Der Opal (2/2)

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Anspannung machte sich in Haku breit. Er wollte aufstehen, fühlte aber, dass irgendetwas ihn niederhielt, eine unsägliche Schwere, die auf seinen Schultern und in seinen Gliedern lastete. Dass der Mann Chihiro's Namen kannte, versetzte Haku in Alarmbereitschaft. In ihrer Welt besaßen Namen Macht, bedachte man, was Yubaba allein mit dieser Information zu tun vermochte.
Doch dieser Mann war nicht Yubaba. Langsam begriff Haku, weshalb die Energie des Mannes sich nicht von der der Grotte abhob. Er hätte viel früher darauf kommen müssen.
"So treffen wir also doch noch aufeinander", sprach Haku seine späte Erkenntnis aus. "Du bist einer der Alten. Einer der Großen Drei."

Ein schmales Lächeln trat auf die Lippen seines Gegenübers. "Ich bin erfreut, dass wir uns nun begegnen, Auge in Auge. Da ich deinen schon Namen kenne, nenn mich Opal."

"Ich darf mein Urteil also von dir persönlich erwarten", sprach Haku mit klarer, fester Stimme. Es gab nur einen Ausgang, wenn einer der Uralten zu Gericht gezogen wurde. Ein Urteil, das nur sie vollstrecken konnten.

"Dein Ende wird kommen", sagte Opal mit Zuversicht und blickte Haku voller Ernst an, "aber an einem anderen Tag."

Seine Gedanken kreisten, versuchten die Antwort auf eine bestimmte Frage zu finden. Auf seine Ankunft hatte die Bruderschaft lange Zeit gepocht und nun, wo der Schrecken vorüber war, wurde Haku ihm vorgeführt. Warum, wenn nicht zu seiner Vernichtung? Ihm war klar, dass die Macht eines Alten die seine weit überstieg, schließlich trennten sie vermutlich Jahrtausende der Existenz. Gegen ihn, diesen sinnbildlichen Berg, war Haku kaum mehr als ein Staubkorn im Wind. Doch warum trat er dann in Erscheinung? Um ein anderes Urteil zu fällen, hätte er sich nicht herbemühen müssen. 

"Du bist scharfsinnig genug, die Antwort selbst zu finden", sinnierte Opal und blickte Haku ermutigend an, als wäre er ein Schüler, der vor einer Prüfung stand. Es erinnerte ihn an die Zeit seiner Lehre unter der Hexe, doch war kein Lächeln von Yubaba je von Vertrauen geprägt gewesen. Wie eine Raubkatze hatte sie auf seine Fehler gelauert und war ihm an die Kehle gegangen, sobald er einen beging. Der Scharfsinn, den Opal so lobte, ging aus diesen Erfahrungen hervor. Eben das war es, was Haku zu besonderer Vorsicht gemahnte. Er durfte jetzt keinen Fehler begehen, zu viel stand auf dem Spiel.

"Dein Interesse gilt nicht mir", warf Haku ein, als es ihm aufging.

Der Ring, überlegte er. Wenn Opal diesen Ort geschaffen hatte, hatte er etwas seiner Selbst dem hinzugefügt, was andere als wahrgewordener Traum empfanden. Diese Steine kanalisierten seine Kraft, wie sie auch Chihiro's Kraft hatten lenken können, obwohl sie als Mensch keine Magie zu nutzen vermochte.
"Du hast Chihiro den Ring zukommen lassen um sie zu befähigen, ein Portal zu öffnen ."

Wieder schmunzelte Opal und nickte zur Bestätigung. "In dieser Gestalt habe ich sie in ihrer Welt aufgesucht. Ich brauchte nur eurer Verbindung zu folgen, nachdem du Kontakt zu ihr aufgenommen hattest. Sie ist wirklich ein gutes Kind."

Haku konnte es nicht abstreiten, doch gefiel ihm etwas nicht daran, wie Opals Blick sich veränderte, als er von ihr sprach. Etwas Wissendes, das Haku nicht behagte, lag in seinen alten Augen.

"Du hast mein Leben nicht aus Güte geschont", erfasste Haku und spürte, wie sich ein Knoten in seinem Inneren bildete, als ein Bild in seinem Kopf Gestalt annahm.

"Ich hatte mich schon gefragt, wie sehr dieses Menschenmädchen dir die Sinne vernebelt hat. Man stelle sich nur vor, du hättest vergessen, dass Güte eine Divise der Menschen ist. Unser Streben ist von anderer Natur", bestätigte Opal und neigte anerkennend die Stirn.

"Und doch hast du dir eine andere Divise angeeignet", wagte Haku zu sagen und erntete einen Blick, der als verblüfft hätte bezeichnet werden können, wenn er auch nur eine Sekunde anhielt. Haku war der Ausdruck keineswegs entgangen.

Spirited. Always.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt