... nicht."

Sein Griff wurde fester, als er von verletztem Stolz zornig wurde.

"Ich bin viel mächtiger als du dir vorstellen kannst, also raus damit, bevor wir hier alle draufgehen!"

"Mein Ring..." Sie konnte nicht weitersprechen, nicht erklären, was sie tun musste. Ihre Stimmbänder rieben zu stark aneinander, ihre Kehle war staubtrocken. Jeder Versuch zu schlucken bereitete ihr Schmerzen.

Teban berührte ihre Hand und fingerte nach ihrem Ring. "N... cht", warnte Chihiro und wollte die Hand zur Faust ballen, als sie seine Absicht erkannte, aber er hatte wesentlich mehr Kraft und riss grob ihre Finger auseinander, um an das machtvolle Schmuckstück zu kommen. Was erlaubte er sich? Chihiro hatte ja gewusst, dass man Teban vermutlich nie bekehren könnte, was das Aufbringen von Mitgefühl - und Menschenverstand - betraf, aber dass er auf diese Weise versuchte, seinen Willen durchzusetzen, erschreckte sie trotzdem.

Spirited. Always.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt