11. Masterpiece

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Masterpiece

Als die Vorbereitungsteams am nächsten Morgen ins Wohnzimmer platzen, kommt mir ihre Ablenkung gerade recht. Ich war schon eine ganze Weile wach und habe mich um den heutigen Zeitplan gekümmert. Es ist schon zehn Uhr morgens, aber Katniss und Peeta schlafen noch. Haymitch habe ich auch noch nicht gesehen.

Auf dem Weg zu ihren Schlafzimmern kreuzt er dann doch unseren Weg. Er hat nur einen Bademantel an und ich frage mich, wo er hingehen wollte. Haymitchs Blick trifft meinen und ich spüre die Röte in meinen Wangen aufflammen. Ich hoffe sehnlichst, dass mein Make-Up das verdecken kann! Sein rechter Mundwinkel zuckt, als er meinen Blick liest. Ich weiche seinem Blick aus und murmele einen Guten Morgen, als ich an Peetas Tür klopfe.

Haymitch schüttelt den Kopf und tritt neben mich. Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn anzuschauen. Er deutet mit dem Kopf zu Katniss' Tür. Überraschend ziehe ich eine Augenbraue hoch. Peeta hat bei Katniss geschlafen? Heute werden definitiv Tränen fließen. Seufzend gehe ich zu ihrem Schlafzimmer und klopfe diskret, bevor ich die Tür einen Spalt aufmache. Peetas Vorbereitungsteam quiekt vor Freude und platzt lautstark in ihr Schlafzimmer, dicht gefolgt von Katniss', die alle allerdings etwas blass um die Nase wirken. Als sie die beiden dicht aneinander geschlungen im Bett vorfinden, fängt eine von ihnen an zu weinen. Ich presse die Lippen zwingend aufeinander. Ihr Anblick bricht auch mir das Herz, aber auf eine andere Weise.

Zum ersten Mal bekomme ich einen Bruchteil der Tiefe ihrer wahren Beziehung zu sehen. Eine Zeit lang hatte es gar nicht den Anschein, dass von Katniss' Seite je etwas kommen würde. Doch der Junge hat sie verändert. Zwei so junge Menschen, die auf eine einzigartige Art und Weise aneinandergebunden sind. Sie haben das nicht verdient.

Schnell wende ich den Blick ab und flüchte aus dem Zimmer. Ich weiß, dass ich nicht so an ihnen hängen sollte. Eine professionelle Beziehung. Aber mit der Zeit sind sie zu so viel mehr geworden. Mein Magen drückt sich zusammen und automatisch presse ich mir die Hand vor den Mund. Im Laufe der Nacht ist es zu einem Reflex geworden. Aber es kommt nichts.

„Endlich verstanden, dass die Kacke am Dampfen ist?", höre ich Haymitch fragen, als er mich sieht. Er lehnt im Türrahmen seines Zimmers und schaut neugierig zu mir herüber.

„Ausdrucksweise", tadele ich ihn in meinem üblichen arroganten Tonfall und für einen Augenblick sind meine Sorgen vergessen. Haymitch zu ermahnen ist für mich mit den Jahren zur Gewohnheit geworden. Ich schaue ihn an und plötzlich wird mir klar, dass er womöglich der Einzige sein wird, der bleibt. Falls weder Katniss noch Peeta es lebend aus der Arena schaffen werden, dann wird er der Einzige sein, der mir bleibt. Ein auseinandergebrochenes Team. Einmal mehr.

Für einen Augenblick weiten sich meine Augen erschrocken und Haymitch, der irgendeinen Kommentar auf den Lippen hatte, macht den Mund zu, als er den Stimmungswandel auf meinem Gesicht sieht. Er tritt einen Schritt auf mich zu und erwidert meinen Blick mit einem fragenden Ausdruck.

„Ich werde aufhören", teile ich ihm stattdessen mit.

Haymitch versteht sofort was ich sage, denn er nickt ohne großes Bedauern. Es tut weh, zu sehen, dass es ihm nicht viel auszumachen scheint. Im nächsten Moment frage ich mich, wieso diese Tatsache mir etwas ausmacht. Ohne ein weiteres Wort drehe ich mich um und gehe. Während ich ins Wohnzimmer verschwinde, beiße ich mir auf die Lippe. Die Vorbereitungsteams werden ungefähr eine Stunde brauchen, um die beiden herzurichten. Cinna und Portia brauchen nie lange, um ihnen die Kostüme anzuziehen. Ich bin schon gespannt zu sehen, was für ein Meisterwerk Cinna diesmal wohl wieder erschaffen hat.

oOo

Die Zeit vergeht schnell und schon bald sind wir zum Aufbruch bereit. Als ich Katniss in dem Kleid sehe, kommen selbst mir die Tränen. Bei meinem Anblick seufzt Katniss und ich kann mir denken, wie ihr Vormittag abgelaufen ist. „Tut mir leid, Liebes", entschuldige ich mich und streiche ihr über den Arm. Dann habe ich mich wieder unter Kontrolle. Ich schenke ihr ein strahlendes Lächeln. „Du wärst die allerschönste Braut gewesen." Und das wäre sie wirklich. Ich denke an ihre Hochzeit, die es jetzt wohl nie geben wird.

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt